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Ausgabe:

1889 Nr. 18

Spalte:

464-465

Autor/Hrsg.:

Vogel, Jul.

Titel/Untertitel:

Geschichtstabellen für den Religionsunterricht an höheren Lehranstalten 1889

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1, Seite 2

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•4Ö3 Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 18. 464

perfönlichen Meffias reden. Aber wenn fie damit die
religiöfen Grundgedanken und Ziele voranflellen und
von deren perfönlicher und fonftiger Vermittelung erft
in zweiter Linie reden, wenn es uns gewifs ift, dafs
Chriftus ohne das von ihm gegründete Reich Gottes

Dafs die chriftliche Cultur, welche das Chriftenthum
der Menfchheit gebracht hat, der katholifchen Kirche
und nur ihr zu danken ift, wird felbftverftändlich fein
muffen. Mit Vorliebe, wie auch fonft, wird Luther's Abneigung
gegen die kopernikanifchen Gedanken hervorge-

nicht zu denken ift und diefes letztere auch das Endziel j hoben, während das viel härtere Widerftreben Roms
des Chriftenthums ift (1 Cor. 15, 24 ff.), fo ift es doch milder beurtheilt wird. Hier hat Verf. von Janffen geverkehrt
, diefes Reich Gottes nun einfach als die römifche lernt. Auch die Liebesarbeit ift nur von der römifchen
Kirche zu deuten, zu vergeffen, wie auch fie im beften j Kirche gepflegt worden. ,Die Reformation hat zahlreiche
Fall nur eine Vermittlerin zur Errichtung des höchften Klöfter zerftört und das Gut der Armen den Reichen
Gottesbaues ift. Doch ift diefe Anwendung des augufti- j gegeben. — Der chriftlichen Nächftenliebe wurde die
nifchen Wortes für die Exegefe des Verf.'s und für alles j uneigennützige Bethätigung und die liebevolle Hingabe
fonft überaus charakteriftifch. Wie könnte es anders fein, 1 unmöglich gemacht.' In England, das wenigftens in der

als dafs die Reformation von da aus nur als eine betrübende
Verirrung erfcheint?

Doch verfährt Verf. hier anders, als Janffen, deffen
,Gefchichte des deutfchen Mittelalters' auf der Rückfeite
des Buches umfänglich angezeigt und doch in diefem
felbft — ihm zu Ehren fei es gefagt — trotz der F'ülle
von angezogener Literatur wenig genannt wird. Während
nämlich Janffen u. a. zu beweifen pflegt, dafs alles Gute,
was man etwa der Reformation zufchreibt, vor ihr da-
gewefen ift, eignet fleh Schanz die Sätze proteftantifcher
Theologen an, welche die ,Ullmann'fchen Legenden von
den Reformatoren vor der Reformation' zerftört und die
originale religiöfe Entwickelung Luther's behauptet
haben. Eben dadurch ift für den katholifchen Theologen
, der nun all den Schmutz, welchen andere gegen
Luther zufammengetragen haben, gar nicht erft in die
Hand zu nehmen braucht, deffen Perfönlichkeit gerichtet
. Denn nur, was feinen Zufammenhang mit der Tradition
behaupten kann, hat in der Kirche ein Recht

Sklavenfrage Verdienfte haben darf, war nach Döllinger
(der meift nach feinen Schriften früherer Periode angeführt
wird), die Reformation ein Triumph der Reichen
über die Armen, des Geldes über das Recht der Arbeit'.
Auch Ratzinger in feiner .Gefchichte der kirchlichen
Armenpflege' weifs von England nur deffen fociale Schäden
, nichts von der grofsen Thätigkeit zur Linderung
der Noth zu erwähnen.

Was haben wir von diefer ganzen Apologie des
Chriftenthums zu halten? Dafs fie ihren Standpunkt fo
weit in die Confeffion hinein verlegt, dafs fie zugleich
zur Polemik gegen die andern wird, ift der katholifchen
Anfchauung natürlich. Auch der evangelifche Theolog
würde nicht unterlaffen, bei Gelegenheit den Proteftantis-
mus als die rechte Form des Chriftenthums zu behaupten
, aber er würde es nicht fo von vornherein darauf
anlegen, er würde es an dem Geift der Forfchung und
Darfteilung erkennen laffen, wer er ift. Und wie viel
entgeht doch damit dem römifchen Katholiken, wie

Wenn er dabei mit Befriedigung das Zugeftändnifs von 1 wenig vermag er die Stimmen der neuen Zeit für fleh
Proteftanten entgegennimmt, Luther habe gar nicht j reden zu laffen, wie denn z. B. von einem Leffing in der
apoftolifche Kirche und Lehre (?) wiederherftellen, er Regel nichts weiter als fein bekanntes Urtheil über das

habe eine neue Geftalt des Chriftenthums bringen wollen,
fo beachtet er nicht, dafs eine andere Geftalt des Chriftenthums
keineswegs ein anderes Chriftenthum im evan-
gelifchen Sinn ift.

