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Ausgabe:

1889

Spalte:

521

Titel/Untertitel:

Eine neuentdeckte Bibelhandschrift 1889

Rezensent:

Meyer, Ph. L.

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 21. 19. October 1889. 14. Jahrgang.

Eine neuentdeckte Bibelhandfchrift (Ph. Meyer).
Cheyne, Jeremiah: His life and times (Budde).
Heiligftedt, Präparation zum Buche Hiob
(Budde).

Reuss. Notitia codicis quattuor evangeliorum

Graeci membranacei (Gregory).
Gwynn, Hippolytus on St. Matthew XXIV,

15—22 (Harnack).

Ballerini, Opus theologicum morule in Busenbaum
medullam (Reusch).
Das Ablafswefen im gegenwärtigen Rom (Fay).

Ritfehl (Otto), Schleiermacher's Stellung zum
Chriftenthum in feinen Reden über die Religion
(Gottfchick).

Achelis, Aus dem akademifchen Gottesdienfte
in Marburg, Predigten, 3. Heft (Thönes).

Menzies, National Religion, Sermons on the
Ten Commandments (Schloffer).

Funcke, Brot und Schwert, 2. Aufl. (Lindenberg
).

Religiöfes Schatzkäfllein (Lindenberg).
Ebner, Das deutfehe Volkslied in Vergangenheit
u. Gegenwart (Lindenberg).
Die chriftliche Welt, 2. Jahrg. (SchlofTer).
Replik und Duplik (Trümpert und Achelis).

Eine neuentdeckte Bibelhandschrift.

Da es häufiger vorgekommen, dafs für die Wiffen-
fchaft wichtige Nachrichten, welche griechifche Zeit-
fchriften brachten, im Abendlande unbekannt blieben, fo
glaube ich nichts Ueberflüffiges zu thun, wenn ich hierdurch
auf einen Artikel der in Athen erfcheinenden
Kirchenzeitung Iwzt'jo, Jahrgang 1889, S. 21—23 und
57—59 hinweife. Derfelbe ift gefchrieben von XP. IJajca-
önrrovXog, einem Gerichtsbeamten in Cypern und führt
die Ueberfchrift: ,7/ h Juuug/m ägaftr/ij ßißfoofhqxt]
y.ai T(t ytignyg(tq?a aveijg'.

Unter den Handfchriften diefer Bibliothek, über deren
fonftige Verhältnifse man den intereffanten Artikel felbft
nachlefen möge, dürfte nun Eine allgemeine Aufmerkfam-
keit in Anfpruch nehmen, nämlich eine Bibelhandfchrift,
die dem Sinaiticus mindeftens fehr nahe verwandt
ift. Hier die Worte des Artikels:

tyoti. - -

xai 180 o/.ö/.hoov n)v Kaivipy ^ladjmOjv, zrjv ImazoXrpv
zov Bagväßa /.cd fiiya utgog zov Hoiutvog zov 'Egiiü.
Ehai 06 zezgdozrß.ov dvd (50) aziyovg b> tydozrj Gzi[hj
uEzä Tregi&woiov. To yetgoygcapov zovzo övruzai vd istio-
Qn9% ouoiov y.ai Tragspicpegtg tq~i SivoMcaufi {Codex Sinaiticus
), diö y.ai ygi~ti onovöaiaztgag iielizrjg y.ai £gevvrtg.
77 dva/.äXvipig zov it^oavgov zovzov ocpn'lezai l)/!tV.

Im Vorhergehenden bemerkt der Verfaffer noch, dafs
die Handfchrift in Uncialen gefchrieben ift.

Binnen bei Nienburg a.Wefer. Ph. Meyer.

Cheyne, Prof. T. K., M. A., D. D., Jeremiah: His life

and times. London, Nisbet & Co., 1888. (XII, 205 S. 8.)
geb. 2 sh. 6 d.

