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Ausgabe:

1889 Nr. 1

Spalte:

16

Autor/Hrsg.:

Luthardt, Chr. Ernst

Titel/Untertitel:

Zur Ethik 1889

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Seite 1

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15 Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 1. 16

gehört. Da es mir lediglich darauf ankommt, die leiten- j flandes feine volle Beleuchtung erhalten haben. Endlich

den Gefichtspunkte der Darflellung L.'s hervorzuheben, j hätten von hier aus die immer wiederkehrenden Reform-

mufs ich mir vertagen, auf Einzelheiten näher einzugehen. ! verfuche innerhalb der Kirche felbft (und zwar nicht blofs

Doch mögen noch die zahlreichen, oft recht werthvollen | durch die Bildung neuer Mönchsorden, fondern auch

Auszüge erwähnt werden, die aus einzelnen Ethikern der I durch eine Reihe von Concilien) eine Würdigung erfah-

alten Kirche in der Form von längeren Anmerkungen [ ren, die dem Verftändnifs der Gefchichte der Moral zu

oder Excurfen mitgetheilt werden, zum Theil nach Stäud- ! gute gekommen wäre. — Das Werk fchliefst mit einer

lin (aus der Didache S. 97—98, Clemens von Alexandrien
S. 113—118, Origenes S. 123 — 125, Athanafius S. 140,
Chryfoftomus S. 147, Tertullian S. 158 —161, Cyprian S.
163—164, Hieronymus S. 182 — 188, Cafsianus b. 204 bis
205). — Der letzte Abfchnitt der Schrift. ,die Ethik der

Ueberficht der oppofitionellen Richtungen und Beftrebungen
(L. hat mit der herkömmlichen Auffaffung von
den Vorreformatoren in den meiften Punkten gebrochen)
und einer leider zu dürftigen, vor allem den deutfchen
Beftrebungen nicht gerecht werdenden Erörterung über

Kirche des Mittelalters' (S. 243 — 355), fteht, fo viel ich den Humanismus. — Die den einzelnen Capiteln voran-
urtheilen kann, nicht auf derfelben Höhe wie die voran- i geftellten Literaturverzeichnifse machen keinen Anfpruch
gehenden Unterfuchungen. Die Unterfchcidung der ver- j auf Vollftändigkeit, enthalten aber die werthvollften und
fchiedenen Perioden der Gefchichte der Scholaftik ift fach- | wirklich nennenswerthen Veröffentlichungen. — Wir
lieh für das Verftändnifs der Gefchichte der chriftlichen fchliefsen mit dem Wunfeh, es möge dem geehrten Verf.
Ethik nicht fehr fördernd und bringt viele Wiederholun- I vergönnt fein, fein Werk, welches neben den Arbeiten

gen mit fich. Auch die möglichft genaue, dabei aber
doch felbftverftändlich nicht erfchöpfende Aufzählung
von Schriftüellern und ethifchen Werken ift häufig als
ein opus supererogationis zu bezeichnen; bei diefer Ge-
ftaltung der Gefchichte der chriftlichen Ethik zu einer
Literaturgefchichte der Moral wird den unbedeutenden

von Beftmann, Gafs und Ziegler fein gutes Recht und
feine Bedeutung hat, glücklich zu Ende zu führen. Seine
eingehenden Specialforfchungen auf dem Gebiete der re-
formatorifchen Ethik haben ihn gerade zur Löfung diefer
Aufgabe vorzüglich ausgerüftet, und er wird im Stande
fein, hier in ausgedehnterem Mafse, als für die Gefchichte

Perfönlichkeiten und Schriften ein Werth beigelegt, wel- der vorreformatorifchen Moral, unmittelbar aus den Queicher
nur auf Kotten der wirklich hervorragenden Geftal- len felber zu fchöpfen. Aber auch da, wo er offen feine
ten zur Geltung kommen kann: fo gehört z. B. Abälard j Abhängigkeit von den Vorgängern bekundet, weifs er
fragelos zu den geopferten Gröfsen, und die Würdigung ! ihre Arbeiten fo zu verwerthen, dafs he nicht mehr Anleihen
bei Fremden bleiben, fondern perfönlicher Behtz
und geiftiges Eigenthum geworden sind.

Strafsburg i E. P. Lobftein.

