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Ausgabe:

1889 Nr. 2

Spalte:

34-35

Autor/Hrsg.:

Wrede, Adolf

Titel/Untertitel:

Die Einführung der Reformation im Lüneburgischen 1889

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 2.

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Akakios und Petros, der mit Bezug auf diefe Dinge ftatt- I
gefunden hat, ift uns nur ein Schreiben bei Euagr. III, 17
erhalten. A. hat die Gesta de nomine Acacii nicht zur
Hand gehabt (warum?). Ich erwähne darum, dafs auch
in diefen (Cap. 9) nur von einer einmaligen Miffion des
Johannes Tabennesiotes nach Konftantinopel die Rede ift.

Das Leben des Mönches Schnudi in arabifcher Ueber-
fetzung (vgl. auch Nr. 1) ift das wichtigfte Stück der Publi-
cationen von Amelineau, der mit einigem Selbftgefühl
hervorhebt, dafs er der einzige Europäer fei, dem diefe j
arabifche Ueberfetzung zu Geficht gekommen ift, von der
ihm vier Handfchriften bekannt find. Diefes ,Leben' ift
weder eine Chronik, noch eine wirkliche Biographie, wie I
Revillout behauptet hat. Es hat vielmehr lediglich die
Erbauung zum Ziel, wie das bei derartigen Sachen meift
der Fall zu fein pflegt. Es ift eine Lobrede im eigentlichsten
Sinne des Wortes, gefprochen von Vifa, dem Nachfolger
Schnudi's als Archimandrit. Der Inhalt natürlich
vollkommen romanhaft; von den haarfträubendften Wun-
dergefchichten wimmelt er. Intereffant ift eine ,Apo-
kalypfe', welche eingeflochten ift (vgl. p. LVI, LVII und
den Text des ,Lebens'): Amelineau meint hier mit
dem Recurs auf die Johannesapokalypfe und jüdifche
Apokalypfen auszukommen. Ref. wurde durch einige
Züge lebhaft an die wenigen uns erhaltenen Fragmente
der fogenannten Petrusapokalypfe erinnert.

A., der fleh die übrigens ziemlich übcrflüffige Mühe
giebt, alle diefe Wundergefchichten weitläufig als erfunden
zu erweifen, giebt bei diefer Gelegenheit einige wun-
derhübfehe Parallelen aus dem heutigen Aegypten, welche
zeigen, dafs die Dinge heut noch nicht anders liegen als
vor 1400 und, man kann hinzufügen, vor 300x3 Jahren.
Denn A. macht es wahrfcheinlich, dafs die bekannten
ägyptifchen Mönchslegenden nicht lediglich freie Com-
pofitionen ihrer Urheber find, fondern zum Theil Re-
produetionen altägyptifcher Romane. Diefe wurden auch
in chriftlicher Zeit noch gelefen, wie der Umftand beweift,
dafs man im Grabe eines chriftlichen Mönches den Roma
* de Satiii gefunden hat. — Der arabifche Text diefes
.Lebens' ift ficher eine Ueberfetzung, deren Zeit nicht
feftgeftellt werden kann. Das koptifche Original, welches
dem Ueberfetzer vorlag, datirt A. auf 685—690, auf
Grund von Fingerzeigen, die jene ,Apokalypfe' giebt.
Es ift bereits, wie fleh hieraus erfehen läfst, eine Erweiterung
des urfprünglich von Vifa gehaltenen Panegyri-
cus, der aber ficher zu Grunde liegt. Dafs uns ein anderer
Panegyricus desfelben Mannes, ganz anders lautend, erhalten
ift (vgl. Zoega, Cat. cod. copt. p. 526), thut dem
keinen Eintrag, da Vifa öfter das Andenken des in hohem
Anfehen gehaltenen Mönches vor deffen Verehrern gefeiert
haben mag. Was nun diefen felbft betrifft, fo
lebte er, wie A. erweifen zu können glaubt, von 333 bis
zum i.Juli 451, ward alfo 118 Jahre alt. Auf die Frage,
ob überhaupt irgend welche Angaben über Lebensdaten
des Mannes glaubhaft find, ift A. leider nicht eingegangen.

Die Fragmente (Nr. 5) enthalten Einiges über ägyptisches
Mönchsleben und Mönchsregeln, vielleicht aus der
Umgebung des Schnudi.

Kann man nun nicht behaupten, dafs der Werth diefer
Veröffentlichungen ein fo grofser ift, wie Amelineau
anzunehmen fcheint, fo mufs man ihm doch fehr dankbar
fein, wäre es auch nur, weil uns wieder einmal beftätigt
wird, dafs Alles, was uns aus diefen und ähnlichen morgen-
ländifchen Funden nach und nach geboten wird, mit der
höchften Vorficht aufgenommen werden mufs. Um fo
bedauernswerther ift es, dafs man fleh auf Aeufserungen
eines Gelehrten wie Revillout anfeheinend fo wenig
verlaffen kann. Wer fleh näher mit der Gefchichte diefer
Zeit befchäftigt, wird dennoch genug finden, was für
die Culturgefchichte von Bedeutung ift, und mit diefer
fällt ja hier die Kirchengefchichte "lediglich zufammen.
Bieten diefe ,Lebensgefchichten', Lobreden und Briefe
wenig direct verwerthbaren Stoff, fo geftatten fie doch

wichtige Rückfchlüffe auf die Zeit, in der fie gefchrieben
wurden, und den Charakter der Menfchen, die fie ver-
fafsten.

