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Ausgabe:

1889 Nr. 7

Spalte:

185-187

Autor/Hrsg.:

Sachsse, Eugen (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

‘Halte was du hast’. Zeitschrift für Pastoral-Theologie. 12. Jahrg. 1889. 1. - 3. Heft 1889

Rezensent:

Schlosser, Georg

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185 Theologifche Literaturzeitung. 1889. Nr. 7. 186

zu erklären, und zwar nicht blofs unter der Vorausfctzung
befonders ungünftigen Zuftandes der häuslichen Erziehung
und des Religionsunterrichts in den Schulen, fondern
auch unter ganz normalen Verhältnifsen.

Aus den trefflichen Ausführungen über die zweck-
mäfsige Einrichtung der Jugendgottesdienfte fei nur das
Eine hervorgehoben, dafs fich Ref. bei aller Anerkennung
freier Bewegung in mannigfachen Bormen und des Eeft-
haltens an den allgemeinen Normen evang. Gottesdienftes
doch mit aller Entfchiedenheit für die grofsen Vorzüge
des fogenannten Gruppenfyftems ausfpncht. Die dagegen
erhobenen Bedenken werden eingehend widerlegt, wie
fie denn auch thatfächlich vor der Erfahrung nicht be-
ftehen, vor allem da nicht, wo der gottesdienftliche
Charakter im Sinne des Ref. ftreng feftgehalten wird,
und wo die Leitung, wie es fich unter diefem Gefichts-
punkt gebührt, feft in der Hand des Pfarrers liegt, und
diefer im Jugendgottesdienft mit derfelben Würde und
derfelben Pünktlichkeit amtirt, wie in jedem andern Gottes-
dienft auch.

Befonders möchte ich mich noch zu dem, was Ref.
von dem Segen der Vorbereitung der Helfer gefagt hat,
bekennen. Ich bin ficher, bei Leitern und Helfern von
Jugendgottesdienften keinem Widerfpruch zu begegnen,
wenn ich die Ueberzeugung ausfpreche, dafs die jugendgottesdienfte
gerade darin eine befondere Miffion haben;
dafs fie an ihrem Theil, wenn auch in befcheidenem
Mafse, einen Beitrag liefern zur praktifchen Löfung der
Erage der Laienthatigkeit in der Kirche und, wo in Uni-
verfitätsftädten auch die jungenTheologen (ich betheiligen,
auch der Frage nach Gewinnung des nöthigen Einfluffes
der Kirche auf die Heranbildung der jungen Theologen.

Giefsen. Gg. Schloffer.

.Halte was du hast-. Zeitfchrift für Paftoral - Theologie.
Unter Mitwirkung vieler in Wiffenfchaft und Praxis
bewährter evangel. Theologen hrsg. von Dir. Prof.
D. Sachfse. 12. Jahrgang 1889. 1—3. Hft. Berlin,
Reuther. (146 u. 29 S. gr. 8.) Vierteljährlich M. 2. —

Es war ein glücklicher Griff des Herausgebers, die
Darlegung der Art und Weife, wie diefe Zeitfchrift ihre
Aufgabe unter der neuen Leitung auffaffe, in den
Rahmen einer gröfser angelegten Betrachtung program-
matil'chen Charakters über die Frage: ,Wie hat die
evang. Kirche Deutfchlands ihre gegenwärtigen Aufgaben
zu löfen', zu faffen und damit von vornherein unter
grofse und weite Gefichtspunkte zu ftellen. Alfo nicht
die Kleinmeifterei pfarramtlicher Technik und Methodik
ift es, die fie vertreten will, fondern Handreichung will
fie thun, um das evangel. Pfarramt zu ftärken, das zu
fein und zu leiften, wozu es berufen ift, nämlich den
Mittelpunkt aller Arbeit zur Erbauung des Reiches
Gottes in der Gemeinde. Diefe centrale Bedeutung der
pfarramtlichen Thätigkeit ergiebt lieh dem Verf. aus der
Ueberzeugung, dafs auch unter den grofsen Schwierigkeiten
der gegenwärtigen Lage, die er ebenfo ernft, wie
wahr fchildert, der Kirche durch nichts anderes wieder
zu dem ihr gebührenden Einflufs verholfen werden könne,
als durch die einfache Predigt des Evangeliums von der
Gnade Gottes in Chrifto Jefu und von der Nächftenliebe.
Eine neue Beleuchtung erhält diefes altbewährte Mittel
einmal durch die entfehiedene Ablehnung der auf Gewinnung
politifchen Einfluffes für die Kirche gerichteten
Beltrebungen, fodann durch die Betonung der aus den
Verhältnifsen unferer Zeit der Predigt des Evangeliums
erwachfenden befonderen Aufgaben und Bedingungen.
Es ift in diefer Beziehung dem Herausg. hoch anzurechnen
, dafs er fich nicht fcheut, obwohl er nicht zweifelhaft
fein konnte, damit die Achterklärung für fein
Blatt von manchen zu riskiren, mit allem Nachdruck auf
die Nothwendigkeit für die evangelifche Heilsverkündigung
, fich mehr und mehr des fundamentalen Unter-
fchieds zwifchen Evangelium und Dogmatik bewufst zu
werden, wenn fie fich nicht den Weg zu vielen aufrichtig
Eichenden Herzen verbauen wolle, hinzuweifen.

