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Ausgabe:

1889

Spalte:

497-499

Autor/Hrsg.:

Schlottmann, Konst.

Titel/Untertitel:

Kompendium der biblischen Theologie des Alten und Neuen Testaments 1889

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 20. 5- October 1889. 14. Jahrgang.

Schlottmann, Kompendium der biblifchen
Theologie des Alten und Neuen Teftaments
(Siegfried).

Kolde, Martin Luther, 2. Bd. I. Hälfte. (Boffert).
Lenz, Briefwechfel Landgraf Philipp's desGrofs-

müthigen von Heften mit Bucer. I. u. 2. Thl.

(Enders).

_ .. ,, ü 1 j ui r j ' Jaspis, Denkmal der Liebe, Predigten (Achelis).

Reife hie, Die Frage nach dem Wefen der r ' ' 6 * 1

Religion (Kaftan).

Biedermann, Religionsphilofophie (Thönes).

Schulze, Die einheitliche Chriftenlehre. 2. Bd.
(Achelis).

Tümpel, Gefchichte des evangelifchen Kirchengefangs
im Herzogthum Gotha, i. Thl.
(Achelis).

Grimelund, Die Gefchichte des Sonntags
(Achelis).

Schlottmann, weil. Prof. Dr. Konft, Kompendium der
biblischen Theologie des Alten und Neuen Testaments.

Hrsg. von Konfift.R. Pfr. Dr. Ernft Kühn. Leipzig,
Dörffling & Franke, 1889. (VI, 192 S. gr. 8.) M. 4. —
Nach dem Vorwort enthält die vorliegende Schrift
,die Dictate, welche der fei. Schlottmann in feinen Vor-
lefungen über biblifche Theologie zu geben pflegte'.
Der Verftorbene hat die Veröffentlichung derfelben felbft
beabflehtigt und der Herausgeber hat recht daran ge-
than, diefe Abficht zur Ausführung zu bringen. Wün-
fchenswerth wäre es allerdings gewefen, dafs er die
wenigen von ihm herrührenden Aenderungen oder Zu-
fätze (vgl. S. IV) kenntlich gemacht hätte. — Ein Vorzug
der Arbeit ift der knappe klare Ausdruck. Ebenfo empfindet
der Lefer die Abwefenheit alles Literaturbalaftes
— (wir fanden nur S. 84 in völliger Einfamkeit den Namen
Keerl) als eine Wohlthat. Eine andere Präge ift freilich,
ob es zweckmäfsig war, den Studirenden jeden Einblick
in die Gefchichte diefes Wiffenszweiges zu ver-
fchliefsen. — Was die Behandlung des Gegenftandes
felbft betrifft, fo ift die Zufammenfaffung der alt-
und neuteftamentlichen Theologie zu einem kunftvoll
aufgebauten Ganzen von einem auf beiden Gebieten
bewanderten Manne ein beifallswerthes Unternehmen,
welches allerdings nicht ohne Gefahren ift. Fafst man
nämlich feine Aufgabe fo, dafs man ,für die kirchliche
Lehre die biblifche Grundlage und zwar nach den charak-
teriftifchen Entwickelungsftufen der letzteren gewinnen
will' (S. I), fo ift zwar das methodifch einzig richtige
Verfahren, nämlich das der hiftorifchen Unterfuchung
nicht ausgefchloffen, aber es erhält hinflehtlich feines
Zieles eine gebundene Marfchroute und es entfteht die
Gefahr, dafs wir uns in künftlichen Conftructionen bewegen
. Es kann dahin kommen, dafs die kirchliche
Lehre als das fefte Datum gilt, bei welchem von Haufe
aus alles in Ordnung ift, was doch erft noch zu erweifen
wäre, und dafs die Bewegung zu ihm hin ein hohler
Schein wird, indem unwillkürlich der Inhalt desfelben
bereits in die früheren Perioden zurückgetragen wird.
Wenn wir z. B. S. 10 lefen, dafs die Urzeit bereits Gott
als den fchlechthin vollkommenen Geift und als abfolute
Perfönlichkeit gefafst habe, fo fragen wir uns unwillkürlich
, was wir denn eigentlich vor Adam hinflehtlich der
religiöfen Erkenntnifs voraushaben und was fleh denn
überhaupt nun noch entwickeln foll. In der That find
denn auch die Erzväter (S. 14) bereits reine Monotheiften,
zu denen der univerfelle Gott nur ein gewiffes particu-
lares Bundesverhältnifs eingeht. Bei Mofe wird ebender-
felbe Gott König eines Volkes und giebt ein Gefetz, in
welchem er auffallende Anbequemungen an Zeitvorftel-
lungen (Polygamie, Opfer, Priefterthum etc.) fleh geftattet,
Dinge, welche er einfach hätte verbieten follen, da ja

