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Ausgabe:

1889 Nr. 10

Spalte:

255-257

Autor/Hrsg.:

Möller, Karl

Titel/Untertitel:

Leben und Briefe von Johannes Theodor Laurent 1889

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 10.

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von 4 Nummern, die hierher gehören, die vollftändigen
Abfchriften. Manche andere Urkunden, deren Inhalt fich
nicht mit kurzen Worten angeben läfst, lernen wir in dem
vorliegenden Bande noch kennen.

An Druckfehlern ift mir aufgefallen, dafs Nr. 43
doppelt gezählt ift. Das Verfehen hat der Verfaffer
jedoch dadurch einigermafsen wieder gut gemacht, dafs
er die nach 54 folgende Urkunde mit den zwei Zahlen
55 und 56 gefchmückt hat. Andere unbedeutende Fehler,
die jeder felbft verbeffern kann, find z. B. folgende:
S. 21 Z. 2 v. u. ftovcr/i/.vo für uovuyg/.bv. S. 22 Z. 13
v. u. acpa?.u('tTto,v für ßcpalf.idvcov. S. 42 S. 8 v. u. xeza
für y.ara. S. 263 Z. 10 v. u. ein gänzlich verunglücktes
Wort, das zoiüdng heifsen mufs. Z. 281 Z. 16 v. u.
francm a sons für franctnacons.

Binnen bei Nienburg aW. Ph. Meyer.

Möller, Prof. Karl, Leben und Briefe von Johannes Theodor
Laurent, Titularbifchof von Cherfones, Apoftolifcher
Vikar von Hamburg und Luxemburg. Als Beitrag
zur Kirchengefchichte des 19. Jahrhunderts zufammen-
geftellt von feinen Freunden und mit einem Vorwort
hrsg. von K. M. 3. Th.: 1848—1884. Trier, Paulinus-
Druckerei, 1889. (XV, 236 u. LXXXVII S. 8.) M. 3.—

Die beiden erften Bände habe ich in der Lit.-Ztg.
1887 Nr. 12 und 1888 Nr. 17 angezeigt. Der vorliegende
Band behandelt die Jahre, welche Laurent nach feiner Entfernung
von Luxemburg meift in feiner Vaterftadt Aachen
verlebte. (Im Anhange ift ein intereffanter Bericht des
Gouverneurs von Luxemburg über die dortigen Krawalle
im Jahre 1848, welche Laurent's Entfernung zur Folge
hatten, vollftändig abgedruckt.) Von 1867 an war Laurent
Director der in Aachen entftandenen Genoffenfchaft der
,Schwertern vom armen Kinde Jefu'. Als diefe in Folge
der preufsifchen Maigefetze ihr Mutterhaus nach Simpel-
veld auf holländifchem Boden verlegten, folgte er ihnen
dahin. Dort ift er auch am 20. Febr. 1884 geftorben. Der
Plan, Laurent zum Bifchof von Lüttich, dann, ihn zum
Weihbifchof von Trier, fpäter, ihn zum Bifchof einer
andern preufsifchen Diöcefe zu machen, fcheiterte an
dem Widerfpruch der belgifchen bezw. preufsifchen Regierung
; ,eine Ernennung auf einen öfterreichifchen Bi-
fchofsftuhl wurde durch die Gegenbeftrebungen einer
katholifchen Körperfchaft vereitelt'. Das wiederholte
Anerbieten eines amerikanifchen Bisthums lehnte er ab.
Der Biograph beklagt es, dafs er, ,fich felbft und der
Kirche zum Schaden, feine reichen Talente in das
Schweifstuch feiner Melancholie und Verwandtenliebe
vergraben habe' (S. 52). So war denn in diefem Bande
von Laurent's Leben und Thaten nicht viel zu berichten,
defto mehr von feinen Meinungen, und manches, was
darüber mitgetheilt wird, ift auch für weitere Kreife nicht
ohne Intereffe.

Laurent war in kirchlich-politifchen Fragen ein reiner
Curialift, vielleicht noch etwas curialiftifcher als die Curie.
Die Unfehlbarkeit des Papftes hatte er von Jugend auf
als ,eines der Grunddogmen der katholifchen Kirche' an-
gefehen (S. 113). Als er, von Herrn von Ketteier eingeladen
, bei Gelegenheit der elfhundertjährigen Gedächt-
nifsfeier des Martyrtodes des h. Bonifacius im Dome zu
Mainz die Feftpredigt hielt, unterliefs er nicht, in der-
felben feine Lieblingslehre ausführlich in der fchärfften
Faffung vorzutragen (S. 42). Die Einladung zur Theil-
nahme am Vatikanischen Concil lehnte er zwar ab, wie
früher die Einladung zu der Römifchen Bifchofsverfamm-
lung im Jahre 1864, allem Anfchein nach hauptfächlich
darum, weil er noch immer gegen Rom vernimmt war
wegen feiner Entfernung von Luxemburg; er fchickte
aber ein ,dogmatifch.es Votum' über die Infallibilität nach
Rom und fchrieb darüber auch an Pius IX., und diefer foll
erklärt haben, Laurent habe feine letzten, mit Bezug auf

