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Ausgabe:

1889 Nr. 21

Spalte:

534-536

Autor/Hrsg.:

Menzies, Allen

Titel/Untertitel:

National Religion: Sermons on the Ten Commandments 1889

Rezensent:

Schlosser, Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 21.

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ift. Und fo find es auch nur wiederkehrende Momente
erhöhten religiöfen Lebens, die Sehl, befchreibt.
Dafs die concreten religiöfen Gefühle, die er fpäterhin
befchreibt, eine z. Th. hochentwickelte Reflexion vorausfetzen
, ändert daran nichts. Die Reflexion über den
Wcltzufammenhang ift für Schi, eben doch nur die Voraus
fetzung, unter der das Univerfum den entfprechen-
den Stufen gemäfs fich dem Individuum offenbaren und
die Momente, ifolirte und zufammenhängende, religiöfen
Lebens in ihm hervorrufen kann. Diefe Vermittlung
hebt in feinem Sinn die Unmittelbarkeit der im eigentlichen
Sinn religiöfen Anfchauungen und Gefühle nicht
auf. Eine Beziehung auf die Welt liegt aber auch in
jenen .myftifchen' Erlebnifsen fo gewifs vor, als es auch
in ihnen eine concrete Weltbeziehung ift, durch deren Ver-
mittelung das Unendliche auf das Subject handelt. Dafs
der Unterfchied der fpäteren Auflagen der Reden von
der erflen in dem Aufgeben der Myftik befteht, kann
ich deshalb nicht zugeben. Dafs Schi, flatt Anfchauung
und Gefühl fpäter nur Gefühl fagt, dürfte fich vielmehr
daraus erklären, dafs er fpäter der Wiffenfchaft die
Aufgabe zufchreibt, vollendete Anfchauung zu fein.

°Der 4. Abfchnitt richtet fich gegen Straufs' Behauptuno
-, Schi, fehe hier noch nicht die Erlöfung durch
Chnftus als das Wefentliche des Chriftenthums an, weil
er lehre, wer nur überhaupt religiös vermittelnde Kräfte
in der Welt anerkenne, der flehe innerhalb des Chriftenthums
. Indem R. den Begriff des Mittlerthums durch
die Reden hindurch verfolgt, ftellt er die Unterfcheidung
zwifchen Mittlerfchaft auf dem Gebiet der allgemeinen
Cultur und auf dem der Religion, fowie auf dem letzteren
den Unterfchied zwifchen der Anregung zur Religion,
die ein Einzelner auf andere Einzelne ausübt, und der
Vermittelung eines Einzelnen für eine ganze religiöfe
Gemeinfchait feft, und zeigt, dafs Schi, bei der von
ihm als chriftlich anerkannten Vermittelung im erfteren
Sinn, die doch Chriflus nicht als Mittler im zweiten Sinn anerkennt
, an unbewufste Abhängigkeit von Chriflus gedacht,
alfo die Einzigkeit und Unübertrefflichkeit des Chriftenthums
nicht preisgegeben hat. Eben fo wenig fei das letztere
der Fall, wenn er auch aufserchriftliche Religionen, bereits
vorhandene und erft zukünftige, wie die von ihm erhoffte
Religion des Kunflfinns, als Verwirklichungen der
chrifllichen Hauptidee betrachtet. Sie feien ihm Bundes-
oenoffen des Chriftenthums im Kampf gegen die Irreli-
giofität und für diejenigen werthvoll, welche durch ihre
Individualität nicht für das Chriftenthum geeignet feien,
darum vom Chriftenthum unbefchadet feines fpeeififchen
Selbftbewufstfeins mit Freuden zu begrüfsen, ein Stoff
für feine religiöfe Betrachtung der Gefchichte. Indem
der Verf. mit Recht aufrecht erhält, dafs Schi, damit die
Abfolutheit des Chriftenthums nicht aufgegeben habe,
urtheilt er doch, dafs er vermöge feiner einfeitigen Betonung
der Individualität dasfelbe zur Gnofis fublimirt
und die allgemeine Zugänglichkeit desfelben aufgegeben
habe. Es ift mir doch die Frage, ob dies Urtheil nicht
in etwas zu befchränken ift, wenn man den Zweck der
Reden und die rhetorifche Darftellung berückfichtigt.
Gemäfs dem erfteren ftellt Schi, auch das Chriftenthum
nur von der Seite feiner Analogie zu der Gefchichts-
betrachtung der romantifchen Bildung dar. Die Predigten
zeigen, dafs er auch einen anderen Afpect für dasfelbe
kennt, der den Armen am Geifte nicht unzugänglich ift.
Und wenn man den rednerifchen Charakter der Darftellung
in Anfchlag bringt, fo darf man wohl fragen,
ob der Kern jener befremdlichen Ausführungen nicht
die Univerfalität des Chriftenthums ift, welche die ganze
Gefchichte der Menfchheit in ihrer Abzweckung auf das
Chriftenthum verlieht und gegenüber der Langfamkeit
der Entwickelung zu diefem Ziele hin Geduld übt.

