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Ausgabe:

1889 Nr. 18

Spalte:

465-466

Autor/Hrsg.:

Trümpert, Rud.

Titel/Untertitel:

Predigten 1889

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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465

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 18.

466

verneinen: die .ftrenge Sichtung' läfst wie ,die klare
Faffung' zu wünfchen übrig, und neben ,geficherten Re-
fultaten der wiffenfchaftlichen Forfchung' finden fich viele
unrichtige, unfichere und ungenaue Behauptungen. Dafür
nur einige Beifpiele. Im Jahre 800 v. Chr. foll Jona
Ninive mit dem Untergange bedrohen'. In der Zeit
zwifchen 588—538: ,am Hofe zu Babylon zeichnet fich
Daniel durch Weisheit und Frömmigkeit aus' u. f. w.
Der Talmud ift ,die heutige jüdifche Bibel'. Die Briefe
an die Ephefer, Coloffer und an Philemon find ,während
der römifchen Gefangenfchaft Pauli gefchrieben'. Joh.
Marcus, ein Arzt' u. f. w. .An Stelle des Sabbats feierten
die Chriften bald den Sonntag'. 168 j Polykarp; ,zu
gleicher Zeit werden die Chriften von Lyon und Vienne
verfolgt'. 202 f Jrenaeus als Märtyrer'. Das Symbolum
Aposiolicuin, .welches fchon im 2. Jahrhundert feftftand'.
,Die Staatskirche verweltlichte'. 1529: ,auf dem Reichstag
zu Augsburg' u. f. w. Bezüglich der ,ftrengen Sichtung
' und .klaren Faffung' vergleiche man, was über die
Franziskaner und Dominikaner gefagt wird. Von Bonifatius
VIII. wird nichts anderes berichtet als: , 1303 f Papft
Bonifatius VIII.; unter ihm tritt eine Verweltlichung und
Entfittlichung des päpftlichen Hofes ein'. Duns Skotus
wird nur mit den Worten charakterifirt: .(Subtilis); Lehrer
zu Oxford und Köln; er verlangte unbedingte Unterwerfung
unter die Wahrheit der Kirchenlehre; feine Anhänger
heifsen Skotiften'. Von Auguftin heifst es: 354—430
Auguftinus, Bifchof von Hippo regius, zu Tagafte in Nu-
midien geboren und in Carthago gebildet, hielt fich in
der Jugend zu den Zerftörern der Sitte. Durch feine treue
Mutter Monika zum Studium der Bibel geführt, wurde
er plötzlich bekehrt (durch Rom. 13, 13)' u. f. w.

Diefe Beifpiele mögen genügen. Dafs bei den Zahlen
nicht blofs kurze andeutende Worte, fondern ganze Sätze
flehen, ift für Tabellen kein Vorzug. Die Thatfache, dafs
ein Abrifs der Bibelkunde und der altteftamentlichen Ge-
fchichte hier mit der Kirchengefchichte verbunden ift zu
einem chronologifch geordneten Ganzen, kennzeichnet

Ob dies Hindernifs von dem Herrn Verf. ftets überwunden
ift? Ob der Gedanke an die Schülerclaffe, das
Bewufstfein, Lehrer zu fein, ftets überwunden ift?' Bei
allem unverkennbaren religiöfen und fittlichen Ernft. der
alle Predigten trägt, verliert der Lefer feiten die Ver-
muthung, dafs der Herr Verf. die Aufgabe der Predigt
mit der der Religionsftunde verwechfelt habe und mehr
einen Mufterauffatz als eine Predigt zu geben beab-
fichtige. Daher die Neigung, mit abgelegenen Gemeinplatzen
die Predigt und die Theile der Predigt zu beginnen
oder ab ovo anzufangen, daher der gefetzliche Ton,
welcher felbft bei den Feftpredigten nicht verftummL
und der fich (befonders ftark in den drei erften Predigten)
nicht feiten dahin fteigert, dafs als Bedingung der Ge-
meinfchaft mit Chriftus ein fittlich vollkommenes Chri-
ftenleben gefordert wird. Vielleicht hängt hiermit auch
die Beforgnifs zufammen, die religiöfe Begeifterung
möchte einen zu hohen Ausdruck gewinnen, daher die
Dämpfung derfelben zu hausbackenem Moralifiren oder
die Verzerrung derfelben zu Sentimentalitäten; wie denn
in der 2., 3., 6. Predigt der gute Lortzing uns in den
Ohren klingt: o feiig, o feiig, ein Kind noch zu fein, in
der Charfreitagspredigt Weinerlichkeit mit hochtrabendem
Belehrungseifer wechfelt, und in den Ofterpredigten die
Bedeutung der Auferftehung Chrifti uns verhüllt bleibt.
Aber auch Schülern gegenüber, auch in Mufterauffätzen
follten doch falfche Zeichnungen vermieden werden, wie
wir fie S. 16 in den .frommen Chriften' finden, wo die
peinlichfte Aengftlichkeit in der Beobachtung jedes ihrer
Schritte als Vollkommenheit gepriefen wird, oder S. 113,
wo die wirkliche Anhänglichkeit der Kinder an ihre heinigegangenen
Eltern daran erkannt werden foll, dafs fie im
Lauf der Jahre an deren Todestag immer ftill und in fich
gekehrt find, oder die Wahrheit und Echtheit der Zuneigung
der Eltern zu ihren verblichenen Kindern daran,
dafs fie alljährlich an den Sterbetagen derfelben ein
Zeichen der Trauer an fich tragen. Das ift doch nicht
evangelifches Chriftenthum! An andern grundlofen Be-

der Verf. mit dem merkwürdigen Satze: ,clie folgenden hauptungen ift daneben kein Mangel. S. 29 wird fieges-

