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Ausgabe:

1889 Nr. 2

Spalte:

30-31

Autor/Hrsg.:

Amélineau, E.

Titel/Untertitel:

Les Actes coptes du martyre de St. Polycarpe 1889

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 2. 30

gefehen hat. Die Redaction der neuen Ausgabe wurde I
von Präfident und Fellows des Harvard College den
bewährten Händen des auch den Lefern diefer Zeitfchrift
vgl. Jahrg. 1886, Col. 553 f.; wohlbekannten Cambridger
Profeffors J. H. Thayer anvertraut. Sie unterfcheidet (ich,
nach einer Mittheilung des Herausgebers im Vorworte,
von der des Jahres 1870 durch Richtigftellung von etwa
zweihundert Verfehen fowie durch eine geringe Zahl
von Zufätzen, welche in Klammern eingefchloffen er-
fcheinen.

Den Anfang des Buches macht ein zehn Seiten zu
zwei Columnen füllendes Verzeichnifs der citirten Autoren
, mit Angabe der benutzten Ausgaben fbeiKirchen-
fchriftftellern meift Migne). Dann folgt auf 56 Seiten
die Jutroduction', in welcher, nach einer kurzen Charak-
teriftik der griechifchen Dialecte bis herab zum Byzan-
tinifchen und Neugriechifchen, die Vertreter der ver-
fchiedenen Perioden in chronologifcher Folge aufgeführt
werden, und zwar für die chriftliche Zeit in Parallelcolum-
nen, deren eine die profanen, die andere die kirchlichen
Autoren enthält. Daran fchliefsen fich Bemerkungen
über die aus fremden Sprachen in die griechifche ■ eingedrungenen
Elemente und endlich ein Abfchnitt gram-
matifchen Inhalts, in welchem die Eigenthümlichkeiten
der fpäteren Gräcität in Etymologie, Syntax und Profodie
zufammengeflellt find. Ein Anhang bringt auf wenigen
Seiten ,Specimcns of the populär style of the first two
epoclis of the Byzantine period' (330 bis 622 und 622
bis 1099).

Das Wörterbuch felbltumfafsti132injezweiColumnen 1
getheilte Seiten. Ueber die Grundfätze, welche für die
Bearbeitung leitend waren, hat der Verf. fich nicht näher
ausgefprochen. Manerkenntaber leicht, dafs es ihm darum
zu thun war, den VVortfchatz des im Titel umfehriebenen
Zeitraumes in möglichfter Vollftändigkeit beizubringen,
bei der Auswahl der Ouellenbelege jedoch in der Regel
nur das frühefte Vorkommen eines Wortes refp. einer
Wortbedeutung zu berücküchtigen. Wie man diefes Verfahren
im Intereffe der Raumerfparnifs nur billigen kann,
fo wird man es aus demfelben Grunde gutheifsen, dafs
nur feiten die in Betracht kommenden Stellen wörtlich
mitgetheilt werden. Uebrigens erklärt fich die verhält-
nifsmäfsig grofseZahl kurzer Artikel aus dem Reichthumc
der fpäteren Gräcität an allerhand Neubildungen, welche,
für das augenblickliche Bedürfnifs geprägt, oft «Vrai; le-
yofisra geblieben find.

Ueber die Vollftändigkeit und Zuverläffigkeit des
Werkes wird ein abfchliefsendesUrtheil erft nach längerem
Gebrauche möglich fein. Die Probe, welche Ref. an einem
einzelnen Schriftfteller vornahm, ergab ein dafür recht
günftiges Refultat. Der Barnabasbrief ift bekanntlich
reich an feltenen und fonft überhaupt nicht weiter nachweisbaren
Wörtern. Von allen diefen Wörtern fand fich
nur eines bei Soph. nicht vor, nämlich diyvu'ivuov. Aber
das Fehlen diefes Wortes beruht nicht fowohl auf einem
Verfehen als vielmehr auf dem Umftande, dafs die vor
dem Ja.ire 1870 erfchienenen Ausgaben des Briefes an
der betreffenden Stelle (19,7'; nicht dtyroniwr (Cod. Sin.),
fondern diyiiouog bieten. Erft nachdem die Lesart der
Sinaitifchen Handfchrift durch den Codex Constantinopol.
eine Bestätigung gefunden, ift diyvditioiv in den Text
aufgenommen worden. — In den Citaten fand Ref. keine
Fehler: nur in einem Falle (naoelodioic) war ftatt zweier
Stellen (2,10 und 4,9) nur eine (2) angegeben. Aufser-
dem fand fich in zwei Fällen ftatt des Barnabas ein
fpäterer Autor genannt, nämlich bei e/.orpevdoväio Bafilius
(vgl. jedoch Barn. 2,10) und bei nonaotfmo Athanafius
(vgl. Barn. 3,6). Aus der Uebergchung der Barnabas-
ltelle bei dem letztgenannten Worte kann jedoch dem
Verf. kein Vorwurf gemacht werden, da ihm Hilgenfeld's
Ausgabe v. J. 1866, welche er für die im Vulgärtext
fehlenden erften Capitel des Briefes benutzt zu haben
fcheint, ftatt des noooofaai'jiiEira des Cod. Sin., TTonutoyjb-

/nsda darbot. Wenn man erwägt, dafs der Verf. für
fein Werk etwa 500 Autoren von zum Theil fehr bedeutendem
Schriftenumfange zu excerpiren hatte, fo wird
man nicht anflehen, dem oben von uns ausgefprochenen
günftigen Vorurtheile beizupflichten.