die deutfchen Zuftände gehegten Bedenken vernichtet,
die Sache fei nun fertig: C'est fait (S. 131). Der Brief
an Pius IX. fchliefst mit dem für Laurent charakterifti-
fchen Satze: ,Ich halte es für unmöglich, dafs die heilige
Jungfrau, welche du von aller Makel der Erbfünde unbefleckt
erklärt haft, nicht dir, dem Stellvertreter ihres
Sohnes, erlangen follte, in deinem apoftolifchen Lehramte
von allem Irrthum unbefleckt erklärt zu werden'. Den-
felben Gedanken fpricht er in einem Privatbriefe aus:
,Dafs Pio Nono die Immaculata Conceptio verherrlicht hat,
läfst beinahe nicht zweifeln, dafs Maria es dem Papa in-
fallibilis vergelten wird' (S. 117).

Von dem Syllabus von 1864 fagt Laurent einerfeits,
er fei ,vom h. Geifte eingegeben', andererfeits, er enthalte
,die volle Verdammung des ganzen heutigen focial-poli-
tifchen Zuftandes der Welt' (S. 88). Um die Grundfätze
des Syllabus durchzuführen, beantragte er in den Vota
dogmatica, die er nach Rom fandte (fie find im Anhange
S. XXIX abgedruckt), das Vatikanifche Concil möge erklären
: die weltliche Herrfchaft des Papftes fei zur freien
Verwaltung der Kirche unentbehrlich, und die Zerftörung
und Verkleinerung derfelben fei ein Sacrilegium und
fchliefse jeden, der fich derfelben fchuldig mache, aus
aller Kirchengemeinfchaft aus; die chriftlichen Könige
feien nicht minder als ihre chriftlichen Unterthanen dem
Papfte unterworfen und fchuldeten ihm Gehorfam in der
Ausübung ihrer Gewalt; die Kirche könne in ihrer Be-
fugnifs, Gefetze zu geben und Vermögen zu erwerben
und zu verwalten, nicht befchränkt werden; die kirchliche
Gewalt könne die Uebertreter ihrer Gefetze auch ohne
Erlaubnifs der weltlichen Gewalt mit zeitlichen Strafen
züchtigen; die Kirche beanfpruche jure divino jene Immunität
ihrer Kleriker von dem weltlichen Forum, welche
zur Ausübung der kirchlichen Aemter erforderlich fei,
vor allem die Freiheit vom Militärdienfte; die chriftliche
Jugend zu erziehen und zu unterrichten fei Sache des
kirchlichen Lehramtes; Schulen für Chriftcn zu errichten
und zu leiten, die Lehrer zu wählen und zu beauffich-
tigen, die Schulbücher vorzufchreiben, gehöre daher zum
bifchöflichen und priefterlichen Amte, von dem allein
die chriftliche Familie in der Erziehung und Unterweifung
der Kinder abhängig fei; die Gewiffens-, Cultus- und
Prefsfreiheit könne nicht angerufen werden gegen das
Lehramt der Kirche, welches das Gewiffen verpflichte,
die wahre Art der Gottesverehrung beftimme und über
alle Aeufserungen der Geifter zu urtheilen habe; die
bürgerlichen Gefetze, welche mit dem kirchlichen Gefetze
nicht übereinftimmten, feien ungerecht und für das Gewiffen
nicht verpflichtend. Ferner beantragte Laurent,
das Concil möge die den weltlichen Fürften gegebenen
Vollmachten, Bifchöfe, Domherren, Pfarrer und Pro-
fefforen der Theologie zu ernennen, vorzufchlagen oder
zu beftätigen, zurücknehmen oder wenigftens im Princip
mifsbilligen.

Laurent hat 1850—79 acht Bände Predigten und eine
Erklärung der vier Evangelien drucken laffen. Der Biograph
gefleht, es kämen darin, ,fo kirchlich-orthodox
auch Laurent immer fein wolle', hie und da ,feltfame,
von der allgemeinen Lehre abweichende Lehranfchau-
ungen' vor (S. 111a). Einige diefer fonderthümlichen
Anfchauungen, die der Mariologie angehören, wünfchte
Laurent durch das Vatikanifche Concil zu Dogmen erhoben
zu fehen. So follte das Dogma vom Jahre 1854
dahin vervollftändigt werden: Maria fei nicht nur a reatu
peccati originalis, fondern auch a debito karte ineurrendi
frei gewefen. Für die auch von anderen beantragte Dog-
matifation der leiblichen Aufnahme Mariä in den Himmel
fchlug er folgende Faffung vor: Beatissivia Virgo Maria,
quae sicut Christus mori non debuit, sed ex amore voluit,
cum corpore a mortuis resuscitato fuit in coelutn assumta.
Ferner follte erklärt werden: B. V. M., quae Christo pro
salutc hutnana paticnti et morienti compassa et postea com-
mortua divinae justitiae satisfactionem gratissimam, pro