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Ausgabe:

1888

Spalte:

57-64

Autor/Hrsg.:

Hammerstein, L. v.

Titel/Untertitel:

Edgar oder vom Atheismus zur vollen Wahrheit 1888

Rezensent:

Köhler, Karl

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Zierfchriften (in den Auffchriften mit auszeichnendem I zwifchen dem einen Blinden Luc. 18,35 una" den zwei
Drucke), dagegen ganz und gar nicht in der gewöhn- Blinden Mt. 20,30, erfährt man nicht, das johanneifche

liehen Schwabacher des Textes vorkommt. Der gewöhnliche
Wittenberger deutfehe Druck kennt wenigftens in
gewiffen Jahren nur Punkt, Komma, Fragezeichen und

Geheimnifs wird nicht einmal geftreift. Gleichviel, der
Beweis für die ,Echtheit' der neuteftamentlichen Schriften
(d. h. ihre Herkunft von den durch die Ueberlieferung

runde Klammer als Interpunktionszeichen, das Kolon ihnen beigelegten Verfaffern) und damit im Handum-
aber verwendet er dann nur in Zierfchrift ftatt des | drehen zugleich auch für ihre Wortinfpiration (welche
Komma. In Luther's Handfchrift aber ericheint meines fich doch mit der .Glaubwürdigkeit1 gar nicht ohne Wei-
Wiflens das Kolon entweder ununterfchieden vom Komma teres deckt) gilt als geführt. Noch weniger Schwierig

oder als Abkürzungszeichen. Jenes .nicht immer' erweckt
alfo irrige Vorftellungen. Diefe meine Bemerkungen
follen den Verf. bitten, feine dankenswerthen Unter-
fuchungen auf breiterer Bafis, als bisher gefchehen,
fortzufetzen.

Kiel. G. Kawerau.

Hammerstein, Prieft. L. v., S. J., Edgar oder vom Atheismus
zur vollen Wahrheit. Trier, Paulinus-Druckerei, 1886.
(Vltf, 256 S. gr. 8.) M. 3.—

Edgar, ein junger Jurift aus vornehmer proteftan-
tifcher Familie, hat in Berlin ftudiert und hier den Glauben
feiner Kindheit ohne Erfatz verloren. Durch einen Pater,
mit welchem er zufammentrifft, wird er zuerft zum Gottesglauben
, dann zum pofitiven Kirchenglauben, endlich
zum Katholicismus bekehrt und vollzieht fchliefslich
feinen Uebertritt zur katholifchen Kirche. Die mündlichen
und brieflichen Verhandlungen zwifchen Edgar
und dem Pater, welche zu diefem Ziele führen, werden
in dem Buche ausführlich dargelegt. Den Abfchlufs
bilden .praktifche Winke' über den Act des Uebertritts,
den paffenden Ort desfelben, die dabei abzulegende
Beichte u. f. w., endlich eine Auswahl katholifcher Literatur
für Proteftanten. Das Ganze ift ein Leitfaden für

geiftliche und weltliche Profelytenmacher und folche, I chrifllicher Apologetik angefehen wird,'— bietender

keit als das Neue bereitet dem Pater das Alte Teflament.
Dafs ,die vorchriftliche Exiftenz der a. t. Bücher' feft-
ftehe (S. 86), leugnet allerdings Niemand; aber dafs bereits
bei der Theilung der Reiche der Pentateuch vorhanden
gewefen fei, oder dafs die meiften Pfalmen von
David verfafst feien (S. 89), wie dann gleich in einem
Athem verfichert wird, fteht bekanntlich keineswegs ebenfo
feft. Einwendungen fteigen dem gelehrigen Jünger denn
doch auf (S. 99 ff.). Sie werden, was das Judenthum und
den Muhamedanismus betrifft, von dem Pater theilweife
gut erledigt; defto weniger Glück hat er dagegen mit
feiner Apologie verfchiedener kirchlicher Dogmen, wo
er fleh denn auch klüglich auf die Pofltion zurückzieht:
alle denkbaren Einwürfe gegen die ,Geheimnifse unferer
heiligen Religion' feien von den Theologen längft geprüft
und widerlegt, weshalb man fleh darüber völlig beruhigen
könne (S. 106). Der Vergleich der Dreieinigkeit mit dem
dreiblättrigen Kleeblatt (S. 105) beffeht nicht mit den
Formeln des Athanafianum: jede der drei Perfonen Hellt
nach dem Symbol nicht ein Drittheil der Gottheit, fondern
die ganze Gottheit dar. Was dann über dieMenfch-
werdung der zweiten Perfon gefagt wird, läfst die
Schwierigkeit ungelöfl. Zur Herftellung des Einklangs
zwifchen dem mofaifchen Schöpfungsbericht und den
Ergebnifsen derNaturforfchung— welche freilich auch von
proteftantifchen Apologeten noch für eine Aufgabe

