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Ausgabe:

1888

Spalte:

98-100

Autor/Hrsg.:

Kögel, Rudolf

Titel/Untertitel:

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch. 9. Jahrg. 1888 1888

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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lieh umgearb. Aufl. Gütersloh, Bertelsmann, 1887. I welche die Kirche durch die Vernachläffigung diefes

(VII, 119 S. gr. 8.) M. 2.
Unter dem obigen, zufammenfaffenden Titel wolle

wichtigen Zweigs ihres Lebens dem Geilte Luther's gegenüber
auf fleh geladen hat. Es wird niemandem einfallen,
den Stand des Kirchengefangs und den Stand des kirch-

man uns geftatten, Verfchiedenartiges zur Anzeige zu j liehen Lebens identifch zu fetzen; dafs beides aber in
bringen, deffen Befprechung nur unter dem ganz be- | einer innigen Wechfelbeziehung flehe, ift eine Thatfache,
ftimmten Gefichtspunkt, welchen der Titel andeutet, in i die ein Blick auf die letzten Jahrzehnte jedem zur Ge-
den Rahmen einer theologifchen Literaturzeitung fällt, ; nüge beweift, und dafs die Entfremdung der Maffen, das
fo dafs wir hier von einer fachmännifchen Beurtheilung ; Verlorengehen des Gefühls für den Segen der Gemeinder
angeführten Schriften abfehen dürfen, diefe einer , fchaft und des Lebenszufammenhangs mit den Altanderen
'Gelegenheit vorbehaltend. — Dafs innerhalb der I vorderen, mit der fouveränen Vernachläffigung des cul-
evano-elifchen Kirche eine Bewegung für die Reform des 1 tifchen Lebens von Seiten derjenigen, die Gott zu
Gottesdienftes, beziehungsweife, was ja damit zufammen- Wächtern, nicht blofs zu Religionslehrern auf Kanzel und
hängt, für die Wiederbelebung und cultifche Auswerthung Katheder beftellt hat, in einem gewiffen Zufammenhange
der evangelifchen Kirchenmufik vorhanden ift und breite j flehe, wird der nicht leugnen, der weifs, dafs das Chriften-
Schichten der evangelifchen Laienfchaft ergriffen hat, J thum Lebensgeflaltung ift, diefe aber noch von anderen
dürfte keinem Theologen mehr verborgen fein. Befchäf- Kräften und Eactoren beflimmt, beeinflufst, geprägt wird,
tigt fie doch bereits feit mehreren Jahren auch die zu j als nur vom Unterricht. Die Zimmer'fche Brochure ift

darum als zeitgemäfser Mahnruf willkommen zu heifsen.
— Die beiden folgenden Schriften von Profeffor D. F.
Spitta in Strafsburg geben die wohl abgerundeten Lebens-
nach" dem richtigen Ziele hin geleitet werde, oder ob I und Schaffensbilder der gröfsten Tonmeifler, welche die
man fie anders haben möchte, genug fie ift da und hat ' evangelifche Kirche aufzuweifen hat, veranlafst durch die
zur Or^anifation des ,Evangelifchen Kirchengefang- ' Centenarfeier derfelben. Mit knappen Strichen und in

Eifenach verfammelte Conferenz der deutfehen Kirchen
regierungen. Ob man der Anficht ift, dafs diefe Be
wegung im richtigen Sinne, in den richtigen Bahnen und

Vereins für Deutfchland' geführt, der nunmehr — nach
dem in Berlin von dem Vorftande gegebenen Ausweis —
in 13 Landes- und Provinzialvereinen und 14 noch nicht
an folche angefchloffenen Ortsvereinen über mehr als

einer jedem, auch nicht fpeciell mufikalifch Gebildeten
verftändlichen Sprache wird uns die Bedeutung der grofsen
Meifter Schütz, Bach, Händel vor die Seele gefuhrt. Was
der .Vortrag' über H. Schütz gibt, ift überdies das Zu-

500 Kirchenchöre verfügt, und über das ganze evange- j treffendfte und Vollftändigfte, auch Zuverläffigfte, was
lifche Deutfchland mit Ausnahme von nur noch wenigen uns über diefen, wenig bekannten Meifter zu Geficht ge

Kirchengebieten fleh verzweigt, in welchen letzteren
übrigens die Organifation bereits im Gange ift oder doch
vorbereitet wird. Die Kirche hat ein fehr wefentliches

kommen ift, deffen Mufik, wenn irgend eine, in der
evangelifchen Kirche wurzelt und nur von diefem Boden
aus völlig gewürdigt werden kann. — Die Schrift Weber's

