Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1888

Spalte:

636-639

Autor/Hrsg.:

Meinhold, J.

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Erklärung des Buches Daniel. 1. Hft 1888

Rezensent:

Budde, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

635

Theologifche Literaturzeitung. 18S8. Nr. 26.

636

Form zu kleiden, aus der dann jeder herauslefen kann, gen übcrfehen; doch thut dies dem Werthe des Buches
was er will und fucht, auch keine vermittelnde Hypo- ' an fich keinen Eintrag. Ebenfo halte ich es für über-

thefe aufgegriffen wird, nach welcher beide annähernd
Recht behalten, die gemeindliche Ueberlieferung fowohl
wie die gefchichtliche Forfchung. Nur einmal, ganz zu
Anfang des zweiten Theiles, bei Gelegenheit der cc. 24
bis 27, verfällt der Verf. nachträglich in diefelbe Ver-
mittelungshypothefe, mit der er Bredenkamp und A. bei
cc. 40—66 abweift: dafs das Stück auf einer jefaianifchen
Grundlage ruhen möge und diefem Umftand vielleicht
feine Einverleibung in das Buch verdanke. Es ift be-
achtenswerth, wie gefchraubt und unficher dort gleich die
Ausdrucksweife wird, eine Beobachtung, die man auch
bei anderen Schriftftellern überall machen kann, wo fie
aus Rückficht auf Andere ein Zugeftändnifs machen, das
ihnen fauer wird. Die Frage, wie jene Stücke dem Buche
Jefaia einverleibt worden, die nach der Redaction des
Buches, ift nicht befonders behandelt, eine gewiffe Lücke;

flüffig, einzelne Auslegungen und kritifche Urtheile anzugreifen
, da der Wurf des Ganzen hier allein in Betracht
kommt.

Eine Zeittafel für das Zeitalter der beiden grofsen
Propheten eröffnet (S. VIII), ein Verzeichnifs zur Auffindung
der behandelten Abfchnitte fchliefst (S. 213) das
Buch in erwünfchter Weife.

Die Ausftattung und der fehr geringe Preis verdienen
alles Lob.

Bonn. K. Budde.

Meinhold, Doc. Lic. J., [jetzt prof. extr.'J, Beiträge zur Erklärung
des Buches Daniel. 1. Hft. Dan. 2—6. Leipzig,
Dörffling & Franke, 1888. (70 S. gr. 8.) M. t. 60.
indefs bleibt kein Zweifel über des Verf.'s Grundlätze, Ein Theil des Inhalts von des Verfaffers Differtation

da er S. 86 von dem Compilator des Buches Jefaia fpricht, ; ,Die Compofition des Buches Daniel. Ein kritifcher Ver

der cc. 36—39 aus dem Buche der Könige auszog, der
cc. 13—14, 23 aus uns unbekannten Gründen für jefaia-
nifch hielt und darum unter feine Weifsagungen einreihte.
Von einem gemeinverftändlichen Buche darf man nicht
verlangen, dafs alle Einzelfragen bis in die Enden der
Möglichkeit verfolgt werden, genug, wenn die Grundfätze
die richtigen find. Dafs möglichft viel dem Propheten
belaffen wird, wie die Ueberficht zeigt, dafs nur die
durchgreifendften Merkmale zur Unterfcheidung fpäterer
Stücke verwendet, andere, wie fecundär - archaiftifche
Schreibweife, apokalyptifche Abzweckung, die Höhenlage
der religiöfen Erkenntnifs gar nicht oder nur fehr
behutfam herangezogen werden, ift darum ganz in der
Ordnung. Dafselbe gilt von der Textkritik, die übrigens
an zahlreichen Stellen mit voller Freiheit geübt wird.
Ein zweites grofses Verdienft des Buches liegt in

fuch' Greifswald 1884 wird in diefer Schrift weitläufiger
ausgeführt und hie und da etwas näher begründet: eigentlich
Neues enthält fie nicht, und nur in einem Punkte
wird die dort aufgeftellte Anficht berichtigt. Das Er-
gebnifs ift folgendes. Die Capitel 2—6 entflammen weder
, wie die Tradition will, dem Exil, wohin ihr Inhalt
verweift, noch, nach der neuerdings herrschenden kriti-
fchen Anficht, der makkabäifchcn Zeit. Vielmehr fallen
fie zwifchen jene Zeiträume: in der Differtation will der
Verfaffer ,lieber die Zeit vor als nach Alexander annehmen
' (S. 38), jetzt giebt er zu, dafs einige Anzeichen in
die makedonifche Zeit zu führen fcheinen, ohne dafs ein
Grund vorhanden wäre, unter 300—250 herabzugehen
(S. 32. 70). Seine Anficht von den übrigen Capiteln
theilt der Verfaffer mehrmals mit (S. 47 f. 69 f.), ohne fie
hier näher zu begründen. C. 1. 8—12 flammen aus der

