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Ausgabe:

1888 Nr. 7

Spalte:

169-170

Autor/Hrsg.:

Denzinger, Henri

Titel/Untertitel:

Enchiridion symbolorum et definitionum 1888

Rezensent:

Mueller, Karl

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Seite 1

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169 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 7. 170

vom 14. Juni 1528 über das Pack'fche Bündnifs (de
Wette III, 340) abfchriftlich dem Cochläus mitgetheilt,
durch welchen er dann an Herzog Georg von Sachfen

römifcher Lehre gegolten, ja deffen Sammlung Pius IX.
penigiüssime suscepif, wie in dem Buche felbft als Empfehlung
zu lefen fteht. Die getroffene Auswahl der

gekommen; — die fich daran knüpfenden Ereignifse bis : Decrete erweift fich auch thatfächlich als correct römifch.

zu Luthers heftiger Schrift ,Von heimlichen und ge- ! Dies zeigt fich am deutlichften in der Beurtheilung der

ltohlenen Briefen' dürfen wir als bekannt vorausfetzen. ! fpätmittelalterlichen Synoden, z. B. in der nur theilweifen

P. wies diefe Anfchuldigung des in diefer Angelegenheit ; Anerkennung des Concils von Konftanz, der gänzlichen

felbft eine zweideutige Rolle fpielenden Gegners (vgl. ! Verwerfung des Bafeler Concils, ferner in der ganz un-

Seidemann, Lutherbr. S. 34) in einer Klagfchrift an bedenklichen Reproduction des lateinifchen Textes der

den Rath zu Nürnberg mit fcharfer Entrüftung zurück. — Florentiner Befchlüffe (p. 147 ff. 158 f.), endlich auch in

S. 80. Z. 4 von unten fchrieb Erasmus natürlich nicht: der Behandlung der 2. Synode von Lyon (p. 132 ff.),

.Melanchthon war in meiner Heimath', fondern: in fowie der 5. Lateranfynode (p. 173fr.) als zweifellos öku-

feiner Heimath. — S. 106. Den Eleutherius, an welchen j menifcher Concilien. — Anderntheils ift es überaus werth-

P. feinen dritten Brief gegen üekolampad richtet, auch I voll, dafs Denzinger in anderer Beziehung Mafs hält: nur

nur .vielleicht auf Luther' zu deuten, davor hätte Drews ! wirklich feftgeftellte Befchlüffe, nicht aber ,expositioncs

das bewahren follen, was er auf derfelben Seite aus canonmn,---parentheses, rationes additae1 gehören der

dem zweiten Brief an Oekolampad anführt und was er 1 verbindlichen Definition an (p. VII). Auf dem vati-
über die kühle Haltung Luther und den Evangelifchen ! kanifchen Concil haben viele Väter ausdrücklich gefor-
gegenüber in diefem dritten Brief ebendafelbft fagt. 1527 j dert, dafs diefe mafsvolle Meinung Denzinger's als Irrthum
ftand P. fchon längft nicht mehr fo zu Luther, dafs er j gebrandmarkt werde (Friedrich, Tagebuch, 16. April
ihn Eladhcrium siuim genannt hätte. Auch die dafelbft i 1870). Da es fich fomit erweift, dafs Denzinger bei aller
zur Auswahl aufgeftellte andere Conjectur, wonach ! correct römifchen Stellung nicht zu einer extremen Partei
unter dem Eleutherius Erasmus, als der Verfaffer der 1 gehört, wird man um fo eher berechtigt fein, feiner AusSchrift
De Hbero arbitrio, gemeint fei, ift meines Erach- ■ wähl der Decrete ein ziemliches Gewicht beizulegen,
tens ebenfowenig zutreffend. — S. Iii ff., wo P.'s — ob an I Eben wegen diefer Bedeutung, welche wir Proteftan-
lich berechtigte oder unberechtigte, laffen wir hier dahin- t ten der vorliegenden Sammlung zufchreiben dürfen, wird
geftellt — Klagen über den Sittenverfall durch die Re- es gut fein mit mannigfachen Wünfchen und Bedenken,
iormation angeführt werden, hätte es wohl nichts gefchadet, die fich immerhin aufdrängen möchten, zurückzuhalten,
nochmals fpeciell darauf hinzuweifen, dafs der Ankläger Nur zwei Bemerkungen kann Recenfent nicht unter-
hier ein Mann war, der fich felbft nicht fcheute, mit drücken. Zuerft: warum ift der Catechismus romanus,
feiner Dienftmagd im Concubinat zu leben, die ihn, der I welcher doch hinfichtlich feines fymbolifchen Anfehens
bereits die Mitte der Fünfziger überfchritten hatte, mit auf gleicher Stufe mit der p. 233 ff. mitgetheilten Pro-
einem Knaben befchenkte (vgl. S. 15). fessio fidei Tridcntinae flehen dürfte, nicht abgedruckt?
Oberrad Enders j Doch war n'er wohl nur eine praktifche Rückficht mafs-

i gebend. Wichtiger ift die zweite Frage: weshalb wird

.- die Bulle Bonifacius' VIII. ,Unam sanctamr gänzlich igno-

Denzinger, Henr., Enchiridion symbolorum et definitionum, rirt, ja fogar diejenige Stelle aus den Decreten der 5

quae de rebus fidei et morum a conciliis oecumenicis
et summis pontificibus emanarunt. Ed. 6. aucta et
emendata ab Ignatio Stahl. Würzburg, Stahel, Ii
Will, 445 S. 8.) M. 4. 60.

