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Ausgabe:

1888 Nr. 5

Spalte:

112-113

Autor/Hrsg.:

Pecci, Jos.

Titel/Untertitel:

Lehre des hl. Thomas über den Einfluss Gottes auf die Handlungen der vernünftigen Geschöpfe und über die Scientia media 1888

Rezensent:

Nitzsch, Friedrich August Berthold

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III

Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 5.

112

Harris, Prof. J. Rendel, The Teaching of the Apostles

(z/tdax>] rcöv anoazöhiov), newly edited, with facsimile
text and a commentary, for the Johns Hopkins Uni-
versity, Baltimore, from the ms. of the Holy Sepulchre,
(convent of the Greek church), Jerusalem. London, C.J.
Clay & Sons, 1887. Baltimore, Publication Agency
of the Johns Hopkins University. (VIII, 107 S. m. 10
Lichtdr. Taf. gr. 4.) geb.

Das lebhafte Intereffe, welches die ,Didache' befon-
ders in Amerika und England hervorgerufen hat, ift in
zahllofen Abhandlungen und Artikeln zum Ausdruck gekommen
. Nun liegt in diefer Publication die Handfchrift,
d. h. der Theil derfelben, welcher die. Didache enthält,
Seite für Seite photographirt vor. Man fragt fich
angefichts diefer koftbaren Edition unwillkürlich, ob
es nicht noch würdigere Objecte giebt, denen man folche
Ehre hätte ervveifen können, zumal da die Photogramme
zeigen, wie ficher Bryennios die Handfchrift gelefen hat
(die kleinen Abweichungen findp. I2f. verzeichnet'). Allein
den Dank für das Gebotene ftört diefe Erwägung nicht:
es ift fehr erfreulich, dafs man die Handfchrift jetzt ebenfo
gut in Europa und Amerika ftudiren kann, wie in Jerusalem
, wohin fie aus Konftantinopel verbracht ift. Neu
war mir, dafs fie foviele Abbreviaturen und tachygra-
phhche Sigla enthält.

Der Herausgeber, deffen Name durch vorzügliche
patriftifche Arbeiten, vor allem durch feine Philo-Studien,
rühmlichft bekannt ift, hat die Publication durch umfangreiche
Abhandlungen eingeleitet, die mehr als 100 S. in
Quart füllen und doch wefentlich nur die Gefchichte des
Buchs zum Zweck der Feftftellung des Textes behandeln,
fowie philologifche Erklärungen wichtiger Stellen bieten.
In dem erften Capitel giebt der Herausgeber eine paläo-
graphifch genaue Transfcription des Textes, in dem
zweiten eine Befchreibung der Handfchrift fammt den
vorgefchlagenen Emendationen; in dem dritten, ausführ-
lichften, werden 27 Schriften befprochen, in denen die
Benutzung der Didache nachgewiefen wird oder die
doch von ihr abhängig fein können2). In dem vierten
Capitel werden die vier fchwierigften Stellen des Buches
ausführlich und mit grofser Gelehrfamkeit befprochen.
Der Verf. fchliefst fich hier, wie in dem fünften Capitel
{Hebraisms of the Teaching), befonders an Taylor an,
bringt aber vieles Neue und Wichtige bei. Dann folgen
zwei Excurfe über die Integrität des Buches und über
den angeblichen Montanismus in demfelben; kürzere
Noten zu einzelnen Stellen des Buches bilden den Be-
fchlufs.

Alles, was der Verf. beigebracht hat, ilt mit der
höchften Sorgfalt gearbeitet und ein würdiger Rahmen
für die koftbare Edition. Würde die Hälfte des Fleifses,
der der Didache feit ihrer Entdeckung gewidmet ift, den
übrigen urchriftlichen Schriften gewidmet werden, fo
würde die altchriftliche Literaturgefchichte im hellften
Lichte ftrahlen, während fie jetzt im Dunkeln liegt.

Marburg. A. Harnack.

Harnack, Prof. Dr. Adolf, Augustinus Confessionen. Ein

Vortrag. Giefsen, Ricker, 1888. (31 S. 8.) M. —.60.

In der erften Hälfte diefes Vortrags habe ich die
literarhiftorifche Bedeutung der Confeffionen zu charak-
terifiren verfucht; in der zweiten ift der Entwicklungsgang
Auguftin's kurz gefchildert und beurtheilt. Da über
denfelben noch viele Vorurtheile verbreitet find, fchien
es mir nicht überflüffig, ihn aufs neue zu beleuchten.
Nachdem der Vortrag niedergefchrieben war, kam mir

1) Am wichtigflen, ja eigentlich allein bemerkenswerth ift, dafs
c. 12, 3 und 13, 1 xud-rjoitai im Ms. lieht (nicht za&ijacu).

