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1888

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137

Titel/Untertitel:

Gregorius Abulfarag gen. Bar Ebhroyo, Anmerkungen zu den Salomonischen Schriften 1888

Rezensent:

Horst, L.

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 6. 138

137

jüdifcher Literaturwerke aus jener Zeit, welches in meiner
.Gefchichte des jüdifchen Volkes' Bd. II zufammenge-
ftellt ift, berückfichtigt und erwogen hätte. Faß alle
Analogien fprechen hier für Vifcher's Hypothefe. Bei
weitem die meiften jüdifchen Schriften von etwa 200 vor
bis 100 nach Chr. werden in der fpäteren jüdifchen Literatur
nicht erwähnt. Sie wären für uns fpurlos verloren,
wenn nicht die chriftliche Kirche üe zu eigenem Gebrauche
hch angeeignet hätte, wenn nicht chriftliche Lefer
an ihnen Gefallen gefunden, he abgefchrieben, fortgepflanzt
und — hier und da auch chriftlich bearbeitet
hätten. Ift letzteres auch nicht die Regel, fo läfst es
hch doch durch mehrere hchere Beifpiele belegen. Genau
dasfelbe würde aber, wenn Vifcher Recht hat, mit jener
jüdifchen Apokalypfe der Fall fein, welche ein Chrift mit
chriftlichen Zufätzen verfehen und dem Apoftel Johannes
zugefchrieben hätte. Gerade die Analogie mit der Ueber-
lieferungsgefchichte faft aller jüdifcher Schriften aus jener
Zeit fpricht alfo zu Gunften von Vifcher's Hypothefe.

Giefsen. E. Schür er.

Gregorius Abulfarag, genannt Bar Ebhroyo, Anmerkungen
zu den Salomonischen Schriften, hrsg. von Alfr. Rahlfs.
Inaugural-Differtation. Leipzig, 1887. [Göttingen,
Dieterich's Sort.] (IX, 29 S. gr. 8.) M. 1.50.

Herr A. Rahlfs, ein Schüler de Lagarde's, hat die
Anmerkungen des Gregorius Bar-Hebraeus zu den
falomonifchen Schriften herausgegeben. Es find diefel-
ben auf die einzelnen Bücher, Capitel und Verfe ungleich-
mäfsig vertheilt. Theologifch Intereffantes enthalten fie
nur Weniges und meiftens wohl bereits anderswoher
Bekanntes, z. B. die Bemerkungen zu der einft dogma-
tifch wichtigen Stelle Prov. 8, 22, die Verwendung von
19, 14 gegen die Dualiften u. ä. In der Exegefe herrfcht
natürlich die Allegorie. Die Anficht des Theodorus von
Mopfueftia über das Hohe Lied, welches Salomo auf die
von den Hebräerinnen verfpottete fchwarze Pharaostochter
gedichtet habe, damit fie ja nicht ergrimme und
der Friede zwifchen ihm und ihrem Vater gefährdet würde,
wird mit der Bemerkung abgelehnt, dafs im Lied doch
manches vorkomme, das fleh Salomo gefchämt haben
würde, von feiner Frau zu fagen. So geht denn auch
Cant. 7, 3 auf den geiftigen Trank und die geiftige Speife,
wie Prov. 9, 5.

Eine grofse Anzahl Anmerkungen betrifft die Lesart,
den Wortlinn und befonders auch die Vocalifation und
Ausfprache einer Reihe von Wörtern; es find diefelben
für den Kenner des Syrifchen und der fyrifchen Bibel
wichtig und machen den Hauptwerth der Veröffentlichung
auch diefes Theiles der Scholien aus.

Der Druck ift fehr correct, die Herausgabe, unter
Benutzung dreier Handfchriften, fehr forgfältig, faft
möchte man fagen allzu forgfältig. Leicht entbehrlich
wäre z. B. in den Noten die Mittheilung, dafs bet in

bapetalx (S. 19) auf gelöfchtem <" im Ms. p fteht, oder
die Befchreibung der Irrungen des Schreibers vom Ms. s
bis es ihm gelungen, ein Wort wiederzugeben, das aus
feinem Rohr nicht herauswollte (S. 2) und manches
andere. Es ift allerdings nothwendig, dafs man die Zucht
der peinlichften Genauigkeit durchmache — dabei verdient
Herr Rahlfs alles Lob —, aber mit Unwichtigem
und Unnöthigem darf man den Lefer doch verfchonen.

Colmar. L. Horft.