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das Volk ihn bereits als Jahve, d. h. als ovzcoc «> wie
Verf.S. 37 meint, erkannte. Die Propheten find unter diefen
Umftänden auch recht überflüffige Figuren. Sie müffen
nach S. 39 kommen, weil ,das Gefetz die göttlichen Gedanken
nur in ftatutarifchem Zwange mittheilt'. Darum
fei eine neue Geiftesmittheilung nöthig. Es giebt ja aber
gar nichts mehr mitzutheilen. Die göttlichen Gedanken
find ja da. Die Propheten haben nur zum Gehorfam gegen
diefelben zu ermahnen und vor Veräufserlichung zu warnen
(S. 71). Das Einzige, was ihnen als eigenthümlich
noch bleibt, ift, dafs fie die Reichsvollendung in ver-
fchiedener Weife ausmalen. Der Verf. thut fie deshalb
auch in einer Kürze ab (S. 48—59), aus der Niemand
abnehmen wird, dafs hier die eigentlich grofsen religiöfen
Gedanken des A.T.'s verborgen liegen. Unter der Ueber-
fchrift ,das theokratifche Gemeindebewufstfein' bekommen
wir dann eine gedrängte Zufammenfaffung der alt-
teftamentlichen Lehren von Gott, vom Menfchen und vom
Heil, die manches fehr treffend Formulirte und tief Auf-
gefafste enthält; nur ift dies Bild aus Farben fehr ver-
fchiedener Zeitalter gemifcht. Den Abfchlufs des erften
Haupttheils bildet eine Darfteilung der Lehren des nach-
kanonifchen Judenthums, die, kurz zufammengedrängt,
fehr werthvollen Stoff enthält und befonders darum
wichtig ift, weil nun der Zufammenhang des alten Tefta-
mentes mit dem neuen in das Licht tritt. Hier fcheint
uns nur ein fehr wichtiger Gefichtspunkt nicht genügend
hervorgehoben zu fein. Das neue Teftament erwächft
auf dem Boden des paläftinifchen Judenthums, aber der
religiöfe Fortfehritt beruht infonderheit darauf, dafs die
falfche gefetzliche Entwickelung, welche der P. C. angebahnt
hatte, abgebrochen und wieder an die ewigen Gedanken
des Prophetismus angeknüpft wird. Dies hätte
nach unferem Dafürhalten befonders in dem Abfchnitte
von der Lehre Jefu ausgeführt werden müffen. Im
Uebrigen überlaffen wir die Beurtheilung der Behandlung,
welche der Verfaffer den Lehren des N. T.'s angedeihen
läfst, kundigeren Gewährsmännern. Dafs die letzteren
die Zufammenwebung eines Bildes der Lehre Jefu zugleich
aus fynoptifchen und johanneifchen Stoffen billigen
werden, möchten wir allerdings bezweifeln. Ebenfo fcheint
unferem Laienverftande der Schlufs unvermeidlich, dafs,
wenn Johannes ,die Reden Jefu wie kein anderer genau
aufgefafst hatte' (S. 94), in diefem Falle die Synoptiker
fie fehr fchlecht aufgefafst haben, denn etwas fo Ver-
fchiedenes wie diefe beiderlei Redeweifen erinnern wir uns
kaum gelefen zu haben. Zum Schlufs begnügen wir uns
den Inhalt der neuteftamentlichen Abfchnitte kurz anzugeben
. Die Lehre Jefu wird nach zwei Hauptgefichts-
punkten zufammengefafst: 1) das Wefen des Himmelreichs
S. 96—ho, 2) der Meffias als Gründer und König
des Himmelreichs S. 111—134. Hierauf folgt: die Lehre
der Apoftel und zwar 1) das Evangelium der Apoftel

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