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Ausgabe:

1889 Nr. 10

Spalte:

257-259

Autor/Hrsg.:

Veen, S. D. van

Titel/Untertitel:

De gereformeerde Kerk van Friesland in den Jaren 1795-1804 1889

Rezensent:

Eck, Samuel

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257 Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 10. 258

se innocente nullatcnus dcbitam praestitit, nostri core-
demptrix cum Christo effecta est, non quidem quoad nc-
ccssitatem, cid infinitum Christi meritum abunde suffecit,
sed per spontancam et vere mcritoriam associationem.
Andere feltfame theologifche Einfälle Laurent's habe ich
in meiner Schrift ,üie deutfchen Bifchöfe und der Aberglaube
' S. 103 zufammengeftellt. — Laurent trug dem
Concil auch die Bitte vor, Karl der Grofse, deffen Heilig-
fprechung durch einen Gegenpapft zwar ungültig fei, der
aber in einigen deutfchen und franzöfifchen Kirchen als
Heiliger verehrt werde,, möge wenigftens als Beatus anerkannt
, dem Papfte Liberius nach alten Martyrologien
das Prädicat .heilig' reftituirt und die Seligfprechung der
Papfte Inoncenz XL und Clemens XI. in Ausficht genommen
werden. Zur Begründung diefer Bitten wird
u. a. angeführt, Karl der Grofse fei foriissimus defensor
et magnanimus adauctor des Kirchenftaates gewefen, und
die Seligfprechung der beiden letztgenannten Papfte
würde eine neue Beftätigung von Vorrechten des Papftes
fein, die heutzutage von vielen geleugnet würden.

Für Laurent fehr charakteriftifch ift ein im Anhange
abgedruckter langer Brief an den Cardinal von Geiffel,
worin er einen Hirtenbrief des Bifchofs Müller von
Münlter vom Jahre 1858 über Gebete für die Wiedervereinigung
der morgenländifchen Kirche mit der Römi-
fchen kritifirt und förmlich denuncirt. Geiffel erklärte
fich, mit Ausnahme einiger nicht wefentlichen Befchrän-
kungen, vollkommen einverftanden'. Nicht ohne Intereffe
find auch zwei Briefe von Ludwig von Gerlach (f 1877)
an den Grafen Franz von Stolberg vom Jahre 1871 über
ein von Laurent auf die Bitte des letzteren verfafstes
,Gebet um Einheit im Glauben' und Laurent's Kritiken
der Briefe.*

Bonn. F. H. Reufch.

Veen, Predikant Dr. S. D. van, De gereformeerde Kerk van
Friesland in den Jaren 1795—1804. Groningen, Wolters,
1888. (V, 298 S. gr. 8.) FL 2. 90 = M. 5. —

DerTitel und die einleitenden Abfchnitte diefesBuches
verfprechen mehr, als der weitere Inhalt bietet. Nach der
franzöfifchen Eroberung und der Flucht des Erbftatthalters
hatten fich zu Anfang 1795 in den Provinzen der Niederlande
felbftändige revolutionäre Regierungen gebildet,
welche alsbald volle Religionsfreiheit und die grundfätz-
liche Scheidung von Staat und Kirche verkündeten. Damit
hörte ebenfo die politifche Abhängigkeit wie jede materielle
Unterftützung der kirchlichen Organe und Einrichtungen
von Seiten der ftaatlichen Obrigkeit auf. Es gab
fortan keine heerscliendc Kerk mehr. Je fetter diefes
Verhältnifs aber bis dahin gewefen war, um fo fchwieriger
mufste es fein, fich in das plötzliche Aufhören desfelben
zu finden. In Friesland wollte eine Neugeftaltung der
kirchlichen Angelegenheiten noch weniger gelingen, als
in den anderen Provinzen. Die Jahre 1795—1804 waren
hier eine fynodenlofe Zeit. Die Klagen, welche fich darüber
erhoben, ift der Verfaffer geneigt, als unbillig ab-
zuweifen. Allein wenn er als Gründe nur den Geldmangel
und die Unruhe auch im kirchlichen Gemeindeleben anfuhrt
, fo gilt dies Beides für die anderen Provinzen nicht
minder als für Friesland. Achtet man aber auf die wiederholten
urkundlichen Beweife von Schwerfälligkeit, welche
im Gefchäftsgang der Claffen hervortreten, fowie es fich
um gemeinfame Angelegenheiten handelt (f. S. 100. 129.
164. 195), fo wird man nicht umhin können, eine Klage
über mangelnden Gemeinfinn als berechtigt anzuerkennen.
Nur vermuthen möchte ich, dafs diefer Mangel in Zu-
fammenhang geftanden haben wird mit dem von altersher
gerühmten Freiheitsfinn der Friefen, deffen ,kerngefunde'

*) Ausführlicher wird das Buch befprochen im Deutfchen Merkur
1S89. Nr. 13 fr.

Art in jenen ftürmifchen Tagen leicht zu allerhand eigenwilligen
Unarten auswachfen konnte (f. S. 197).

