Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1889 Nr. 18

Spalte:

455-460

Autor/Hrsg.:

Krüger, Gustav

Titel/Untertitel:

Zur Frage nach der Entstehungszeit der Konstantinischen Schenkung. Zweiter Artikel 1889

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

455

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 18.

456

der diocletianifchen Verfolgung. Auch Ref. ift erft vor
zwei Jahren auf der Strafsburger Bibliothek zufällig auf
fie geftofsen und hat fie damals unter Benutzung von
Affemani's acta martyrutn für feinen eigenen Gebrauch
mit dem griechifchen Text verglichen. Möge die neue
Ausgabe, die ein hervorragender, feit Jahren mit ihr
vertrauter Orientalift gegenwärtig vorbereitet, diefer
Schrift gröfsere Beachtung fchaffen.

Strafsburg i. Elf. K. J. Neumann.

Zur Frage nach der Entstehungszeit der Konstantinischen
Schenkung.

Zweiter Artikel.

Cap. VII will die Entftehung des älteren Theiles
der Urkunde vor 653 aus dem Vorrange der Laterankirche
vor der Peterskirche erweifen. Nach der
Vita Silveslri nämlich und zwar nach der Geftalt, die
man ihr nach Fr. zur Zeit des Monotheletenflreites gegeben
hat, hat Konftantin, bevor er den Bau der Laterankirche
beginnt, das Fundament zu einer Kirche der 12
Apoftel gegraben. Mit diefer Behauptung widerfprach
der Bearbeiter aber der bisherigen römifchen Tradition,
die von einer basilica apostolorum Konftantin's Nichts
wufste, gefchweige denn fie fo ausgezeichnet hätte, dafs
fie vor der Laterankirche von dem Kaifer in Angriff
genommen worden wäre. Das gab nun Anlafs zu einem
Streit, ob die Laterankirche oder die mit der Bafilika
der Apoftel identificirte Peterskirche die ernte aller Kirchen
fei. So tritt z. B. das unter Honorius verfafste Salzburger
Pilgerbuch für den Vorrang der Peterskirche ein. Das
Constitutum aber, dem fonft die Vita eine viel benutzte
Hauptquelle ift, reagirt an diefem Punkte dagegen, indem
es Alles, was die überarbeitete Vita und das Pilgerbuch
über die Zeit der Grunderöffnung, die Thätigkeit Konftantin
's dabei und den Vorrang der Peterskirche ausfagen,
auf die Lateranbafilika überträgt. Diefe Reaction wurde,
wie fie zu Gunften des Lateran ftattfand, auch von ihm,
d. h. von der lateranifchen Geiftlichkeit fammt demPapfte,
unterftützt, und unter Papft Martin I. 653 fcheint der
Streit ausgetragen. So hoch man fpäter auch die Peters-
kirche fitellte, dafs fie die alle Kirchen überragende oder
die erfte fei, wurde nicht mehr behauptet. Das Constitutum
ift alfo vor 653 abgefafst (Friedrich, S. 73—78).
Auch hier fcheint Fr. mir die Tendenz lediglich eingetragen
zu haben. Von einem Streit um den Vorrang
der beiden Kirchen ift in der Gefchichte Nichts zu bemerken
. Was Fr. für den Entfeheid Papft Martin's I.
in diefer Sache ausgiebt, ift weiter Nichts als die Confta-
tirung der Thatfache, dafs die Lateranbafilika (ecclesia
salvatoris nostri Jesu Christi, quae cognominatur Constau-
tiniana) die erfte in der Welt ift {quae prima in toto
mundo construeta et stabilita est a b. mem. Constantino
imperatore), ohne irgend einen Seitenblick auf eine be-
ftehende Rivalität mit der Peterskirche. Auch das
Constitutum beftätigt diefe Thatfache, weiter Nichts! Der
Streitfall ift, wie Fr. felbft fagt, von ihm einfach ,neu
conftruirt'. Sehr gefährlich für Fr.'s Pofition ift nun aber,
dafs er, um die Erwähnung anderer, von Konftantin neben
der Lateranbafilika gegründeter Kirchen aus dem Constitutum
, d. h. feinem älteren Theil, wegzubringen, den
grofsen Satz über die Gründung der Kirchen Petri und
Pauli 13 von construximus an) für einen fpäteren
Zufatz Paul's I. erklärt, der ja nach Fr. das C. in die
uns vorliegende Geftalt gebracht hat. Er giebt für diefen
Gewaltftreich 11 Gründe an. Einen grofsen Theil diefer
Gründe kann man ohne Weiteres unterfchreiben, wohlgemerkt
aber als Gründe für die einmalige Bearbeitung,
die die Vita durch einen Fälfcher, fagen wir durch Paul f.,
gefunden hat, nicht aber als Gründe für einen Zufatz
in der bereits zum Constitutum umgeftalteten Vita. Man
mufs Fr. für die genaue Aufzählung feiner Gründe fehr

