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Ausgabe:

1889 Nr. 14

Spalte:

353-355

Autor/Hrsg.:

Koelling, Heinrich

Titel/Untertitel:

Der erste Brief Pauli an Timotheus, auf‘s Neue untersucht und ausgelegt. 2. Thl. Die Auslegung 1889

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 14.

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ftimmten Begriffen, wie z.B. S. 700ff. zu Sch'dl. Ausführliche
Einzelexegefen wichtiger Stellen find gegeben zu
Schilo S. 712—716, zu der Auferftehungslehre S.754—
762, bei der Lehre vom Meffias S. 772—782 u. a. m.

Völlig unklar ift uns geblieben, was der Verf. S. 766
über das Sirachbuch fagt. So wie es dafteht, fcheint
das Gefagte uns den vollkommenften "Widerfpruch zu
enthalten Vielleicht find einige Worte ausgefallen. —
Auffällig ift uns die Schreibung einiger hebräifchen
Worte gewefen: nE3 S. 362—365 wiederholt ftatt "1E3;
nin S. 35S (was nur Sac. 14, ub. Michaelis fo, fonft ftets

Bin); ru-y S. 369 ft. tv? bezw. r«, rttfia (S. 114)

Mofes (eine Schreibung, die unferes Wiffens niemals
vorkommt) ftatt STOB- Bei den reichhaltigen Literaturangaben
am Anfange der Paragraphen ift uns das
Princip ihrer Anordnung nicht immer klar geworden.
So z. B. S. 531 f.. wo Abhandlungen von 1859 beginnen,
fpäter eine folche von 1833 angeführt wird, auf welche
dann wieder Erfcheinungen von 1878 folgen. — Zu
S. 697 wäre die Arbeit von Jeremias über die Höllenfahrt
der Iftar, Leipzig 1887 nachzutragen; zu S. 335 die
von Adler über den Verföhnungstag (Zeitfchr. f. altteft.
Wiffenfch. Jahrg. 1884 S. 178—185;; zu S. 327 f. vgl.
•S. 185 ff. die von Lötz, qnacstiones de histona Sabbati
Leipzig 1883; zu S. 79 Dillmann, die Herkunft der
urgefchichtlichen Sagen der Hebräer (Mittheilungen
der Berliner Akad. d. Wiffenfch. 1882 Nr. 21. 22.). Zu
S. 92 ff. hätten Wellhaufen's Skizzen u. Vorarbeiten
H. 3. Berlin 1887 benutzt werden follen (Refte altara-
bifchen Heidenthums).

Doch wir dürfen hier nicht weiter den Raum wegnehmen
. Wir glauben gezeigt zu haben, dafs das Buch des
Lefens und des Studiums in hohem Grade würdig ift,
dafs aber der Hiftoriker eine andere Behandlung der
israelitifchen Religionsgefchichte erwartet.

Jena. C. Sieg fr i e d.

Koelling. Superint. Paft. Dr. Heinr., Der erste Brief Pauli
an Timotheus, auf's Neue unterfucht und ausgelegt.
2. Thl. Die Auslegung. Berlin, Rother, 1887. (XXVIII, 1
430 S. gr. 8.) M. 6.-

Auf dem Widmungsblatt ift F. L. Steinmeyer in
Berlin als narq y.ul öiddoy.alog angeredet. In der That
kann die gebotene Exegefe als eine typifche Leiftung
der Schule angefehen werden, welcher der Verfaffer angehört
. Der Krieg, zu welchem fie herausfordert, ift,
ähnlich wie auch gegenüber der Hofmann'fchen Schule,
ein unendlicher, an jedem einzelnen Punkt fich erneuernder
. Auch nach meiner Meinung ,find eingehende Ein- |
zelverhandlungen bei diamentral differenten Standorten I
zwecklos' (S. XV). Anftatt alfo hier meine Auffaffung
auf Schritt und Tritt gegenüber ihrer durchgängigen Bekämpfung
beim Verfaffer zu vertheidigen, ziehe ich es
vor. Einiges von dem, was ich zu fagen hätte, an die
Beftreitung anzuknüpfen, welche S. XII f. meiner An
zeige des erften Bandes in diefer Zeitfchrift (Jahrg.
1887, Sp. 584—587) gewidmet wird. Auch hier bin ich
übrigens mittlerweile vielfach durch Hefte entlaftet
worden, deffen nachgeladene Schrift über ,die Entftehung
der neuteftamentlichen Hirtenbriefe' (1889) wenigftens
noch den erften Band des Koelling'fchen Werkes be-
ruckfichtigt hat. Letzteres gilt gleich von der Haupt-
ftelle 1, 3. In dem aus Act. bekannten Leben des
Paulus wird unfer Brief durch eine, den Wortlaut auf
den Kopf ftellende, Erklärung untergebracht, in welcher
unfer Verfaffer einen Vorgänger an Otto, einen Nachfolger
(?) an Steinmeyer fEv. Kirchenzeitung 1882, S. 593)
hat. Aber fo gewifs die herkömmliche und richtige Erklärung
von y.attcög 7tuqey.dl.ead ae rrqoafieivai ev 'Jirpeoto
71 nqevduevng elg Muy.ednviuv, um ganz unmifsverftändlich
zu fein, die Wortftellung y.airdig ttoqevnuevog elg DIctY.e-

