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Ausgabe:

1889 Nr. 15

Spalte:

379-381

Autor/Hrsg.:

Strong, Aug. Hopkins

Titel/Untertitel:

Systematic Theology 1889

Rezensent:

Hartung, Bruno

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379

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 15.

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dafs aber das ,Wie' unfern Verftand felbftverftändlich
überragt. Um fo ausführlicher befpricht er die Frage
nach der rechten, von Gott gewollten inneren Ordnung
und Einrichtung des chriftlichen Gebets. Er vergegenwärtigt
zuerft, was fich dafür fagen läfst, dafs die Ergebung
in den nie bezweifelten guten und gnädigen
Gotteswillen als das eigentliche Ziel des Gebets im Auge
behalten werden müffe. Er ftellt dem dann entgegen
die Gebetspraxis des Herrn (von dem wir doch anderer-
feits gelernt, dafs der himmlifche Vater weifs, was wir
bedürfen) und die Forderung des lebendigen Verkehrs
mit dem antwortenden Gott, die bei jener andern Ge-
ftaltung des Gebets nicht zu ihrem Recht komme. Er
entfcheidet, dafs wir bitten follen, als die empfangen
wollen und nicht zweifeln, dafs unfer Gebet gehört und
beachtet wird. Insbefondere weift er den Verfuch, äufser-
lich die Gegenftände des zuverfichtlichen Bittgebets abzugrenzen
, als ungenügend und unausführbar zurück: ,es
kann mehr Gottinnigkeit in der Bitte um ein Geldftück
fein, als in derjenigen um die höchften Angelegenheiten
der Kirche'. Es komme vielmehr je und je auf die ganze
innere Situation an. — An meinem Theil wüfste ich
gegen das hier Gefagte nichts einzuwenden. Kein Zweifel,
dafs alles Gegenftand des Gebets fein kann und werden
foll, was wir begehren dürfen. Ebenfo gewifs ift das
andere, dafs wir beim Beten nicht unfere innere Beruhigung
, fondern Gottes Antwort fuchen, und dafs noch
wenig vom Beten verfteht, wer auf fein: Herr, rede, dein
Knecht höret — niemals die deutliche Antwort feines
Gottes vernommen. Das Gebet ift Verkehr, Zwiefprache
mit Gott. Nur eines hätte vielleicht noch beitimmter
hervorgehoben werden dürfen. Und das ift, dafs es uns
Chriften in allem unfern Sein und Handeln als Ziel vor-
fchweben mufs, von Herzen nichts anderes zu wollen,
als was Gott will, und auch in der fchwerften Lage und
im dringendften Gebet förmlich davor zurückzubeben,
unfere Einficht und unferen Willen vorzudrängen. Oder
follte die Furcht vor dem Vorwurf des ,chriftlichen Fatalismus
' uns hindern, diefe höchfte Forderung vorab für
uns felber im Auge zubehalten? Ich dächte nicht. Kann
doch diefe Forderung auf Verftändnifs nur bei denen
rechnen, die etwas von dem lebendigen Gebetsverkehr
mit dem lebendigen Gott verliehen. Ich zweifle nicht,
dafs der Vortragende fle anerkennt, wenn er fie auch
nicht fo nachdrücklich hervorhebt, wie ich für wünfehens-
werth halten würde. Jedenfalls darf die Leetüre diefes
Vortrags Jedermann zur Erbauung und Belehrung empfohlen
werden.

Berlin. Kaftan.

Strong, Aug. Hopkins, Prof. D. D., Systematic Theology,

a compendium and commonplace-book designed for
the use of theological students. Rochester, 1886.
(XXIX, 758 S. gr. 8.)

Von vorliegendem Werk, deffen Verfaffer Profeffor
am theologifchen Seminar in Rochefter (Nordamerika),
Glied der Baptist Ckurch ift, hat Ref. einen Eindruck
empfangen, der von dem theologifchen und religiöfen
Leben innerhalb diefer kirchlichen Gemeinfchaft ein fehr
günftiges Zeugnifs ablegt. Zunächft ift dasfelbe nicht
nur buchhändlerifch fo reich ausgeftattet, wie kaum eine
Dogmatik deutfeher Zunge, fondern auch der Index
ift fo forgfältig, dafs die Benutzung des Buches aufser-
ordentlich bequem ift. Diefes felbft enthält zunächft
Capitel und Unterabtheilungen, die fchematifcher, als wir
es heutzutage gewohnt find, den Stoff gliedern, aber in
knapper Form und intereffanter Sprache denfelben darlegen
. In den kleiner gedruckten Anmerkungen ift dann
zum Beleg eine grofse Kenntnifs der Literatur, der eng-
lifchen, aber auch der deutfehen niedergelegt, und in Bezug
auf die erftgenannte kann auch der deutfehe Lefer
viel aus dem Buche lernen.

