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Ausgabe:

1889 Nr. 13

Spalte:

325-326

Autor/Hrsg.:

Schick, Conr.

Titel/Untertitel:

Beit el Makdas 1889

Rezensent:

Guthe, Hermann

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325

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 13.

326

dies würde es ihm fchwer fallen, eine wiffenfchaftliche
und felbftändige Arbeit zu liefern.

Colmar. L. Horft.

Schick, Baurath Conr., Beit el Makdas oder der alte Tempelplatz
zu Jerufalem; wie er jetzt ift. Mit einem Anhang
und artiftifchen Beilagen Nr. 1—4. Jerufalem, 1887.
[Stuttgart, J. F. Steinkopf.] (VI, 174 S. gr. 8.) M. 5. —

Es ift mit Freude zu begrüfsen, dafs Baurath Schick
feine ein Menfchenalter lang fortgefetzten Beobachtungen
und Unterfuchungen über den ehrwürdigften und präch-
tigften Platz Jerufalems zufammengefafst und dem Druck
ubergeben hat. Das vorliegende Buch enthält eine aufser-
ordentlich genaue, die kleinlten Reife des Alterthums
und die Eigenthümlichkeiten der jetzigen Bauten des
Harum esch-Scherif hervorhebende Befchreibung, die
unter der reichen Literatur über den alten Tempelplatz
fchwerlich ihresgleichen haben dürfte. Der Verf. hat
während feines 40—50jährigen Aufenthaltes in Jerufalem
unausgefetzt beobachtet und jede Gelegenheit, wie Bau-
fchäden. Reparaturen und dergl, forgfältig benutzt, um
feine Kenntnifs des Haram zu erweitern. Nachdem er
in einem grofsen Holzmodell, über welches Schick in
ZDPV. VIII, 146 f. berichtet hat, den ganzen Platz von
feinem felfigen Untergrunde aufwärts bis zu der jetzigen
Bebauung dargeftellt hat — das Erzeugnifs einer achtjährigen
Arbeit — bietet er hier in Worten eine Dar-
Itellung der jetzigen Befchaffenheit des Haram.

Schick geht aus von der Mitte des Platzes, der fo-
genannten Plattform (S. 6—32), befchreibt dann den
grofsen Hof (S. 33—71), fchildert darauf die unterirdifchen
Räume (S. 72—98) und endet mit den Umfaffungsmauern
des heutigen Haram's (S. 100—133). Indem der letzte
Theil nur den äufseren Umgang um die Ringmauern
befchreibt, während die Innenfeite mit ihren Anbauten
fchon im zweiten Theil behandelt ift, entfteht für den
Lefer doch einige Schwierigkeit, fich das Befchriebene
lebendig vor die Augen zuführen. Meiner Meinung nach
hätte es fich mehr empfohlen, die Ringmauer in einzelne
Theile zu zerlegen und dann jeden Theil ganz, fowohl
nach feiner Innenfeite als auch nach feiner Aufsenfeite,
darzuftellen. Diefes Verfahren würde namentlich diejenigen,
die nicht an Ort und Stelle gewefen find, leichter mit
den verwickelten Baulichkeiten bekannt gemacht haben.
Denn fo mufs der Lefer fich ftets erft felbft aus dem
zweiten und vierten Theil zufammenfetzen, was nach
innen und aufsen zufammengehört. Mit Hülfe eines Plans,
den man fich heute freilich ohne grofse Mühe verfchaffen
kann, ift diefe Arbeit wohl möglich. Bequemer wäre es
jedenfalls gewefen, wenn der Verf. einen folchen feinem
Werke beigegeben hätte.

Der Anhang (S. 135—174) bringt, abgefehen von dem
Regifter (S. 163—174), Gefchichtliches über die Bauten
Juftinian's in Jerufalem, über den Haram unter dem Islam,
insbefondere über den Felfendom und die Mofchee cl-Aksa.
Verf. Hellt fich hier im wefentlichen auf die Seite Sepp's
;Die Felfenkuppel eine Juftinianifche Sophienkirche 1882),
nimmt jedoch daneben an, dafs der ältefte Kern des
FVlfendomes die 12 Säulen des hadrianifchen Jupitertempels
feien (S. 150 f. Anders Sepp. 78 h), fowie dafs die
Marienkirche Juftinian's an der Stelle der Aksa geftanden
habe (S. 135 ff.; mit M. de Vogüe, gegen Sepp 107 ff.). In
diefem Theile der Arbeit tritt deutlich hervor, dafs Schick
auf die Unterfchiede der Bauarten und Bauformen das ent-
fcheidende Gewicht legt und die hiftorifchen Zeugnifse
nach dem, was ihm Mauern etc. felbft fagen, zurechtzulegen
oder zu deuten unternimmt. Es ift leicht zu verftehen,
weshalb Schick, dem die Gebäude des Haram täglich
vor Augen find, diefen Weg zur Löfung der viel be-
fprochenen Fragen eingefchlagen hat. Aber es ift doch
ein unrichtiges Verfahren, die architektonifchen Merkmale

den hiftorifchen Nachrichten überordnen zu wollen.
Namentlich in diefem Falle, wo man aus dem Alten
wiederholt Neues gebaut hat und die Unterfuchungen
an Ort und Stelle noch unvollftändig find, gebührt den
hiftorifchen Nachrichten der Vorzug.