Giefsen. J. Gottfchick.

Ache Iis, Prof. Dr. E. Chr.. Aus dem akademischen Gottesdienste
in Marburg. Predigten. 3. Hft. Marburg,
Elwert's Verl., 1888. (IV, 147 S. gr. 8.) M. 1.40.

Auch das 3. Heft der Achelis'fchen Predigten, welches
16 Predigten über freie Texte enthält, von denen
drei dem alten Teftamente angehören, und dem als Anhang
die Weiherede zur Eröffnung der neuen medici-
nifchen Klinik in Marburg beigegeben ift, zeichnet fich inhaltlich
durch diefelben Vorzüge aus, die wir an den
früher angezeigten erften beiden Heften hervorheben
konnten. Die Form läfst allerdings auch in diefer Sammlung
zu wünfehen übrig. Einige Beifpiele: ,Aus dem
verlefenen Gleichnifs unferes Herrn lafst mich den Ruf
der Einladung hervorheben, welcher in der Mitte des
Gleichnifses fleht' (S. 1). — ,Das Bild des Hochzeitsmahles
ift das Bild von dem Reichthum des Lebens
von dem ewigen Quell ewiger Freude, die aus des
ewigen Königs ewiger Huld in der Gemeinfchaft der
P"eiernden gefunden wird' (S. 3). —■ ,So fei es ein Attentat
auf die Ehre der Menfchheit und ein Mord an ihrer
Selbftherrlichkeit, jener Ruf (S. 5). — ,Dafs Veran-
ftaltung getroffen fei, wodurch' (S. 8). — ,0 wohl dem
Volk, des der Herr fein Gott ift, das Volk, das er zum
Erbe erwählt hat' (S. 12). — ,So innig und freundlich
der Auftrag lautet, über das Herz Jerufalems zu reden,
d. h. mit linder Hand es aufzurichten' (S. 12). — ,Durch-
ftrichen ift aus der Gnade Gottes alle Schuld' (S. 14).
— ,Hier ift der Troft vollkommen, womit' (S. 15). —
,Das Erbarmen Chrifti zu den Verlorenen' (fo im Thema
auf S. 100). — ,Ohne diefe Rettung Jefu gehören fle
beide zu den Verirrten, .... die Pharifäer nicht weniger
als die Zöllner' (S. 101).

Lennep. Lic. Dr. Thönes.

Menzies, Rev. Allen, National Religion: Sermons on the
Ten Commandments. London, Gardner, 1888. (194 S. 8.)

Vorliegende Predigten entflammen der fchottifchen
Kirche; wir dürfen daher von vornherein auf eine von der
unfrigen fehr verfchiedene homiletifche Art und Anlage
gefafst fein. Es trifft hier aber umfomehr zu, als nur ein
Theil diefer Predigten fo, wie fie im Druck vorliegen, auch
gehalten ift. Einige haben für den Druck beträchtliche
Erweiterungen erfahren, eine ift eigens für diefe Sammlung
gefchrieben, und fie haben daher, wie der Verfaffer felbft
anerkennt, eher den Charakter von Abhandlungen {studics)
als von Predigten. Allerdings fehlt das eigentlich red-
nerifche Element darin keineswegs. Es macht fich aber
nicht in rednerifchem Schwung und Schmuck geltend,
fondern in jener eigentümlich praktifchen Energie, in
jener treffenden Sachlichkeit und Unmittelbarkeit des
Ausdrucks, wie fie uns an englifchen Predigern bekannt
ift. Jedenfalls mangelt darin alles, woran man bei uns
den homiletifchen Aufbau erkennt, nicht minder die
homiletifche Sprache. Wir würden fie daher bei uns
wohl als religiöfe Reden oder Vorträge bezeichnen. Im
ganzen find es 13 sermons, von denen zwei einleitender
Art find, die anderen je ein Gebot (nach reformirter Anordnung
) — nur dem 5. Gebot find zwei Betrachtungen
gewidmet — behandeln.

Was uns aber viel mehr auffällt, als die äufsere Form,
ift die grofse Freimüthigkeit, mit welcher der Redner die
Ergebnifse der hiftorifchen Kritik vor die Gemeinde bringt.
Er fpricht fich in der Vorrede darüber folgendermafsen
aus: It will be fouttd by those wlio consider the matter
wiihoul Qrejudice, that the Decalogue gains instead of lositig
m impressiveness, when the verdict of criticism is frankly
aeeepted, which assignsit in its present form to the agc of the
Prophets. So giebt er denn in dem erften Vortrag eine
kurze hiftorifche Einleitung in den Dekalog vom Standpunkt
der modernen Pentateuchkritik. Ein deutfeher
Prediger würde derartiges in der weitaus gröfsten Mehr-