Vor etwa 20 Jahren begann Verf. mit der Arbeit
zu einem Jeremia-Commentar, in den Jahren 1883 und
1885 erfchien fein zweibändiger Pulpä-Commentary, der den
urfprünglichen Plan nur fehr bruchltückweife verwirklichen
konnte. Im Sommer 1887 behandelte er das Buch Jere-
mia in einer Folge von Predigten, und diefe find der
Keim des vorliegenden Bandes geworden. Kein Eingeweihter
wird erft diefer Nachrichten zum Ausweis all-
feitiger Befähigung und Ausrüftung des Verfaffers für
feine Aufgabe bedürfen; eher könnte man umgekehrt
bedauern, dafs die fchriftftellerifche Vorbereitung und
Grundlegung zu diefem Buche eine dem Räume nach fo
umfaffende, der Art nach fo einfeitige gewefen ift. Ge-
wifs durfte einer Biographie für den weiten Kreis der

Gebildeten in der chriftlichen Gemeinde ein erbaulicher
Zug nicht abgehen; aber Sprache und Methode der
Predigt find doch von der der Biographie gar zu ver-
fchieden, um ihrer Wirkung nicht zu fchaden. Immer
wieder flockt der Faden, weil ein Gedanke befchaulich
auseinander gelegt, die Nutzanwendung auf unfere Zeit
gemacht, der Unterfchied altteftamentlicher und chrilt-
licher Betrachtungsweife dargelegt wird: Auseinander-
fetzungen, die nie eines werthvollen Kerns entbehren,
aber in ihrer Ausführlichkeit unabweislich das Bild der
Gefchichte und der Perfönlichkeiten blaffer und flacher
erfcheinen laffen, als gut ift. Daneben macht fich aber
auch ein anderer Fehler nicht minder hemmend für
frifchen Fortfehritt bemerklich, das ift Cheyne's bekannte
Vorliebe für divinatorifche Ergänzung der Lücken im
vorliegenden Stoff. Mit grofser Freude begrüfse ich
einen Satz wie den auf S. 13: ,Die Einbildungskraft ift
Gottes Dienerin, uns beftellt, damit wir uns eine Vor-
ftellung machen können von der Bedeutung und Schönheit
feiner Worte und Werke in vergangenen Zeiten'.
Indeffen will die Berechtigung folcher Ergänzungen doch
forgfältig nachgewiefen fein, und fo kommt die Erzählung
immer wieder zum Stillftand, während Gegenftände
verhandelt werden, die hie und da über die Fähigkeiten
der Durchfchnittslefer hinaus liegen. Das gilt vor allem
von der Jugend Jeremia's, von feinem Verhältnifs zu
dem faft völlig mit Stillfchweigen übergangenen Deutero-
nomium und der Reform Jofia's. Es ift bei aller Wichtigkeit
diefer Fragen doch zweifellos für eine Biographie
Jeremia's ein wunderliches Mifsverhältnifs, wenn die volle
Hälfte des Buches gerade bis zum Tode Jofia's führt,
alfo faft der gefammte Inhalt des Buches Jeremia auf
die zweite Hälfte angewiefen ift. Natürlich kommt
darüber die letzte Zeit, für die wir eine Fülle greifbarer
Thatfachen zur Verfügung haben, zu kurz, und aus dem
ganzen Buche tritt des Propheten Perfon nicht körperlich
genug heraus. Ueber dies alles mag man verfchie-
dener Meinung fein, fchwerlich aber über gewiffe Formfehler
, deren Folge eine bedauerliche Unüberfichtlich-
keit ift. Cheyne hat fich die beiden volksthümlichen
Arbeiten von Driver und Smith (vgl. Lit. Z. 1888 Nr. 26,
1889 Nr. 12) gar zu wenig zum Mufter genommen. An
die Stelle der ftreng gefchichtlichen Capitelüberfchriften
des erfteren, der knappen Angabe des Gedankengehaltes
bei dem letzteren treten hier emblematifche Ueber-
fchriften, die wie ein Räthfel klingen, alfo nicht zur
leichteren Ueberficht dienen, fondern erft aus dem Inhalt
ihre Erklärung finden müffen. Und während die
beiden anderen Schriftfteller im Inhaltsverzeichnifs und
über jedem Capitel genau angeben, welche Abfchnitte
des Prophetenbuches in demfelben behandelt werden,

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