leiner fo intereffanten und folgefchweren ethifchen Gedanken
ift nur fragmentarifch angedeutet, nicht aber all-
feitig klargeftellt. Auch fonft hat fich die Aufmerkfamkeit
des Verf.'s durch die Maffe des zu beherrfchenden Stoffes
von den wichtigeren und wirklich bildungskräftigen Momen- ., ,. „ „, _ _ _ ... r ,. ,

ten auf minderwertige Erfcheinungen hinlenken laffen. Ich ' Luthardt, Dr. Chr. Ernft, Zur'Ethik. Ueber vermiedene
erwähne nur noch Eines. L. bemerkt zwar, dafs die Aus- ethifche lhemata. Leipzig, Dorffling & Franke, 1888.
führungen des Thomas von Aquino über den Staat für (IV, 80 S. gr. 8.) M. 2.—

die römifche Anfchauung auch noch der Gegenwart Die fechs Abhandlungen oder Erörterungen, welche

charakteriftifch und intereffant find; allein die volle Be- ! berdts früher an verfchiedenen Orten gedruckt worden
deutung diefer Lehre, fowie der Zufammenhang derfel- . w berühren fich in mancher Beziehung mit den in

ben mit der Gefammtanfchauung Thomas bleibt doch , L>s apolo„etifchen Vorträgen über die Moral des Chnften-
in der knappen Darftellung E s undeutlich. - Auszüge und in feiner Gefchichte der chriftlichen Ethik be-

aus wichtigeren Schriften wie L. fie in feiner Gefchichte handeiten Gegenftänden. In anfprechender und höchft
der Ethik der alten Kirche gegeben hat, hat der Verf. j inftructiver yAife verwerthet der Verf. die Ergebnifse
hier nur in fehr fparheher Weife gegeben (S. 249 decre- ; def efchichtlichcn Unterfuchungen für die pofitive Lö-
tum Graham, S. 253 Pomtentialbucher S. 307 fauler ; < fung&der wiffenfehaftlichen und praktifchen Probleme aus
vielleicht waren fokhe längere Citate für das Verftänd- der&Ethik welche er hier zur Darftellung bringt. Unter
nifs der Myftik nicht unzvveckmäfsig gewefen. - Soll | den behandeiten Themata (I. Betrachtungen über das Geich
über diefen letzten 1 heil der Schrift L.s ein zufam- , wjffen, 1880, S. 1—16, II. Die fittliche Würdigung des Berufs
menfaffendes Urtheil ausbrechen, welches ich allerdings ; ,n ihrer gefchichtlichen Entwickelung 1880 S. 17-27, III.
an d.efem Ort nicht naher begründen kann , fo möchte ! Ueber das fittliche Ideal und feine Gefchichte 1882, S. 28-41,
ich bedauern dafs der Verf. zu wenig auf die praktifchen IV_ Zur kirchlicheri Lehre vom Beruf 1883, S. 42-51, V.
Intereffen und Beftrebungen der Kirche eingegangen ift. Die antjk.neidnifchen Wurzeln des römifch-kathohfehen
Esfinddiefelben zum Verftändnifs und zur VVerthfchatzung Vollkommenheitsideals 1888, S. 52-65, VI. Römifeh-jefui-
auch der ethifchen Wiffenfchaft wahrend des Mittelalters tifche Moral l86 g 66_8o) find Nr. II. IV. und V. be-
yiel wichtiger und inftructiver als die meiften der fitt- fonders beachtenswert!! und intereffant.
liehe Gegenltande behandelnden theologifchen Werke.

Einzelne Paragraphen enthalten allerdings charakteri- Strafsburg i,E. 1. Lobftein.

ftifche Winke über diefes Gebiet, laffen auch höchft I —

d.mkenswerthe Streiflichter auf die fittlichen Zuftände j Eichhorn, Pfr. Dr. E., Das evangelische Predigerseminar.

fallen (§48—51; §64—66). Aber bei der fteten Rück- £jn Verfuch über Nothwendigkeit, Beftand und Einwirkung
der empirifchen Wirklichkeit und der fittlichen | richtung desfelben. Leipzig, Hinrichs, 1888. (97 S.
Beftrebungen der Kirche auf die Theorie der Moral & , r

mufste entfehieden viel tiefer aus diefer Quelle gefchöpft | §r< M- I-20-

werden. Es ift gewifs die Thatfache der Chriftianifirung
der Germanen für die Formulirung der ethifchen Aufgabe
der Kirche von grundlegender Bedeutung gewefen,
und doch begnügt fich L., hierüber eine zwar fehr fchöne,
aber nothwendigerweife unvollftändige Seite Uhlhorn's
über die Stellung der Kirche in der untergehenden alten
Welt mitzutheilen (S.227—228; vgl. einige fpärliche Andeu

Der Verf. hat fich eingehend mit der Predigerfemi-
narfrage befchäftigt und Treffliches über diefelbe gefagt,
z. B. über das Bedürfnifs folcher Anhalten, über die Gründe,
weshalb fie früher entbehrlicher waren (S. 8 flg.), und
über die Schwierigkeiten, durch das Vicariat Erfatz zu
bieten (S. 2), ganz befonders aber über die in neu zu
errichtendenPredigerfeminaren wünfehenswerthen Einrichtungen
§ 50—51). Auch die Rolle des Mönchthums in | tungen. Es fehlen freilich über einige fehr wichtige Punkte
der Kirche und feine Bedeutung für die Geftaltung der I genauere Vorfchläge und eben dadurch werden mannig-
Ethik würde von diefer erweiterten Faffung des Gegen- ! fache Bedenken wachgerufen. Vor Flrwähnung derfelben