Ich würde jedoch eine falfche Vorftellung von dem
Werth und der Bedeutung des Buches erwecken, wenn
ich den Inhalt diefes Anhangs hier näher befprechen
wollte. Das Buch ift vielmehr dadurch werthvoll, dafs
es den Befund an Ort und Stelle, wie Schick ihn feit
rund 40 Jahren beobachtet hat, feftftellt und uns überliefert
. Die in der englifchen Survey gefammelten Beobachtungen
über den Haram beginnen erft mit dem
Jahre 1864 und erftrecken fich bis 1881 oder 1882; die
Vergleichung mufs, was Dauer und Regelmäfsigkeit der Beobachtungen
anlangt, entfchieden zu Gunften Schick's ausfallen
. In der Form und Ausftattung laffen die englifchen
Prachtwerke das befcheidene Buch Schick's allerdings weit
hinter fich. Schick hat das felbft gefühlt und entfchul-
digt den Umftand in der Vorrede. Das Buch ift nämlich
von arabifchcn Zöglingen des fyrifchen Waifenhaufes
(Schneller) in Jerufalem gefetzt und in der Anftaltsdruckerei
dafelbft gedruckt worden — wohl das eilte gröfsere
Buch, das in einer proteftantifchen Liebesanftalt im
heiligen Lande felbft hergettellt worden ift. Wer die von
dem Verf. in dem Vorwort angeführten Umftände des
Druckes in Erwägung zieht, wird die Mängel der Form
gewifs gern nachfichtig beurtheilen. Für die zweite Auflage
wünfche ich jedoch dem Buche einen geübten Corrector. —
Eine photographifche Anficht des Haram (nach Schick's
Modell), ein Durchfchnitt des Felfendoms und einige
andere Figuren find dem Werke zur Erläuterung beigegeben
.

Leipzig. H. Guthe.

Hesse, Geh. Kirchenr. vorm. Prof. Dr. Friedr. Herrn., Die
Entstehung der neutestamentlichen Hirtenbriefe. Ein Ver-
fuch. Halle, Kaemmerer 6t Co., 1889. (VII, 340 S.
gr. 8.) M. 6. —

Die bald nach dem am 23. October 1888 erfolgten
Tod des Verfaffers erfchienene Schrift ift fo, wie fie
vorliegt, allerdings leicht als Werk eines alten und kranken
Mannes zu erkennen: das gilt namentlich bezüglich
der zahlreichen Wiederholungen, der noch zahlreicheren
Druckfehler (befonders im gricchifchen Text, der Verf.
corrigirte felbft und allein) und der, gleichfalls nicht
feltenen, Ungenauigkeiten zumal in Literaturangaben und
Citaten. So wird beifpielsweife gleich auf der erften
Seite der Vorrede mein Buch 5 Jahre zu früh datirt.
Der Verf. fchliefst fich in Beziehung auf das exegetifche
und kritifche Material meift an dasfelbe an, hat aber
wenigltens die bedeutenderen Veröffentlichungen, welche
feither die Paftoralbriefe betreffend erfolgten, noch mit
felbftändigem Urtheil verfolgt und verwerthet daher
infonderheit nicht wenige, meift treffende Urtheile
über Kölling's und Lemme's Schriften) und fchliefslich
verflicht, feine eigene Auffaffung über den Hergang bei
der Entftehung diefer Briefe, wie fie im Laufe der Jahre
in ihm herangereift war, zu einem greifbaren und haltbaren
Bilde auszugeftalten. Diefes Letztere nach allen
Seiten zu begründen und gegen naheliegende Einwendungen
feftzuftellen, hatte fich der Verf. für die Arbeits-
ftunden feiner letzten Lebensjahre zur Aufgabe gestellt.
Ueberall erkennt man das zähe Intereffe, welches ihn an
die Löfung diefer Aufgabe band. Sicherlich hat er es
mit Genugthuung hingenommen, wenn feiner müden Hand
die Feder erft entfunken ift, als der letzte Buchltabe
gefchrieben, der letzte Bogen corrigirt war. Nur mit
der fchuldigen Pietät dürfen und follen daher auch die
Ueberlebenden an die wiffenfchaftliche Hinterlaffenfchaft
diefes Mannes treten, welchen infonderheit auch der