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Ausgabe:

1889 Nr. 9

Spalte:

232-233

Titel/Untertitel:

Annales du Musée Guimet. Tome XIV 1889

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 9.

232

Verfaffers der niedrigfte Mafsftab angelegt werden müffe.
Die folgenden Lieferungen beftätigen dies im Uebermafs.
Dazu fchielt der Verf. beftändig nach Gebieten hinüber,
die ihn gar nichts angehen, und von denen er noch
weniger verfteht. Seine dünkelhafte Aufgeblähtheit fleht
dazu in einem feltfamen Contrafte. Er hätte fich auf
Paradigmen und rein mechanifche Analyfe befchränken
follen. Wenn ich Spalte 396 diefer Zeitung vom Jahre
1888 vorfichtig geäufsert hatte, dafs die Hefte von
Manchem mit Erfolg benutzt werden könnten, fo kann
ich diefen Optimismus jetzt nur bedauern.

Giesfen. Friedr. Schwally.

Ibbeken, Herrn. Gerh., Die Bergpredigt Jesu, wiffenfchaft-
lich-populär ausgelegt. Metz, Lang, 1888. (IV, 216 S.
gr. 8.) M. 3. 50.

Der Verfaffer hat früher ein ,Leben Jefu nach der
Darftellung des Matthäus' herausgegeben, in welchem er
als leitenden Gedanken des erften Evangeliften nachzu-
weifen fucht, dafs in dem Lebensgange Jefu die Ge-
fchichte des Volkes Israel fich wiederfpiegele. Die Bergpredigt
entfpricht demgemäfs der Gefetzgebung auf Sinai.

Vorliegendes Buch ifl nun aus Präparationen zum
Religionsunterrichte erwachfen und, wie mit anerkennens-
werther Offenheit gefagt wird, auf Grund nur befchränkter
Kenntnifs der einfchlägigen Literatur gefchrieben. Das
würde den Werth des Buches nicht fonderlich beeinträchtigen
, wenn der Verfaffer die von ihm behandelten
Fragen lediglich feinem Texte entnähme und aus dem
Zufammenhang zu löfen fuchte. Aber der Ausdruck
,wiffenfchaftlich-populär' auf dem Titelblatt will fagen,
dafs der Verfaffer feine Fragen nicht blofs dem Texte,
fondern ebenfo dem Gemeindeleben, dann feiner eigenartigen
Dogmatik, endlich auch den zerftreut vorgefundenen
Meinungen anderer Exegeten entnimmt, und das
führt trotz allen aufgewandten Fleifses zu keinem erfreulichen
Refultat. Es wäre gut, wenn der Verfaffer
bei ferneren Arbeiten fich vorhielte, dafs auf dem Gebiet
biblifcher Exegefe nur zwei Standpunkte als berechtigt
gelten dürfen: 1) Der wiffenfchaftliche, der mit
allen Mitteln hiftorifcher Erkenntnifs den urfprünglichen
Sinn zu ergründen fucht; 2) der erbauliche, der von den
Gemeindeverhältnifsen ausgeht, den Text aus ihnen erklärt
und dem fo erklärten Texte wieder eine Regel zur
Neugeftaltung der Gemeindeverhältnifse entnimmt. Eine
Vermifchung beider Standpunkte führt hier wie faft
überall dazu, dafs fowohl der wiffenfchaftliche als auch
der erbauliche Charakter der Exegefe Noth leidet.

Giefsen. Oscar Holtzmann.

Hagenbach's, K.,R, Lehrbuch der Dogmengeschichte. 6. Aufl.,
bearb. von Prof. D. Karl Benrath. Leipzig, Hirzel,
1888. (XXIII, 713 S. gr. 8.) M. 10.—

Als ich vor drei Jahren den erften Band meiner
Dogmengefchichte erfcheinen liefs, glaubte ich fagen zu
dürfen, dafs fich in Zukunft kein Dogmenhiftoriker der
Problemftellung werde entziehen können, welche ich in
jenem Werke befolgt habe. Die Thatfachen haben mich
bisher nicht widerlegt; denn es find keine neuen Dogmen-
gefchichten erfchienen. Allein drei ältere Werke find in
diefer Zeit in neuen Bearbeitungen ausgegeben worden,
die Darftellungen von Thomafius, Schmid und das
vorliegende von Hagenbach. In welchem Mafse dem
Fortfehritt unferer Wiffenfchaft mit diefen Neubearbeitungen
gedient ift, diefe Frage möchte ich Anderen zur
Beantwortung überlaffen. Gerne conftatire ich aber, dafs,
wie die Neubearbeitungen von Bonwetfch, Seeberg
und Hauck, fo auch diefe von Benrath beforgte eine
erweiterte und verbefferte ift. B. hat fich für feine Arbeit
die Edition der Hagenbach'fchen Encyklopädie (von