Radlkofer. Max. Johann Eberlin von Günzburg und sein
Vetter Hans Jakob Wehe von Leipheim. Zugleich mit
einem Ueberblick über die Bauernbewegung in über-
fchwaben im Februar und März 1525 bis zum Ausbruch
des Krieges und einer Gefchichte des Leip-

heimer Haufens. Nördlingen, Beck, 1887. (XI, 653 S.
gr. 8.) M. 9—

Fleifs und Gewiffenhaftigkeit laffen fleh dem Ver-
faffer des vorliegenden Buches, einem Lehrer in Günzburg
, dem Heimatsorte Eberlin's, nicht abfprechen; aber
fo unentbehrlich diefe beiden Eigenfchaften für den
Hiftoriker auch find, fie reichen doch, zumal für ein darfteilendes
Gefchichtswerk, keineswegs aus. Ueberhaupt
freilich hat Verf. verfäumt, fleh darüber klar zu werden,
was eigentlich zu einem darfteilenden, fpeciell biographi-
fchen Gefchichtswerke, welches formell wie fachlich ein
abgcfchloffenes Ganze fein mufs, gehört; was Radlkofer
bietet, ift kaum mehr als eine lofe Aneinanderreihung
von Notizen und Auszügen am chronologifchen Faden.
Verf. fetzt fich in der Vorrede in einen gewiffen Gegen-
fatz zu Riggenbach, der fchon im J. 1874 eine doch
recht brauchbare Biographie Eberlin's von Günzburg geliefert
hat. Aber Riggenbach ift unferem Autor nicht
chronologifch genug verfahren; jener habe, meint letzterer
, nicht nur die chronologifche Reihenfolge der Eber-
lin'fchen Schriften zu wenig berückfichtigt, fondern oft
auch die verfchiedenen Abfchnitte einer Schrift weit von
einander getrennt und hinwiederum durch Einfchaltung
verwandter Materien aus anderen Schriften die Ueber-
ficht über die gerade von ihm behandelte Schrift bedeutend
erfchwert. Allein es fragt fich, ob Riggenbach
in diefem Punkte nicht viel mehr Lob als Tadel verdient;
gerade bei einem Manne wie Eberlin, welcher überrafchend
fchnell in einer grofsen Zahl verhältnifsmäfsig umfangreicher
Schriften, die doch alle in den kurzen Zeitraum
eines Luftrums fallen, eine reiche Fülle von Gedanken
auf das Papier gefprudelt hat, in denen er in bunter
Mannigfaltigkeit alle Gebiete des kirchlichen, focialen,
wirthfehaftlichen Lebens abhandelt, wird fich der einfach
chronologifche Gefichtspunkt als Grundlage für die
Befprechung der Schriften am wenigften empfehlen,
noch dazu, wenn diefes Princip fo mechanifch und
äufserlich gehandhabt wird wie bei Radlkofer, der nicht
nur die einzelnen Schriften Eberlin's genau nach der Zeitfolge
ihrer Entftehung befpricht, fondern diefe Befprechung
der Schriften zwifchen die biographifchen
Nachrichten einfehiebt, fodafs der Faden der Biographie
alle Augenblicke durch feiten- oder bogenlange Auszüge
aus den Schriften Eberlin's unterbrochen wird. Denn
ftatt einer wirklichen Befprechung und Würdigung der
Schriften erhalten wir Auszüge aus denfelben; wo eine
Würdigung verfucht wird, befchränkt fich diefelbe meift
auf allgemein gehaltene Wendungen von Eberlin's warmem
Patriotismus, feiner grofsen Humanität und Toleranz,
feiner Erfaffung der Wichtigkeit volkswirthfchaftlicher
Fragen für das Volkswohl, feinem regen Sinn für die
geiftige, fittliche und materielle Verbefferung des Volkes.
Höchftens wird noch zuweilen — aber auch nur in der
äufserlichften Art und Weife — ein Blick auf verwandte
Lehren Luther's geworfen, eine Abhängigkeit, Ueberein-
ftimmung oder eine Abweichung von denfelben notirt.
Ueber dies befcheidene Niveau erhebt fich auch die allgemeine
Würdigung am Schlufs kaum, welche an Eberlin's
,gediegenfte' Schrift ,Wie fich ein Diener Gottes Worts in
all feinem Thun halten foll' anknüpft, um ,über die hier
aufgeftellte Theorie einen kurzen Ueberblick zu geben' und
.damit zu vergleichen, was Eberlin in beiden Schriften
an die Ulmer ausgefprochen und, nach Plitt's Einleitung
in die Auguftana 2. Theil, Luther felbft gelehrt hat'.
Radlkofer hat bei feiner Arbeit die gehaltvolle Recen-
fion vor Augen gehabt, welche Wilhelm Schum (nicht
.Schümm', wie R. regelmäfsig fchreibt!) über die Arbeit
Riggenbachs feiner Zeit veröffentlicht hat (Gött. Gel.
Anz. 1875 I S. 801—826); aber, wenn Schum bei diefer
Gelegenheit eine zufammenhängende und überficht-
liche Charaktcriftik der Perfon und geiftigen Richtung
E.'s und neben der Schilderung feiner theologi-

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