Liegt fo der Schwerpunkt der Thätigkeit des Pfarrers
in der Darbietung des Evangeliums im Gottesdienft, im
Jugendunterricht, in der befonderen Seelforge, fo will
die Zeitfchrift ihr nach allen dielen Seiten dienen. Am
wenigften Berückfichtigung foll die Aufgabe der Ordnung
der äufseren Angelegenheiten der Gemeinde finden, dagegen
der Liturgik, Hymnologie, dem Chorgefang und
der kirchlichen Kunft gröfsere Aufmerkfamkeit als früher
zugewendet werden.

Exempla docent. Eine an Kürze und Prägnanz meifter-
hafte Eröffnungsanfprache über Apoftelgefchichte
3,12— 14 von Max Frommel ift Mufter und kräftige
Speife zugleich. Die Perle fämmtlicher Auffätze in die-
fen drei erften Heften ift der von Profeffor D. Köftlin
in Friedberg über ,Seelforgerlichen Krankenbe-
fuch'. Mit der ganzen Plerophorie eines erfahrenen
treuen Seelforgers verbindet er eine aufserordentliche
Feinheit und Schärfe der Begriffsbeftimmung. Die Frage:
,Was ift eigentlich die Aufgabe des Seelforgers den
Kranken gegenüber, wie weit geht die unmittelbar vom
Amt felbft vorgezeichnete und damit dem Träger des
Amtes in's Gewiffen zu fchiebende Verpflichtung-, diefe
brennende Frage will er zu einer von ihm bisher
fchmerzlich vermifsten principiellen Entfcheidung bringen.
Dies thut er, indem er mit aller Entfchiedenheit und
grofser Klarheit alles pfarramtliche Wirken unter den
Begriff der cum animarum, der ,tendenzmäfsigen zielbewußten
Einwirkung auf die einzelne Menfchenfeele
durch das Mittel des Heilsworts' ftellt, und darnach die
fpecielle Seelforge als die Anwendung der Seelforge ,auf
diejenigen im Kreife der dem Amte Befohlenen, welche
von der generellen Seelforge nicht erreicht werden, weil
fie aus irgend einem Grunde von den Quallen der genieinfamen
Erbauung abgefchnitten find', beltimmt. Ift
damit eine'fichere Grenze der Verpflichtung zur fpeciellen
Seelforge in dem Aufhören jener Behinderung gewonnen,
fo auch eine klare Erfaffung der Aufgabe, die, wie bei
der generellen Seelforge, nicht Erziclung der Bekehrung,
die allein Gott und der perfönlichen Entfcheidung zu-
fteht, fondern lediglich rechte Darbietung des Wortes
zu diefem Zwecke fein kann. Vortrefflich wird nun auf
diefer Grundlage Aufgabe und Methode des feelforger-
lichen Krankenbefuchs entwickelt, in ebenfo grofser
Nüchternheit und Klarheit, wie paftoralem Ernft und
paftoraler Weisheit. Ref. wüfste da allerwegs nichts zu-
und nichts abzuthun, es fcheint ihm überall der Nagel
auf den Kopf getroffen; und er bekennt dankbar, dafs
er lange nichts gelefen, was ihm für feine geiftliche Amtsführung
fo unmittelbar förderlich gewefen fei, als diefer
Auffatz.

Eine ähnliche Bedeutung kommt in anderer Weife
durch feine auf feine Beobachtung begründete Sach-
und Menfchenkenntnifs und feine gewiffenanfaffende
Wahrheit dem im III. Heft enthaltenen Vortrag von
Geh. Kirchenrath D. Diegel in Friedberg über:
,der Unterfchied zwifchen jüngeren und älteren
Predigern als Aergernifs und als Segen' zu.
Ref., der ihn im verfloffenen Jahre von dem hochverehrten
Redner gehört hat, hat damals mit vielen anderen
einen tiefen und nachhaltigen Eindruck davon empfangen.
Es gehört freilich die ganze Perfönlichkeit des Vortragenden
dazu, und ich kann es nicht recht beurtheilen,
ob er gelefen denfelben Eindruck machen wird. Heft
III bringt aufserdem noch zwei fehr dankenswerthe
Gaben für die Predigtarbeit in der Ephiphaniaszeit, einen
fehr gründlichen und reichhaltigen Beitrag von Prof.
Dr. Kleinert in Berlin: ,Zur homiletifchen Stofflehre
für d i e Epiphaniaszeit', und eine ,prakti fche
Auslegung von Joh. 2, 1 —11' vom Herausg. Heft II