dankbar fein: denn Nichts konnte uns deutlicher zeigen,
wie der Fälfcher verfahren ift. Der ,Zufatz' ift nämlich
thatfächlich nach dem Liber Pontificalis gearbeitet {V. Silv.
cp. 16, 17, 21.) und daraus erklärt fich auch der fcheinbare
Widerfpruch mit der Vita, die nur von einer basilica
apostolorum weifs, während das C. von ecclesiae Petri et
Pauli fpricht. Ebenfo ift es richtig, dafs der Umftand,
dafs fich eine Stelle aus einem Constitutum Paul's I. findet,
auf diefen Papft (oder feine Zeit) als den Fälfcher hinweift
. Andere Gründe dagegen ziehen gar nicht: warum
die Erwähnung der Kirchen des Petrus und Paulus keinen
eigentlichen Zweck im C. haben foll, ift nicht einzufehen,
und jedenfalls mufs das der Fälfcher verantworten; dafs
der Zufatz den Gedankengang der Vorlage unterbricht,
beweift wiederum nur das Vorhandenfein ein er Bearbeitung
; wenn angeblich nur noch im jüngeren Theil Petrus
und Paulus prineipes apostolorum heifsen, fo operirt Fr.
mit noch zu Beweifendem. Indeffen, ich weifs, dafs es
ein Unrecht ift, Gründe zu zerpflücken, die nur in ihrer
Gefammtheit wirken follen, und ich wiederhole darum,
dafs mir diefe Gründe den Beweis, zu dem Fr. fie be-
ftimmt hat, auch in ihrer Gefammtheit nicht zu liefern
fcheinen.

Ich gehe auf das Capitel VIII, welches die Sil veft erleg
ende behandelt, nicht näher ein, hebe aber ausdrücklich
hervor, dafs fich hier eine Reihe fehr beachtenswerther
Bemerkungen über verfchiedene Bearbeitungen der Sil-
vefterlegende, befonders diejenige am Ende des 6. Jahrhunderts
finden. Es wird von Intereffe fein, zu erfahren,
wie fich etwa Duchesne zu dem von Fr. hier Vorgebrachten
ftellen wird. Die Verquickung des C. mit diefen
Ausführungen fcheint mir aber wiederum nicht ftatthaft.
Ich erinnere an bereits Gefagtes, wenn ich nochmals
betone, dafs, weil nach Fr. die letzte Bearbeitung der
Vita in der Disputation eine antimonotheletifche Zufpitz-
ung hat, darum das C. folcher Tendenz ganz baar fein
kann. Wenn es ferner in der Vita heifst: quarta die
Privilegium ecclesiae Romanae pontifici conlulit, ut in toto
orbe Romano sacerdotes ita hunc Caput habeant sicut otnnes
judices regem, fo ift allerdings richtig, dafs das C. eine
Ausführung diefes Gedankens ift, und ebenfo wird richtig
fein, dafs man durch das Privilegium nun auch verfchiedene
Nebenzwecke erreichen wollte. Dafs das aber nur in der
erften Hälfte des 7. Jahrhunderts der Fall gewefen fein
kann, mufs ich beftreiten. Es fcheint mir überhaupt
gekünftelt, für die einzelnen ,Verleihungen', wie fie
FT. nun Cap. IX befpricht, ftets einen Anlafs in der Zeit-
gefchichte finden zu wollen. Die Betonung des UmStandes
, dafs der römifche Clerus mit mappulae reiten
folle, braucht feinen Grund nicht in einer Reaction gegen
die Verfügung Gregor's 1. zu haben, der auch dem raven-
natifchen Clerus die gleiche Auszeichnung zuerkannte.
Es wird dem Fälfcher nur daran gelegen gewefen fein,
die Pracht des römifchen Hofes als aus uralter Zeit und
vom Kaifer felbft flammend darzulegen. Das konnte er
aber im 8. Jahrhundert fo gut wie im 7. Und mehr
oder weniger ähnlich geht es mit allen ,Verleihungen',
die Fr. nur im 7. Jahrhundert meint begreifen zu können.
Ich erwähne hier zum Schlufs nur noch, dafs Fr. die
Worte individuae und Patris scilieet et Filii et Spiritus
saneti in der Invocation einklammern zu muffen glaubt,
weil er fie im 7. Jahrhundert nicht begreifen kann. Wiederum
eine felbftgefchaffene Schwierigkeit!

Das ganze Fr.'fche Buch ift trotz all feiner Gelehr-
famkeit eine Illuftration diefes Satzes. Ich meine, ein
aufmerkfamer Lefer, der das C. im Zufammenhang lieft,
kann auf den Gedanken nicht verfallen, dafs hier zwei
Fälfcher zu verfchiedenen Zeiten gearbeitet haben. Wohl
bemerkt man auf Schritt und Tritt die Vorlage. Aber
fchon die ftets in der gleichen Weife, oft unvermittelt,
eingefchobene Erwähnung des beatissimus pater nostcr
Silvcstrius und was er nun für Prädicate erhalten mag,
hätte warnen follen. Vor Allem aber: überall wo nicht