Die Anordnung des Textes ift überfichtlich, die
Schrift nicht grofs, aber klar und gefällig, die Ausftattung
überhaupt eine vorzügliche. Der Druck macht den Eindruck
grofser Correctheit; ftörend ift dem Ref. nur S.
523 (unter Eopäs) ,Hermes' ftatt,Hermas' aufgefallen (fo
fchon in der 2. Auflage).

Berlin. O. v. Gebhardt.

Amelineau, E., Les Actes coptes du martyre de St. Poly-
carpe. (Proceedings of the Society of Biblica Archaeo-
logy Vol. X, Seventh Meeting, 5. June, 1888 p.
391—417.)

Diefe Publication enttäufcht fehr. Amelineau druckt
nach einer Einleitung, in welcher er ziemlich oberflächlich
von den koptifchen Ueberfetzungen chriftlicher
Schriften handelt, aus einem Cod. Vatic. Copt. (66) das
Martyrium Polykarp's ab, giebt dann eine franzöfifche
Ueberfetzung, vergleicht darauf die franzöfifche Ueber-
fetzung mit dem griechifchen Text — man weifs nicht,
ob Dreffel's oder Zahn's — und kommt fchliefslich
zu dem Ergebnifs, dafs der koptifche Ueberfetzer eine
vortreffliche Arbeit geliefert hat, und dafs der von ihm
dargebotene Text eine ältere Recenfion des Martyriums
(d. i. des Briefs der Gemeinde von Smyrna) dar-
ftelle als der uns erhaltene griechifche Text:
,Uun autre cote, je ne serais pas cloigne de croire qne les
Actes de St. Polycarpe, tels qne la version copte nous les
a conserves, nous offrent wie forme plus ancienne des meines
actes que le texte grec. On aura observe que le tradueteur
copte n'a ajoute qu'un seul mot (au § 17) ou peut-etre un
second (au § j)pui sentent l'Interpolation'. Dagegen biete
i er einige yeflexionspieuses1, des griechifchen Textes nicht,
i und da die Abfchreiber folche Steilen nicht auszuladen
pflegen, fo müffe man annehmen, dafs der Kopte hier,
wie auch an einigen anderen Stellen, den urfprünglichen
Text bewahrt habe.

Leider zerfällt diefe unbefonnene Behauptung voll-
ftändig; denn — es ift feltfam genug — Amelineau hat
nicht gewufst, was Jeder, der fich mit Polykarp befchäf-
tigt, wiffen mufs, dafs in der Kir c hen gefch ichte
des Eufebius d er Bri ef mit eini gen V erkürzu ngen
fteht. Diefen verkürzten Brief, wie die ober-
flächlichfte Vergleichung lehrt, hat der Kopte
überfetzt. Er hat alfo gar nicht das Original vor lieh
gehabt, fondern lediglich die Kirchengefchichte des Eufebius
. Wo diefer referirt, hat fich der Ueberfetzer fo
gut geholfen, als es ging. Aufserdem hat er an mehreren
Stellen interpolirt. Wie Amelineau diefe Interpolationen
nicht hat als folche erkennen können, auch wenn
er nichts von Eufebius wufste, ift mir ein Räthfel. So
heifst es gleich in ^ 1 beim Kopten als Zufatz zum
Namen Polykarp's: ,qui a ete le disciplc des Apbtres, quitt
marche avec wie multitude de ceux qui ont vu le Seig-
neur, que l'on a fait asseoir comme eveque cu Asie Sur
feglise de Smyrne. Nous autres, nous fttvons vu dans
notre cnfance, car il a vecu longtemps et est deveint wi
vieillard tres-age, cnseignant cliaque jour ce qui lui avait
ete enseigne par les Apbtres'. Die Quelle diefes Zufatzes
ift natürlich auch die Kirchengefchichte des Eufebius.
Amelineau bemerkt hier: ,diefe Worte find viel wahr-
fcheinlicher als die considiralions pieuses, die fich in den
griechifchen Acten finden'. In c. 16 fehlt natürlich
nsgiatsoct -/.cd und es findet fich ein ganz ungehöriger
Zufatz:, Cest ainsi qiiaccomp/it sou martyre le Saint eveque
j abba Polycarpe dans wie paix de dieu, le 29. jour du mois
I de Mechir'. In c. 4 ift es Amelineau nicht einmal aufgefallen
, dafs fich die Ueberfetzung felbft nicht als