Die Ausftattung des Werkes ift glänzend. Aufgefallen
ift mir p. XXXVII, Zeile 4 von unten 488 ftatt 458
für das Todesjahr des Anatolius und p. XL, Zeile 3 von
unten 1073 ftatt 1013.

Giefsen. Guftav Krüger.

Wrede, Dr. Adf., Die Einführung der Reformation im Lüneburgischen
durch Herzog Ernft den Bekenner. Eine
von der philofophifchen Fakultät der Georg-Augufts-
Univerfität zu Göttingen gekrönte Preisfchrift. Göttingen
, Dieterich's Sort, 1887. (VIII, 227 S. gr. 4.)
M. 8. —

Das Stück deutfeher Reformationsgefchichte, mit
welchem es diefe von der philofoph. Facultät in Göttingen
gekrönte Preisfchrift zu thun hat, fällt mehr in
das Gebiet des Profanhiftorikers als in das des Theologen
. Denn es ift wefentlich Reformation von oben,
getragen durch den energifchen und umfichtigen Willen
des Herzog Ernft, als durch hervorragende reformato-
rifche Perfönlichkeiten — Urb. Rhegius tritt erft in die
Arbeit ein, als die Grundlagen derfelben bereits ge-
fchaffen find — oder auch durch eine breite Bewegung
des Volkes. Die Reformation ift hier zugleich Kampf
desFürften für Ausbreitung und Befeftigung feiner Macht-
befugnifse. Der Kampf gegen die Selbftändigkeitsgelüfte
der Stadt Lüneburg und gegen die Unabhängigkeit der
Klöfter ift die Form, in welcher hier das evangel. Be-
kenntnifs zum Siege gebracht wird; Landtagsbefchlüffe
bilden die Merkfteine für den Fortfehritt des Reformationswerkes
. Die Acten desfelben find daher wefentlich den
politifchen Correfpondenzen und Urkunden der Archive
zu entnehmen. Das giebt vorliegender Reformationsgefchichte
ihr eigenartiges Gepräge: politifche Händel bilden
den Hauptinhalt. Mit grofser Sorgfalt hat der Ver-
faffer das Actenmaterial auf den verfchiedenen Archiven
Hannovers durchforfcht, und auch die ziemlich fpärliche
zeitgenöffifche Literatur, die hier in Betracht kommen
konnte, ift wohl vollftändig verwerthet. Uhlhorns U.
Rhegius bot vor andern eine fchätzenswerthe Vorarbeit.
So folgt man dem Verfaffer überall mit der angenehmen
Empfindung, einem gewiffenhaften, zuverläffigen Führer
fich anvertraut zu haben; es wird wenig Nachlefe für
Spätere übrig bleiben. Neben zahlreichen Vervollständigungen
des Stoffes über die Arbeit feiner Vorgänger
hinaus, unter denen mir die werthvollfte die Mittheilung
der Instruction zu fein fcheint, welche Herzog Ernft 1529
bei der Vifitation der Stifter und Klöfter für die Prediger
auffetzte und deren Inhalt uns S. 95 ff. mitgetheilt wird,
ift der Nachweis von befonderer Bedeutung, dafs das fo-
genannte Artikelbuch nicht erft Oftern 1529, fondern bereits
August 1527 dem Landtage vorgelegt und von
diefem angenommen worden ift. Fehlt auch dem Com-
bihationsbeweife, den Wrede hiefür S. 83 ff. führt, die
directe Bestätigung, da die Acten jenes Landtages fehlen,
fo fcheint mir doch feine Beweisführung hohe Wahr-
fcheinlichkeit erreicht zu haben. Diefes Ergebnifs ift aber
für die Beurtheilung des Vorgehens des Fürsten in den
beiden nächsten Jahren von grofser Wichtigkeit, weil das-
felbe dann als auf einer bereits gewonnenen festen Rechts-
bafis beruhend zu betrachten ift.

Dem Recenfenten bleibt neben dem Ausdruck der
Freude über das, was der Verfaffer uns bietet, nur die
Aufgabe übrig, eine befcheidene Nachlefe an untergeordneten
Punkten zu halten. Auf S. 37 wird von den
Disputationsartikeln, mit welchen Gottfchalk Crufe 1521
in Wittenberg zum Dr. promovirt wurde, von Wrede angemerkt
, dafs fie handfehriftlich auf der Celler Minifte-
rialbibliothek vorhanden feien. Ich füge hinzu: fie find

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