Heilsgefchichtstabellen (!) umfaffen in zufammenhängen-
den Zeittafeln die ganze Heilsgefchichte, alfo Bibel-
kunde.KirchengefchichteundDogmengefchichte'.
Alfo Bibelkunde, Kirchengefchichte und Dogmenge-
fchichte find Theile der .Heilsgefchichte'?! Auch ein
als Anhang beigegebener .Kirchengefchichts-Kalender'
macht durch die fonderbare Auswahl und Zufammen-
ftellung der Daten einen wunderlichen Eindruck. Das
Büchlein ift nur, wenn es gründlich verbeffert wird, brauchbar
. Vorläufig wird es fchwerlich eine Lücke in der
Literatur für den Religionsunterricht fachgemäfs ausfüllen
oder den beftehenden Mängeln wirklich abhelfen. Es
wäre alfo beffer überhaupt nicht veröffentlicht worden.

Magdeburg. W. Borne mann.

s

gewifs die Frage aufgeworfen: ,Wo liefsen fich Erfchein-
ungen nachweifen, welche das gütige Walten Gottes in
den Schatten ftellten?' und S. 122 erfahren wir, dafs unfer
Zeitgeift fich als der Geift bezeichnen läfst, der alle
verneint u. f. w.; auch die Behauptung rechnen wir dahin
, dafs für den, der die Sündlofigkeit Jefu für wahr
halte, es nur folgerichtig fei, nicht daran zu zweifeln, dafs
Jefus von den Todten auferftanden fei und warum? nun
weil das Eine fo unbegreiflich ift, wie das Andere! Derartige
logifche Kühnheiten find leider nicht ganz feiten.

Auch mit der Form der Predigt können wir uns nicht
einverftanden erklären. Die Partition läfst fich wohl
meiftens rechtfertigen; allein der Eindruck der Willkur
wird ftets dadurch hervorgerufen, dafs der Prediger die
Theile erft im Laufe der Predigt namhaft macht, alfe
nicht von vornherein einen Ueberblick ermöglicht. Man

o

Trümpert, Gvmn.-Relig.-Lehr. fr. Pfr., Rud., Predigten.

Darmftadt,Bergftraefser,i888.(VIII,27,S.gr.8.)M.3.- ^2 '^cZ, 1' °r ^f"* 7*?%

fa ' fa ' J werden muhen; werden fie aber genannt, fo haben fie

.Nächft der fteten Läuterung und Hebung des eige- I am Anfang der Predigt ihren Platz. Doch vielleicht

nen Wefens kenne ich keine höhere Lebensaufgabe, als hängt die Weife des Herrn Verf.'s mit einem tieferen Mangel

die Mitarbeit an der religiöfen Erbauung und fittlichen ; zufammen, dem der Concentration, mit dem Wunfche

Förderung evangelifcher Chriften', fchreibt der Herr Verf.
im Vorwort; darum predige er auch als Gymn.-Lehrer
oft. Begeiftert für das geiftliche Amt, erftrebe er, wirkliche
Gemeindepredigten, erbaulich für alle, zu halten;
die Hauptfache fei ihm dabei die klare Darfteilung re-
ligiöfer und fittlicher Wahrheiten. Ob ihm die Aufgabe
gelungen fei, darüber würden die Urtheile über diefe Sammlung
ihn belehren.

Für einen Gymnafiallehrer, der das Predigen nur als
Liebhaberei betreiben kann, ift die Aufgabe in der That
nicht leicht; es fehlt ihm die lebendige Puhlung mit der
Gemeinde und die berufliche Gewohnheit zu dociren wird
als ftets zu überwindendes Hindernifs fich geltend machen.

multa zu fagen; dadurch zerfliefsen die Gedanken, und
der Zeugnifscharakter der Predigt kommt nicht zum Vor-
fchein. Vielleicht thut der Herr Verf. wohl, folange er
Lehrer ift, feinen Predigteifer zu befchränken; tritt er
wieder ins Pfarramt, wohin er fich fehnt, fo wünfchen
wir ihm eine einfache kernige Landgemeinde, die feiner
Begeifterung für's geiftliche Amt die richtige Bahn weifen
kann.

Die Sammlung ift in Druck und Papier vorzüglich
ausgeftattet; Druckfehler find kaum vorhanden • nur S 111—
120 fteht Joh. 16, 30 ftatt Joh. 19, 30. '

Marburg. Achelis.