Zwar man darf nicht neue Wege in diefer Dogmatik
fuchen. Sie fchlägt die gewohnten ein, die wir von der
altkirchlichen Dogmatik her kennen, und hat in diefer
Beziehung von den Arbeiten des letzten Jahrhunderts
wenig Gebrauch gemacht. Das Ganze zerfällt in 8 Theile:
1) Prolegomena, welche den Begriff, den Stoff und die
Methode der Theologie erörtern, 2) Das Dafein Gottes,
das als first truth erwiefen und durch die bekannten Be-
weife bekräftigt und gegenüber Materialismus, Pantheismus
etc. vertheidigt wird, 3) Die Schrift als göttliche
Offenbarung, wobei die völlige Irrthumslofigkeit
der Infpiration gefchickt begründet wird, allerdings ohne
Verftändnifs für den gefchichtlichen Charakter der h.
Schrift, 4) Das Wefen, der Rathfchlufs und die
Werke Gottes (des dreieinigen). Die calvinifche Prä-
deftinationslehre wird wefentlich abgefchwächt — not an
efficient, but a permissive decree heifst es in Bezug auf die
Sünde —, dann aber ift es nur aus dem gefchichtlichen
Zufammenhang mit dem Calvinismus zu erklären, dafs
von der Prädeftination überhaupt in diefem Umfang die
Rede ift, 5) Anthropologie, in deren erftem Theil umfängliche
Auseinandcrfetzungen mit der Naturwiffenfchaft
und apologetifche Erörterungen, wie das überhaupt bei
den englifchen Schriftftellern mehr, als gegenwärtig in
Deutfchland, das diefe Art der Apologetik fchon ein
wenig hinter fleh hat, Brauch zu fein fcheint, während im
weiteren Verlauf diefes Abfchnitts von der Sünde die
Rede ift, 6) Soteriologie, auch, abweichend von unferem
Sprachgebrauch, die Lehre von Chrifti Perfon und Werk
in fleh begreifend, welcher die Lehre von der Aneignung
des Heils fleh anfchliefst, 7) Ekklefiologie, einfchliefs-
lich der Lehre von den Sacramenten, bezeichnend für
die wefentlich reformierte Auffaffung der letzteren, und
8) Eschatologie. Den 602 Seiten des Textes fchliefsen
fleh nicht weniger als 156 Seiten verfchiedener Regifter
über Gegenftände, Autoren, Citate aus der Schrift und
der Apokryphen, griechifche und hebräifche Worte an.

So viel als möglich, in allen wefentlichen Punkten der
Dogmatik, fchliefst fleh der Verf. den grofsen evangeli-
fchen Kirchen, auch der lutherifchen, an. Es wurde
neulich über eine in Amerika erfchienene Dogmatik in
diefen Blättern berichtet, welche fleh Luthardt's Compendium
zur Grundlage genommen hatte. Auch hier
fehen wir, welchen Einflufs diefes Buch, welches in ge-
fchicktefter Weife die Arbeit der Dogmatik zufammen-
ftellt, jenfeits des Oceans gewonnen hat. Von befon-
derem Intereffe waren für Ref. die Punkte, in welchen
die baptiftifche Anfchauung des Verf.'s Ausdruck finden
mufste, vom Kirchenregiment und von der Kindertaufe.
Derfelbe ift entfehiedenfter Independent im Princip, Con
gregationalift in der Praxis. Er hält durchaus nicht, wie
die Quäker und Plymouthbrüder, die äufsere ürganifation
für überflüffig, aber er meint, nur die der Einzelgemeinde
ift an fich nothwendig, denn die letztere ift a face, an ont-
ward expression, (eine Erfcheinungsform würden wir fagen)
not a part of the otie chnrcli. Ob fich die Einzelgemeinden zu
einem Council zufammenfchliefsen wollen, bleibt denfelben
völlig überlaffen; wo es aber gefchicht, darf es nicht in epif-
kopaler, oder confiftorialer Form, fondern nur nach demo-
kratifchen und congregationaliftifchen Grundfätzen ltatt-
finden. Auch für den einzelnen Chriften kann die Aufnahme
in die Kirche keine paffive, fondern fie mufs eine freiwillige
fein. Von diefem Satz aus und von dem andern,
der fchon in der .Anthropologie' ausgeführt war, dafs
die Kinder zwar mit der Erbfünde behaftet, doch in ihrer
relativen Unfchuld fähig feien, auch ohne äufsere Ver-
mittelung durch die Gnade in Chrifto feiig zu werden,
hat fich Verf. den Weg zu feiner Anfchauung über die
Kindertaufe gebahnt, welche aus den auch fonft vorgebrachten
Gründen entfehieden verworfen wird. Ebenfo
wird ftreng an der Sitte des Eintauchens bei der Taufe,
als der nach ChriftiEinfetzung allein giltigen, feftgehalten.

Was von der Einzelgemeinde als dem Ausgangs-