Lateranfynode, welche auf jene Bulle Bezug nimmt, weg-
gelaffen? Es ift nicht blofs proteftantifcher Wunfeh, diefe
Bulle als einen Erlafs ex cathedra anfehen zu dürfen.
Die deutfehen Bifchöfe haben in ihrem Hirtenbriefe vom
Mai 1871 (Vering, Archiv für katholifch.es Kirchenrecht

Dies für den Zweck von Vorlefungen römifcher . 1871, Band 26, p. XV ff.) ihrem Clerus ausdrücklich er-
Dogmatik und Moral im Jahre 1854 bereits erfchienene klärt, dafs diefe Bulle ,dogmatifch' fei; allerdings haben
Handbuch liegt jetzt in 6. Auflage vor. Dasfelbe bietet fle fich beeilt, eine fehr zahme Auslegung hinzuzufügen,
eine reiche Auswahl von Symbolen und Decreten, deren HaUfi a g_ Cand Karl MüUer

Inhalt als authentilche Darlegung der römifchen Lehre
zu gelten hat. Zum Schlufs folgt ein ausführlicher ,In-
dex systematicus inateriarum', welcher einen bequemen
Ueberblick deffen giebt, was in der römifchen Kirche
als correcte Dogmatik vorgetragen werden mag. Eine
Anleitung zur richtigen Erhebung dogmatifcher Sätze aus
den Decreten, fowie eine Skala der Bezeichnung zu ver-

Dorner, Dr. A., Das menschliche Erkennen. Grundlinien der
Erkenntnifstheorie und Metaphyfik. Berlin, Reuther,
1887. (IV, 512 S. gr. 8.) M. 9. —

Lange habe ich nach einigen Wendungen gefucht,
werfender Lehren, von den ,Haeretkai abfteigend bis zu i um den Bericht über das vorliegende Buch einzuleiten,
den .piaruni aurium offensiva1, erhält man zudem in der : ohne allzuviel von den Gefühlen zu enthüllen, welche

Einleitung (p. VI ff.) — in der bekannten fcholaftifchen
Art der kirchlichen Cenfuren.

Dies alles aber würde eine Befprechung des Buches
an diefer Stelle nicht rechtfertigen: fchätzenswerth ericheint
dasfelbe gerade für uns Proteftanten, weil es uns
die Mittel zu einer Kenntnifs der wirklich geltenden
römifchen Lehre an die Hand giebt. Nach dem Vaticanum
geht es ja nicht mehr an, fich bei Darftellung
und Bekämpfung diefer Lehre auf die ökumenifchen
Synoden zu befchränken. Aber es fragt fich: welche
päpftliche Decrete ift man als ex cathedra erlaffene herbeizuziehen
berechtigt? Eine officielle Erklärung darüber
von römifcher Seite wird man aus guten Gründen nie

mich beim Durchlefen erfüllt haben. Schliefslich fcheint
es am räthlichften, auf ein allgemeines Urtheil ganz zu
verzichten und nur zu conftatiren, dafs fchon äufserlich
die mangelhafte und, nachläffige Stilifirung erkennen
läfst, welcher Art die auf das Buch verwendete Arbeit
gewefen fei.

In der Einleitung (bis S. 39) variirt Verf. zunächlt
das alte Thema: Die angebliche Vereinigung von Dogmatismus
und Skepticismus durch den Kantifchen Kri-
ticismus, findet aber an Kant auszufetzen, dafs er trotz
Anerkennung ,des Gegenfatzes von Denken, apriorifcher
Anfchauung und Sinneserfahrung' eine ,gänzlich fubjec-
tive Erkenntnifstheorie' aufgeftellt habe. Den ,üblen

erwarten dürfen. Da ift es denn ein aufserordentlich ; Folgen' der letzteren zu entgehen, formulirt Verf. (S. 19)
günftiger Umftand, dafs wir diefe Sammlung grade von es als feine Aufgabe: ,die Faktoren unferes Erkenntnifs-
einem Manne wie dem verdorbenen Denzinger befitzen, ' Vermögens felbft feftzuftellen, um dann diefelben im
welcher als Schüler des Collegium Germanicum an der j Einzelnen darauf hin zu unterfuchen, ob fie auf ein Ob-
Ouelle gefeffen, welcher ftets als ein treuer Interpret j ject aufser dem Subject hinweifen oder nicht'. Aehnlich