Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1889 Nr. 9

Spalte:

234-237

Titel/Untertitel:

Nichodemos 1889

Rezensent:

Meyer, Ph. L.

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

233

Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 9.

234

find, weil fie den valentinianifchen Urfprung eines Buches
vorausfetzen, welches weder der alterten claffifchen
Entwickelung des Gnofticismus, noch der valentinianifchen
Schule angehören kann — der Piftis Sophia. Diefes
Werk fchiebt Amelineau in den Vordergrund und braucht
es als zuverläffige Quelle für den Valentinianismus. Allein
nach Allem, was wir von Valentin und feiner Schule
wiffen, mufs diefe viel biblifcher und andererfeits
hellenifcher gewefen fein*), alsjenes feltfame Werk, für
deffen nähere Zeitbeftimmung alle ficheren Kriterien
ebenfo fehlen, wie für den Kreis, aus welchem es hervorgegangen
ift.

Allein auch wenn die Piftis Sophia ein altes
valentinianifches Werk wäre, wären die beigebrachten
Parallelen aus der ägyptifchen Religion nicht hoch zu
veranschlagen; denn aus welcher Zeit flammen fie, was
bedeuteten fie in ihrer Zeit und fpäter, wie find fie zu
deuten: Es mag fein, dafs den Aegyptologen die Antworten
auf diefe Fragen und auf ähnliche geläufig und ficher
find, obwohl ich das bezweifle — uns Unwiffenden, für
die der Verfaffer doch fein Buch benimmt hat, hat er
nichts mitgetheilt, worauf wir bauen könnten. So wie
die Dinge in diefem Buche vorgetragen find, erfchcinen
lediglich Curiofitäten neben Curiofitäten. Das Recht, fie
zufammenzurtellen, fie gegenfeitig fich beleuchten zu
laffen, fie in eine hiftorifche Verbindung zu bringen,
leuchtet nicht ein. Man kann daher aus ihnen nichts
lernen, fo lange fie nicht auf eine breitere und fefte Bafis
geftellt find.

Neu und intereffant find (p. 195 f. 2490".) die Excerpte
aus einem bisher nicht veröffentlichten koptifchen Papyrus
zu Oxford, deffen Inhalt {Le livre des gnoses de rinvisible1
,Le Irere de la grandeur du Logos selon le mystere') fich
theilweife mit dem der Piftis Sophia berührt. Jefus vollzieht
unter magifchen Zeichen und geheimnifsvollen Anrufungen
an feinen Jüngern die drei Taufen, die Waffer-, Feuer-
und Geiftestaufe. Vieles ift in dem umfangreichen
Ceremoniell diefer drei entfühnenden Sacramente ganz
unverftändlich. Was man verftehen kann, hat m. E. mit
der Schule Valentin's nichts zu thun, fondern führt eher
in die dunklen Kreife des abfterbenden Heidenthums in
Aegypten, das in feine fynkretiftifchen Myfterien auch
die Perfon Jefu hineingezogen hat.

Berlin. A. Harnack.

Dalton, Dr. Herrn., Beiträge zur Geschichte der evangelischen
Kirche in Russland. IL Urkundenbuch der evangelifch-
reformirten Kirche in Rufsland. Gotha, F. A. Perthes,
1889. (XV, 429 S. gr. 8.) M. 7. —

Seiner ,Gefchichte der reformirten Kirche in Rufsland'
und feiner »Verfaffungsgefchichte der evangelifch-
lutherifchen Kirche in Rufsland' hat der Verfaffer diefes
.Urkundenbuch' nachfolgen laffen. Aber es bietet viel
mehr als Urkunden, nämlich auch eine urkundlich ge-
fchriebene Verfaffungsgefchichte der ev.-reformirten
Gemeinden in Petersburg, Moskau, Mitau, Riga, in den
füdrufüfchen und Wolga-Colonien, in Archangel, (Reval),
Littauen und Polen, dazu einen Abdruck der in
diefen Gemeinden geltenden Bekenntnifse (Heidelberger
Katechismus, 2. helvetifche Confeffion, franzöfifche
Confeffion, Vergleich von Sendomir)**. Eine Zufammen-
ftellung der auf die reformirten Kirchen in Rufsland
bezüglichen Verordnungen gab es bisher fo wenig wie

*) Amelineau mufs übrigens felbft, nachdem er den ägyptifchen Einflufs
auf Valentin in den ftärkften Ausdrücken betont und das Syftem ägyptifch
genannt hatte, letzteres Urtheil einfchränken (p. 321): f Clement grec y a
unc part immense, cor mime /es idics egypliennes ont eprouve un certain
changemcnl de forme en passant per un esprit nourri dans la litterature
et Ja eivilisation grecques.