Intereffe daran, dafs diefe Bewegung, an der insbefondere (Mufikdirectors in Zürich) befchäftigt fleh mit der Stellung

die Laienfchaft betheiligt ift, nicht der Laune und Will- Zwingli's zur Mufik, fpeciell zur Kirchenmuflk. Verliehen

kür Einzelner verfalle, fondern allgemein kirchlichen wir den Verfaffer recht, fo fchreibt er Zwingli's radi-
Geflchtspunkten dienftbar bleibe und zum Segen der ; cales Verfahren, nach welchem er alle Mufik aus dem

Kirche ausfchlage, der wefentlich darin beliehen wird, Gottesdienfte verbannte, cinerfeits zwar der Confequenz

dafs eine Reihe von Elementen, welche abfeits von der feiner Auffaffung vom Wefen des Gottesdienftes zu,

Kirche geftanden haben, ohne gerade feindfelig gegen fie andererfeits aber auch dem Drängen feiner übereifrigen

geftimmt zu fein, dem kirchlichen Leben ihr Intereffe Genoffen, denen Zwingli's begeilterte Liebe zur Mufik

wieder zuwenden und, einmal in den Vorhof eingetreten,
auch wieder in's Heiligthum den Fufs fetzen. Aufserdem

— bekanntlich war er Kenner und Praktiker darin in
nicht geringem Mafse — ohnehin bedenklich und verbieten
fich die Kirchenchöre als die eifrigen Organe für ] dächtig erfchien. Auch Weber liefert feinerfeits den
die Hebung und Belebung des Gottesdienftes an und Beweis, dafs liturgifch-mufikalifche Armuth nicht durch
nehmen innerhalb der Kirchengemeinde auch infofern ! das Princip des reformirten Cultus gefordert fei, fo oft
eine nicht unwichtige Stellung ein, als fie natürliche | auch Einzelne diefe Confequenz aus dem Princip gezogen
Vereinigungspunkte für aufsergottesdienftliches Zu- ! haben. — Franz Magnus Böhme, der den Hymnologen

fammenkommen der Kirchengenoffen bilden, was man
in der Diafpora fchon unter grofsem Segen erfahren hat.
Es dürfte darum an der Zeit fein, dafs auch der Theologe
von Fach nicht etwa nur oberflächlich Kenntnifs nehme von
den genannten Beftrebungen, fondern fich in Stand fetze,
fie richtig beurtheilen und mit fegensreichem Erfolge für

durch feine Forfchungen auf dem Gebiete des altdeutfchen
Volksliedes wohl bekannt ift, giebt feine kurzgefafste, an
den weiteren Kreis der Mufikfreunde fich wendende Ge-
fchichte des Oratoriums in neuer, gänzlich umgearbeiteter
Auflage heraus. Bei der Bedeutung, welche dem Oratorium
als derjenigen Kunftgattung zukommt, welche

das kirchliche Gemeindeleben fich daran betheiligen zu thatfächlich gerade von den Freunden ernfter Mufik am
können. Es geht nicht mehr an, die Befchäftigung mit ! meiften gepflegt wird und Vielen das Verftändnifs für die
der Kirchenmuflk und Liturgik als eine perfönliche Lieb- ! ftrengere Kirchenmuflk vermittelt, darf auch diefes
haberei anzufeilen, es ift für jeden praktischen Geiftlichen ; Büchlein, das geeignet ift, über die Entwickelung des
Pflicht, wenigftens foweit fich damit zu befaffen, dafs er j Oratoriums in Kürze zu Orientiren, willkommen geheifsen
den an ihn herantretenden diesbezüglichen Aufgaben ■ werden.

genügen kann und nicht durch hochfahrende Indolenz
den Eifer lähme und damit — dies ift dann mehr der
Fall, als man auf feiner Studierftube meint! — Vielen
Aergernifs gebe, oder gar durch claffifche ,Kenner-Aus-
fprüche' dem Gefpötte feines Organiften verfalle. Gewifs
betont Prof. Dr. Zimmer in Königsberg einen wunden

Friedberg. Köftlin.

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch, hrsg. von Rud. Kögel,
Wilh. Baur und Emil Frommel. (9. Bd.) Bremen,
Punkt1, wenn"er~in der'rärigenj^ten%£ift, dte'aus I Müller, 1887. (V, 378 S. 8.) M. 4.

einem zu Nürnberg erftatteten Referat hervorgewachfen
ift, den Mangel liturgifcher Durchbildung und offenen
Verftändnifses für die Wichtigkeit und Kraft der Kirchenmuflk
, des Gefangs wie des Orgelfpiels, bei vielen, fonft
fehr tüchtigen Theologen beklagt und diefem Mangel

,Wer Vieles bringt, wird Manchem Etwas bringen'
und jedenfalls um fo mehr, wenn das .Vieles' nicht blofs
multa, fondern multum bietet. Auch von dem neuen
Jahrgang der Chriftoterpe kann man dies fagen, wenn
wir auch einige Defiderien in Bezug auf die Auswahl des

einen nicht geringen Antheil an der Schuld zufchiebt, 1 Stoffes ausfprechen möchten. Wir würden es z. B. für