Um fo glänzender hebt fich nun auf diefem Grunde
die Thätigkeit einer Commiffion von 6, fpäter 12 Männern
ab, welche aus den einzelnen Claffen gewählt an die Stelle
der Deputaten (des gefchäftsführenden Ausfchuffes) der
Synode traten und vom 3. Nov. 1795 bis 12. Juli 1804
mit raftlofer Hingabe und unerfchrockenem Muthe für
das Wohl ihrer Kirche wirkfam waren. Aus dem Archiv
der Provinzial-Kirchenverwaltung von Friesland giebt der
Verf. eine erfchöpfende Darfteilung ihrer Thätigkeit. Vorzüglich
richtete fich diefe auf die Sicherung der materiellen
Exiftenzmittel der Kirche und ihrer Diener, einfchliefslich
der Emeritirten, Wittwen und Waifen. Bei den fchweren
Laften, welche Kriegscontributionen, erzwungene Flotten-
rüftungen u. A. den Provinzen fortwährend auferlegten,
während gleichzeitig unter dem Einflufs des franzöfifchen
Vorbildes eine nichts weniger als kirchenfreundliche
Stimmung in den Regierungskreifen herrfchte, war das
Vermögen der Kirche in all feinen Formen wiederholt
aufs äufserfte bedroht. Dem Eifer der Commiffion gelang
es, Manches zu retten, für Anderes wenigftens die
Rechtsanfprüche für die Zukunft zu fiebern. Dafs fie
inmitten folcher Sorgen noch Zeit und Luft fand, fich
der Ausarbeitung eines neuen Gefetzbuchs zu widmen,
die Herftellung eines Gefangbuchs zu fördern, für die noth-
leidenden Nachbargemeinden wie für die Heidenmiffion
zu wirken, verdient gewifs die höchfte Anerkennung.
Man wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn der
Verf. meint, dafs fie über ihr Verhältnifs zur Gefchichte
der Friefifchen Kirche jener Zeit hätte fagen können:
cujus pars maxima fui (S. 207, vgl. S. 46;. Allein er hätte
wohl gethan, fchon auf dem Titel feiner Arbeit anzudeuten
, dafs er eben die Gefchichte diefer Commiffion
darzuftellen beabfichtigt. Denn er befchränkt fich in der
That faft ausfchliefslich auf ihren Sitzungsfaal und ihre
Acten. Das wäre ihm nun nicht zu verübeln. Nur ift auf
diefem Wege ein erfchöpfendes Bild der kirchlichen Zu-
ftände nicht zu gewinnen. Das ergiebt fich aus Folgendem.

Die Friefifche Synode hat 1791 auf Antrag der Classis
von Dokkum einen Befchlufs gegen das Conventikelwefen
gefafst, der am 8. März 1792 die Beftätigung der Provin-
zialftaaten erhielt (S. 24, vgl. Ritfehl, Gefch. d. Piet. I,
S. 351). Es verlieht fich nun von felbft, dafs eine folche
Befchränkung des religiöfen Erbauungsrechts mit dem
Sturz der herrfchenden Kirche hinfällig wurde. Aber
fowie nun von Frankreich her wieder ein mehr kirchenfreundlicher
Wind wehte und diefer Umfchlag fich fofort
auch in der Batavifchen Republik bemerklich machte,
war es eine der erften Mafsregeln der Friefifchen Depar-
tementalregierung.ein Decret gegen unerlaubtes Abhalten
von Verfammlungen, Katechifationen und Uebungen zu
erlaffen. Zuwiderhandelnde wurden mit Geldftrafen von
25—50 Goldgulden bedroht (23. Dec. 1802. — S. 172).
Hieraus und aus vielfachen Klagen über ,Leerars, Gods-
dienstonderwijzers of zoogenamde Oefenaars' ergiebt fich
nun zunachft, dafs die Pietiften jener Zeit fich nicht, wie
Ritfehl a. a. O. S. 353 vermuthet hat, fülle gehalten haben.
Aber indem der Verf. überall nur auf Grund der Com-
miflionsacten oder doch nur mit Bezug auf fie auf diefe
Verhältnifse eingeht (S. 64 p, 169fr., 220f., 232 f.), gewinnt
man weder eine Anfchauung von dem Umfang diefer
Bewegungen, noch einen Einblick in die religiöfe Art und
die kirchlichen Beftrebungen derfelben. Gedenkt man
aber der ferneren Schickfale der refonnirten Kirche in den
Niederlanden, fo wird man geneigt fein, gerade in diefer
Beziehung Aufklärung zu wunfehen. Dem Verf. ift aber
begegnet, dafs er fich bei feiner Darftellung von einem
Grundfatz hat leiten laffen, den er felbft als Kennzeichen
einer früheren Zeit tadelt: de predikanten toch zvareu,
mccstal, de Kerk. Aber auch über deren theologifche
refp. religiöfe Stellung giebt das Buch nur ungenügende
Auskunft.

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