*•) Der Abdruck ift erfolgt, weil der Verfaffer wünfeht, auch auf
diefem Wege die Kenntnifs und das Studium der Symbole bei den Gliedern
der reformirten Kirche in Rufsland zu verbreiten.

eine Gefchichte der einzelnen Gemeinden. Erfteres war
eine ungeheuere Arbeit; denn es galt, die mehr als 100
Foliobände der ,vollftändigen Gefetzesfammlung' zu
durchfuchen; letzteres ift ein mühfameres Unternehmen,
als die meiften fich vorftellen werden; denn die Gefchichte
der reformirten Kirchen in Rufsland ift völlig zerfplittert,
fo dafs jeder Bezirk, refp. jede Gemeinde ihre eigene
Gefchichte hat. Der Verfaffer hat daher S. 15—75 die
allgemeinen Verordnungen von 1689 (Zulaffung der
Hugenotten) bis 1885 zufammengeftellt und in einen
gefchichtlichen Flufs gebracht; fodann hat er die Verordnungen
in Bezug auf die einzelnen Gemeinden und
Bezirke abgedruckt und dabei die gefchichtlichen Nach-
weifungen gegeben. Er hat fomit ein bisher unbe-
fchriebenes Stück Gefchichte dargeftellt und nicht nur
die Evangelifchen in Rufsland, fondern auch die Hiftoriker
überhaupt zum wärmften Danke verpflichtet. . Traurig ift
freilich die littauifche und polnifche Kirchengefchichte,
welche er fchildert — die Verkümmerung der reformirten
Gemeinden uach verheifsungsvollen Anfätzen; traurig ift
es, fehen zu müffen, wie auch dort der Proteftantismus
fich z. Th. felbft zerfplittert hat. Die reformirten
Gemeinden in Littauen und Polen find nur noch Refte,
die in den eingeborenen Nationen keinen oder nur einen
ganz kümmerlichen Halt haben. Anders fleht es mit den
wenigen reformirten Gemeinden im Reiche. Dafs die
Union mit dem Lutherthum nicht durchgeführt werden
konnte, war ein fchwerer Schade für beide Theile. Diefes
hätte von den reformirten Gemeindeordnungen viel lernen
können, und die reformirten Gemeinden hätten einen
ftärkeren Halt bekommen. Möge das Buch des Verfaffers
in Rufsland felbft dazu beitragen, dafs die Schwefter-
kirchen fich näher kommen, und möge die Kenntnifs ihrer
Gefchichte den reformirten Gemeinden ein neues Mittel
zur Fertigung werden.

Berlin. A. Harnack.

Nixödtj/iog, /.loraybg Ayiognic^g, — uußoel.evTixbv
ey%eiQtöiov iregi (pvkaxt^g zvbv ntrze. alal}itotiov zfjc
re cpavzaolag zov vobg xal zijg xagdlag xal noiai elotv
al oixeiai zov vobg r)dovai. 2vtte&iv y.al s/ndiood-colrtr
TzagetTov doiöt'iiov N.pt.A. 1 Exdidoiai rjdr, e.TeJapyaoy/4-
vovzb ösvzegov vrrb —cocpgoviov itovayov'Ayiogehov ix
Paideorov Kexayiöylov. 'Evldlrrtvaig, E.rvgiö. Kovaov-
tXivov Tvnoygaftüov y.al Btßliomoleiov, 1885. (Auch
durch Lorentz & Keil in Konftantinopel.) (240 S. gr. 8.)
Frs. 3.—

Die erfte Ausgabe diefes Buchs, die jetzt felbft in
griechifchen Kreifen für eine Seltenheit gilt, ift im Jahre
1801 erfchienen, aber nicht über die Grenzen der griechifchen
Kirche bekannt geworden. Daher fcheint es
geboten, wenigftens die zweite Auflage demfelben Schick-
fale zu entreifsen. Denn wir haben es hier mit einem
Werke zu thun, das die Reformation des griechifchen
Mönchslebens in diefem Jahrhundert und die Wiederbelebung
der Myftik in der griechifchen Kirche zum
guten Theile veranlafst hat.

Der Verfaffer der intereffanten Schrift ift der Athos-
mönch Nikodimos von Naxos, deffen Biographie in feinem
opus postumum 2vrag~agioz>}g, Venedig 1819 als Einleitung
zu finden ift. Kürzere Notizen bei Nicolai, Gefch.
der neugr. Lit. 1876 S. 173, die jedoch aus zweiter Hand
gefchöpft find. Die neue vorliegende Auflage hat ver-
anftaltet der Mönch Sophronios, damals in der Skiti
z /ttxgs) "Avva auf Ajionoros, jetzt Igumenos in einem
Klofter auf Skiathos.

Der Verfaffer fchrieb fein Werk auf Anregung und
Wunfeh feines Vetters ' hgblrtog, der damals Erzbifchof
von Joannina war. Das will der dem Ganzen als Einleitung
vorangefchickte Briefwechfel zwifchen den beiden

**