2) Hier findet fich manches Neue, doch ift das Neue problematifch.

Gallon Boiffier's Studie über Auguftin's Entwicklungsgang
{Rev. des denx mondes, I.Jan. 1888) in die Hand.
Ich freue mich der Uebereinftimmung mit dem berühmten
Forfcher in den wichtigflen Punkten. Auch Boiffier
hat bemerkt, dafs die Schriften, die Auguftin unmittelbar
nach feiner Bekehrung gefchrieben hat, bisher noch
zu wenig zur Kritik der Confeffionen herbeigezogen
worden find.

Marburg. A. Harnack.

Pecci, Kardinal Jof., Lehre des hl. Thomas über den Ein-
fluss Gottes auf die Handlungen der vernünftigen Geschöpfe
und über die Scientia media. Mit Gutheifsung des Ver-
faffers aus dem Italienifchen überfetzt von Domkapl.
Dr. Georg Triller. Feftgabe zum 50jährigen Priefter-
jubiläum Sr. Heiligkeit Papft Leo XIII. Paderborn,
F. Schöningh, 1888. (56 S. gr. 8.) M. —.80.

Wenigftens das erfte der beiden hier behandelten
Probleme gehört an fich keineswegs zu den Schrullen der
katholifchen oder proteftantifchen Scholaftik. Mindeftens
ift der (übrigens von Thomas nicht fo, fondern als influ-
xus bezeichnete) fog. göttliche concurstts nicht nur von
Schleiermacher (der ihn freilich als Inwirkung, nicht als
eigentliche Mitwirkung fafst) anerkannt, fondern auch
1 von Leibniz, Sendling u. A. erörtert worden. Eher
könnte man von der Lehre (des Molina) von einer göttlichen
scientia media behaupten, dafs fie einen fpeeififeh
fcholaftifchen Angefchmack habe. Indeffen auch diefe
wird z. B. von Dorner feilgehalten. Beide Fragen werden
nun, da dem Verfaffer ,der englifche Lehrer' unbedingte
Autorität ift, fo behandelt, dafs die dogmenhiftorifche
Interpretation und die eigene dogmatifche Entfcheidung
zufammenfallen. Das Eigenthümliche der beiden Abhandlungen
liegt aber weniger in neuen Ergebnifsen,
als in der eingehenden Auseinanderfetzung mit anderen
Thomiften oder Commentatoren des Thomas, namentlich
mit den Dominikanern Bannez (oder deffen Schule) und
A. Goudin, dem Hauptvertreter der fog. phyfifchen
Prädetermination, fowie mit demjefuiten Silvefter Maurus;
berückfichtigt werden auch Cajetan und Suarez.

Hinfichtlich des erften Lehrftücks kommt es dem
Verf. hauptfächlich darauf an, gegenüber dem vollkommen
anerkannten Grundfatze, dafs auch- unfere Handlungen
von Gott ausgehen, die menfehliche Freiheit zu
retten. Gott, lehrt er (c. 5 u. 6), die erfte Urfache, kraft
deren die Gefchöpfe als fecundäre Urfachen handeln,
kommt hier nicht als causa finalis, auch nicht als c.formalis,
fondern als c. efficiens in Betracht, d. h. infofern, als er
die Kraft bewegt und applicirt, mit welcher die Gefchöpfe
ihre Thätigkeit üben [applicat formas et virtutes
ad agendum). Aufser diefer applicatio weifs Thomas von
keinem göttlichen coneursus (c. 8 u. 9), abgefehen von
der allererften grundlegenden Bewegung des Willens.
Diefe letztere nun (c. 10) ift allerdings eine ,unfreie
Hinneigung des Willens (hier im tranfitiven Sinne) zum
Guten wie zur Glückfeligkeit im Allgemeinen', ohne
welche der Wille auch Particuläres nicht anftreben
könnte. Aber (c. 11) nachdem der Wille diefe erfte Bewegung
zum letzten Endziel im Allgemeinen empfangen
hat, bewegt er fich felbft, d. h. er geht in concreto von
felbft von der Potenz zum Acte über. Dabei bleibt jene
göttliche mithelfende Application beftehen, hingegen von
einer fonftigen Prädetermination oder Prämotion, von
einem zuvorkommenden Concurfe ift bei Thomas
nicht die Rede (c. 12 u. 13), und jede äufsere Determination
(c. 16) würde in der That die innere Indifferenz
des Willens ad utrumlibet, alfo die Freiheit der menfeh-
lichen Handlungen aufheben. Nach Thomas ift das unmittelbare
Ziel der göttlichen Einwirkung unfer Handeln;
diefes aber kann frei bleiben, weil die göttliche Einwirkung
fich der Natur der zweiten Urfachen je nach