Der Stoff ift in der Weife gegliedert, wie wir es in
derartigen polemifchen Werken gewohnt find. 1) Die
chriftliche Offenbarung und die kirchliche Lehrentwickelung
, 2) das Reich Gottes, 3) die Kirche in der heiligen
Schrift, 4) die Merkmale der wahren Kirche, 5) die apo-

Verhältnifs von Schrift und Tradition angeführt wird.
Oder heifst es die neue Zeit verliehen, wenn man der
römifchen Kirche zu Gute rechnet, dafs die Entdecker
und Erfinder grofsentheils in Italien ihre Schule durchgemacht
haben, während der ,proteftantifche Glaube die Phi-
lofophie flieht', fo dafs er, wo er wirklich geglaubt wird,
,keine Poefie, keine Hiftorie, keine Philofophie aufkommen
läfst'? Wir wiffen, dafs wir einen grofsen Befitz an
Wahrheit mit der anderen Kirche gemeinfam haben und

ftolifche Kirche, 6) die Einheit der Kirche, 7) die ka- ! gegen die auflöfenden Mächte der Zeit zu vertheidigen
tholifche Kirche, 8) die Unfehlbarkeit der Kirche, 9) die j haben. Wir freuen uns, wenn ihr das gelingt und wehren
alleinfeligmachende Kirche, 10) die Heiligkeit der Kirche, ; es ihr nicht, unter der Fahne ihres Sonderbekenntnifses

11) Schrift und Tradition, 12) der Primat des h. Petrus,
13) der Primat des Papftes, 14) die Unfehlbarkeit des
Papftes, 15) das Chriftenthum und die Cultur. In den
bekannten Streitfragen in Betreff der Unfehlbarkeit werden
Kampf zu führen. Aber wenn diefe Apologetik,
fobald fie zum dritten Bande gekommen ift, die Hauptwaffe
nicht gegen den gemeinfamen Gegner, fondern
gegen die andere Kirche kehrt, fo kann man diefer nicht

den die alten Gefichtspunktc hervorgehoben. ,Liberius 1 verargen, wenn fie auch gegen die ihr von mancher
hat zwar die dritte firmifche Forderung, durch die Noth Seite angepriefene Bundesgenoffln im Kampf der Zeit
gezwungen, unterfchrieben, hat aber damit das nieänifche bedenklich wird.

Wort, nicht den orthodoxen Glauben aufgegeben'. ,Das Leipzig Hartun"

fchwankende Verhalten des Vigilius im Dreicapitelftreit p ä-

betraf nicht den Glaubensgegenftand, fondern die Per---

fönen und die Behandlungsweife derfelben'. Honorius, Vogel, Stadtdiak. Juk, Geschichtstabellen für den Religions-

deffen Fall ernfter ift, hat correct gedacht aber fich un, j unterrjcht an höhcrcn Lehranftalten. Berlin, H. Spamer,
gefchickt nach Monotheletenart ausgedruckt'. Allein j , ' 1

aus der altlutherifchen Infpirationslehre, mögen die In- l889- (55 gr. »■) geb. M. —. 80.
fallibiliften lernen, dafs auch die assisientia divina, welche : Der Verfaffer fagt im Vorwort: die Religionslehrer
fie für den unfehlbaren Papft in Anfpruch nehmen, mit ,brauchen für die Repetition der Schüler ein kurzge-
der suggestio verum nothwendig auch die suggestio ver- fafstes Handbuch, welches die gefchichtlichen
bor um fordert, wenn nicht alles wieder in Frage geftellt j Thatfachen und die geficherten Refultate der wiffen-

werden foll. ,Erft in den trübeften Zeiten des 14. und
15. Jahrhunderts wurden in Folge der kirchlichen Mifs-
ftände Zweifel an der Unfehlbarkeit des Papftes laut'.
Seit wann find diefe ,trüben Zeiten' in Tübingen vorüber
gegangen? — Uebrigens kann gerade ein fo mild
gefchriebenes Buch, wie das vorliegende, uns beweifen,
wie der Katholik, wenn er fleh felbft treu bleiben will,
jene Lehre nicht von fleh weifen darf.

fchaftlichen Forfchung in ebenfo ftrenger Sichtung
wie in klarer Faffung und in möglichft überficht-
licher Anordnung darbietet'. Indem ich allgemeine
Erörterungen über die Nothwendigkeit und die zweck-
mäfsigfte Anlage von Tabellen und Leitfaden für den
Religionsunterricht bei Seite laffe, prüfe ich nur, ob die
vom Verf. angegebenen Merkmale auf feine eigene Arbeit
paffen. Ich mufs das in Bezug auf wefentliche Punkte