die es werden wollen, vorzugsweife aber laut Vorwort > Pater einen neuen, von einem Ordensbruder erfundenen
dazu beftimmt, Proteftanten in die Hände gegeben zu j Behelf, den man S. 109 nachlefen mag. Anderes mufs
werden ,zur möglichft guten Orientirung über den ka- ■ nothwendiger Kürze halber übergangen werden. Alles
tholifchen Glauben', m. a. W. um Profelyten zu werben, i in Allem ift zu fagen: es wäre um die Glaubwürdigkeit
Was in den Eingangsabfchnitten zur Bekämpfung und den normativen Werth der heiligen Schrift nicht gut
der materialiftifchen Entwickelungslehre und der mo- j beftellt, wenn es keinen fehleren Grund dafür gäbe als
dernen moniftifchen Philofophie, über die Verfuche, die den hier gebotenen.

Verbindlichkeit des Sittengefetzes ohne Gott zu begrün- Das Bisherige waren nur die Präliminarien. Die

den u. A. gefagt wird, ift theilweife gut und treffend, Hauptfache folgt im dritten Abfchnitt (S. 103 ff.):
wenn auch die tiefer liegenden Fragen nicht berührt | 'Die katholifche Kirche und ihre Lehren'. .Eine der

werden. Sehr leicht wird das von dem Dafein desUcbels
in der Welt hergenommene Bedenken gegen den Gottesglauben
abgethan. Der Pater geht darüber mit ein paar
kurzen Bemerkungen hinaus, welche fleh zum Theil um
ein Haar wie Ausreden anfehen, mit welchen fich aber
Edgar ohne Weiteres zufrieden giebt. ,Der Menfchheit
Jammer' mufs dem guten Jungen noch nicht viel zu
fchaffen gemacht haben. — Nachdem die allgemein
religiöfe Grundlage mehr oder weniger ficher gelegt ift,
wird im zweiten Abfchnitt (S. 44 ff.) der pofltiv chriftliche
Boden betreten und zunächft der Beweis der Echtheit
und Glaubwürdigkeit der neuteftamentlichen Schriften

grofsen chriftlichen Confefflonen mufs das Chriftenthum
ungetrübt bieten, und welche es bietet, das mufs fich
ermitteln laffen'. Selbftverftändlich ift es nach der Ver-
fleherung des Paters die römifch-katholifche. Mit dem
Schriftbeweis für die unfehlbare Lehrautorität der Kirche,
bez. des kirchlichen Lehramts ift es freilich fchwach genug
beftellt. Aufser den Ausfprüchen über die Ausfendung
der 70 Jünger Luc. 10, 16 und der Apoftel Mt. 28, 18
bis 20, welche fchon darum nicht hierher gehören, weil
überall nur von der Mifflons-, nicht der Gemeindepredigt
und nur von den Jüngern bez. Apofteln, nicht aber
von Nachfolgern derfelben die Rede ift, am wenigften aber

angetreten. Als Beweismittel dient hauptfächlich eine ; ihnen ein Privileg der Unfehlbarkeit verbürgt wird
Reihe von Zeugnifsen aus dem kirchlichen Alterthum, auch nicht durch die Verheifsung: ich bin bei euch alle
darunter die angeblichen 7 Briefe des Ignatius und die j Tage u. f. w., hatte doch auch die fichtbare Gegenwart
gefälfehte Jofephusftelle über Jefus. Wie unfleher der Jefu bei den Seinigen diefe nicht vor Irrthümern bewahrt,
Schlufs aus den vorjuftinifchen Anklängen auf das Vor- ] welche fie nur allmählich überwanden, — ftützt fleh der
handenfein unferer heutigen kanonifchen Evangelien ift, , Verf. hier hauptfächlich auf das fog. Apoftelconcil AG. 15.
ift bekannt. Von einem Eingehen in die inneren Eigen- ! Es fei augenfeheinlich, dafs in dem Schreiben V. 23 ff.
thümlichkeiten der Evangelien nach Anlage, Abzweckung ; die Apoftel und Aelteften, d. h. Bifchöfe und Priefter,
u. f. w. und die daraus fich ergebenden Probleme ift ,als die hierarchifchen Oberen der Kirche im katholifchen
nicht die Rede. Ueber die ,Verfchiedenheiten und felbft ; Sinn' einen lehramtlichen Befcheid geben. Das nämliche
anfeheinenden Widerfprüche', die fich ,hie und da' bei , Argument hatte der Verf. fchon in feiner früheren Schrift:
den Evangeliften finden, wird Edgar mit der Verficherung ■ Kirche und Staat vom Standpunkt des Rechts, gebraucht,
beruhigt, dafs fich ,immer eine vernünftige Löfung der- ; indem er dabei V. 23 die mit der Vulgata ftimmende
felben zeige'. Dafs es fich hier noch um ganz andere j Lesart zu Grund legte: 01 utcootoXoi xcu 01 jiQtoßireQoi
Dinge handelt als die beifpielsweife angeführte Differenz 01 adeXyioi, letzteres als Appofition zu den beiden vor-