Kautzfeh) zum Mufter genommen. Er hat nicht nur
ftillfchweigend die Literaturangaben fortgeführt, fondern
er hat auch durch viele gute Zufätze das Buch brauchbarer
gemacht, ohne es freilich fo gründlich zu bearbeiten,
wie das Bonwetfch u. Seeberg in Bezug auf die Tho-
mafius'fche Dogmengefchichte Bd. I gethan haben. Dafs
viele Studenten das Werk von Hagenbach je wirklich vom
Anfang bis zum Ende durchftudirt haben, und dafs fie es
in Zukunft thun werden, ift mir bei der Anlage des Buches
höchft unwahrfcheinlich. Gewifs aber ift mir, dafs fie aus
demfelben ein deutliches Bild von der Entftehung und
Entwickelung des Dogma's nicht gewinnen können.
Dagegen wird das Buch als Nachfchlagewerk feine
Bedeutung behalten.

Berlin. A. Harnack.

Annales du Musee Guimet. Tom XIV. Essai sur le Gnosti-
cisme egyptien, ses developpements et son origine
egyptienne par M. E. Amelin eau, Paris, Leroux, 1887.
(330 S. hoch 4.)

Diefer ftattliche Quartband ift die erfte ausführliche
Darftellung, die dem Gnofticismus feit Matt cr's berühmten
Buch in Frankreich zu Theil geworden ift. Allein auch

1 Amelineau hat nicht eine erfchöpfende Monographe über
den Gnofticismus fchreiben wollen. Ihn intereffirte nur der

I ägyptifche Gnofticismus, den erinSimonMagus, Menander,
Satornil, Bafilides, Karpokrates, fowie vor Allem in den
Schulen des Valentin findet. Daher find nur die Syfteme
diefer Gnoftiker behandelt. Allein obgleich der Verfafler die
Quellen fehrfleifsig excerpirt und zur Darftellung gebracht
hat und fich auch in einem grofsen Theil der deutfehen
Literatur bewandert zeigt, fo kann man doch in feinem
Werke nach keiner Seite einen Fortfehritt der Erkenntnifs
erblicken; denn erftlich find die gnoftifchen Syfteme ganz
abstract d. h. ohne Rückficht auf die gleichzeitige
Gefchichte des Chriftenthums behandelt — wie viel hätte
der Verfaffer hier z. B. von feinem Landsmann Renan
lernen können —; zweitens tritt das Intereffe an den
Syftemen und den Riten fo in den Vordergrund, dais
alles Uebrige dem gegenüber nur beiläufig behandelt
wird; drittens fchenkt der Verfaffer den verworrenen
Berichten der Kirchenväter ein viel zu grofses Vertrauen,
namentlich den Philofophumenen: von eindringender
Kritik fei es der Quellen, fei es der Gefchichte finden
fich kaum Spuren ; viertens endlich fucht er eine Evolution
der gnoftifchen Ideen von Simon Magus bis Valentin
nachzuweifen, die fchon deshalb ganz unrichtig ift, weil
das fpäte Syftem des Simon Magus, wie es die Philofophu-
mena bieten, an die Spitze geftellt ift, und die Syfteme
des Menander, Bafilides, Karpokrates und Valentin als
die Erweiterungen desfelben aufgefafst werden. Es ift
zu billigen, dafs der Verfaffer den Magier Simon als eine

I bedeutfame hiftorifche Perfon betrachtet; allein indem

! er das gnoftifche Syftem der Simonianer des Hippolyt an
die Stelle des Simon rückt, läfst er den Gnofticismus mit
einer Erfcheinung feinen Anfang nehmen, die im beften
Fall ein ganz fpätes Product aus gnoftifchen Kreifen ilt.

Das Alles könnte man überfehen, wenn der fpecielle
Punkt, auf den der Verfaffer feine Aufmerkfamkeit vor
Allem gerichtet hat — der Zufammenhang des Gnofticismus
mit der ägyptifchen Religion und den ägyptifchen
Myfterien — in wirklich fördernder Weife erörtert wäre;
allein ich vermag hier nichts Ueberzeugendes zu entdecken
. Zunächft ift fchon die Art, wie der Verfaffer
Simon Magus, Menander und Satornil unter den finosticisme
egyptien' bringt, höchft wunderlich, da er felbft wirkliche
Parallelen nicht aufweifen kann. Allein auch dort, wo
er folche beibringt, bei Bafilides (p. 139 f ) und vor Allem
bei Valentin (p. 281—320), dienen fie m. E. nicht dazu,
wirklich aufzuklären, da fie entweder an Untergeordnetes
anknüpfen oder — fo bei Valentin — deshalb eindrucksvoll