dotlav naqey.dl.eod ae erfordern würde, fo gewifs find die
dadurch entfliehenden Unzuträglichkeiten gering gegenüber
den Schwierigkeiten, welche dem Verflache ent-
gegenftehen, lv'Eq>ioa) von nQOOfieivat abzutrennen und mit
7iaqey.dl.eaa zu verbinden, als den ttOQtvofttvoe elg Maxe*
öoviav aber nicht den Paulus, fondern den Timotheus
zu denken. Das nachgefchleppte Traqeinuerng foll eben
andeuten, dafs Timotheus feinen Standort um fo mehr
in Ephefus nehmen follte, als Paulus felbft dazu keine
Zeit hatte, fondern weiter nach Macedonien mufste, wie
Heffe (S. 71 f.) ganz richtig bemerkt, nur dafs eben damit
auch feine eigene Sondermeinung einen Stöfs erleidet
, als ob Paulus nicht von Ephefus, fondern von
Rom nach Macedonien gewandert fei (S. 28. 66. 72).
Infonderheit aber ift das ganze Gewebe von Trug-
fchlüffen, kraft welches Koelling auch jetzt noch (S. XIII,8)
aus dem Begriff und Sprachgebrauch von traoaiieteiv
felbft die Unmöglichkeit einer Verbindung mit iv ' Ecpe'oq)
darthun will, durch Heffe's unverdroffene, fammtlichem in
Betracht gezogenen Detail gerecht werdende, Bemühungen
(S. 68—71) zerftört worden. Auf der verfehlten
Erklärung von 1 Tim. 1,3 ruht nun aber die ganze Auffaffung
des Briefes als eines ,Vifitationsbüchleins', die
gleichfalls bei Heffe (S. 58—60. 74—76) ihre treffende
Würdigung findet. Gleichwohl befteht ,die Vorftellung,
dafs der Vice-Vifitator den Brief beftändig in der Brief-
tafche mit fich herumgetragen haben foll, um die Möglichkeit
zu haben, fich in Verlegenheitsfällen fofort
Rathes zu erholen' (vgl. Hefte S. 77), nach wie vor für
unferen Verfaffer in Kraft (S. XVIII) und merkwürdiger
Weife trifft die aus ihr abgeleitete Dispofition des Briefes
auch vollftändig mit unferer, fo viel gefcholtenen, Capitel-
eintheilung zufammen. Denn Cap. 1 handelt von der
Lehre, Cap. 2 vom Cultus, Cap. 3 vom Clerus, Cap. 4
von der Apoftafie, Cap. 5 u 6 vom Gemeindeleben
(S. XXIII f.).

Die Auslegung vollzieht fleh mit grofser Breite und
Ausführlichkeit, aber auch mit achtungswerther und
fclbftändiger Gelehrfamkeit (ganz anders als im Johannes-
Commentar Wahle's, eines Collegen unferes Verfaffers).
Allem, was geeignet wäre, Zweifel an der paulinifchen
Authentie des Briefes zu begegnen, weifs der entfchlof-
fene Apologet mit der imponirenden Ueberlegenheit
vereinigter Glaubens- und Wiffensmacht entgegenzutreten
. Unter den vielen prachtvollen Thürmen, mit
welchen er feine, um das angefochtene Eeftungswerk gezogenen
, Mauern ziert, fei hier beifpielsweife ein einziger
abgezeichnet. Es handelt fich um 2, 15, wo es vom
Weibe heifst aofri'jaerai öid Ti]g tey.myoviag: ^erdenkbar
paffendfte Schlufsgedanke des Capitels, welches den
Cultus behandelt' (S. 150). Der überrafchenden Kühnheit
diefer Thelis entfpricht der ftolzeGang der Argumentation
Wir armfeligen Kritiker meinen zu wiffen, der betreffende
Satz fei fo unpaulinifch, als möglich. Und wir haben
ganz recht. Derfelbe Paulus, welcher auf die Frage
nach dem Weg zum Heil zeitlebens nur die Antwort
Act. 16, 31 kannte, durfte dem Weibe keinen völlig heterogenen
Heilsweg vorzeichnen (S. 133 f.). Um ,einen
verftändigen Sinn herauszubekommen' (S. 134), darf
man es fich aber auch nicht fo bequem machen, wie
Wiefinger und Weifs, welche die Bedeutung von öid auf
den Begriff der begleitenden Umftände reduciren. Man
mufs vielmehr das Geheimnifs der Wörter auf 1a verliehen
, um zu merken, dafs hier an einen phyfifchen Act
gar nicht zu denken ift (S. 137. 143). Vielmehr erfcheint
hier die rey.ioyovia ganz abftract als ,das einzige Mittel,
um das aioZeatrai zu ermöglichen' (S. 139). Wie nämlich
fchon I, S. 129 f. gezeigt war, gehört tey.rnyovia zu
den .Terminologien' der Paftoralbriefe. ,Die Thatfache,
dafs das Wort ausfchliefslich aus Elementen mit dem
Sinne der Geburt befteht, recognoscirt dasfelbe als
Darfteller einer Relation, in welcher es effectiv auf nichts
ankommt, denn lediglich auf die Geburt' (S. 137). Es

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