der klaren, echt evangelifchen Stellung zu der Frage von j Makkabäerzeit; ihr Verfaffer fand c. 2—6. 7 in aramäi-
der Erfüllung der Weifsagungen. In welchem Sinne und ! fcher Sprache vor und fchrieb c. 1 als Einleitung, c. 8—

mit welchen Einschränkungen diefe zu verftehen und feft
zuhalten ift, darüber kann man z. B. S. 106, S. 112 ff. fehr
beherzigenswerthe Auseinandersetzungen lefen. Auch das
Verhältnifs zur neuteftamentlichen Erfüllung ift bei der
Abhandlung über den Knecht Jahwe's S. 175 ff. gut beleuchtet
.

Im Ganzen liegt das Schwergewicht des Buches nicht
in den zufammenfaffenden Abfchnitten über Theologie
und Charakter des Propheten — diefe find vielmehr ver-
hältnifsmäfsig knapp gehalten — fondern in der Erläuterung
und der Vermittelung eines geschichtlichen Ver-
ftändnifses der Weisfagungen felbft. Unter Pieranziehung
der Ergebnifse der Ausgrabungen am Euphrat und Tigris
und anderwärts — vielleicht hie und da mit zu enger
Anlehnung an Sayce — ift überall ein fefter geschichtlicher
Rahmen gefpannt, innerhalb deffen dann die Besprechung
der Weifsagungen in grofser Ausführlichkeit
erfolgt. Infolge diefer Behandlung kann Driver's Buch an
fchriftftellerifclier Schönheit, an Lebhaftigkeit und feffeln

12 als Erörterung von c. 7 für feine Zeitgenoffen.
Man Seht, wie gänzlich fern der Verfaffer der unkritischen
kirchlichen Ueberlieferung fleht. Er vertheidigt nicht
die Geschichtlichkeit der erften Plälfte des Buches, vielmehr
beweifen ihm gerade die vielfachen Verftüfse gegen
die Gefchichtc, insbefondere in der Königsreihe (S. 33 ff.),
dafs fie nicht der exilifchen Zeit angehöre. Ebenfowenig
vertheidigt er die zweite Hälfte als prophetifch im eigentlichen
Sinne; vielmehr erkennt er u. a. gerade darin, dafs
in c. 8—12 fo häufig die unumftöfsliche Wahrheit der
Vorherfagen und ihre ßeftimmung nicht für Daniel's, fondern
für die Endzeit betont wird, am deutlichften das
vaticinium cx eventu, welches die Mahnung zur Stand-
haftigkeit in den Kämpfen der Makkabäer durch den
Hinweis auf die Weisfagung von einem glücklichen Ausgang
unterftützen will (S. 48 ff.). So gehört ihm Deutero-
jefaia zu den exilifchen Propheten (S. 26), Pf. 145 ift ihm
ein makkabäifcher Pfalm (S. 62). So nimmt er an, dafs
der Standpunkt des Heidenthums, Jahwe als Israels Gott

der Macht über den Lefer die Vorlefungen feines Lands- i anzufehen, wie Iätar als die Göttin von Erech, Bei als
manns W. Robertfon Smith nicht erreichen, indeffen ift j den Gott Babel's, ,fich auch in der früheren Zeit der
es durchweg gut, würdig und intereffant gefchrieben. . israelitifchen Theologie nachweifen laffe' (S. 11). Bei
Für deutfehe Lefer dürfte es wohl etwas kürzer fein. einer fo freien und unbefangenen wiffenfchaftlidhen Hal-
Von Vorgängern hat Dr. natürlich die englifchen be- j tung wird man den Gründen des Verfaffers gerne folgen,
vorzugt, in erfter Linie Cheyne, mit dem er fehr häufig, ; wenn er eine von dem gewöhnlichen Urtheil abweichende
aber nie ohne felbftändige Begründung derfelben Mei- j Anficht vertritt. Der Abfchnitt könne nicht aus der mak-
nung ift, und Robertfon Smith; doch find auch auslän- 1 kabäifchen Zeit flammen, meint der Verfaffer, weil er
difche, vornehmlich deutfehe Werke in grofser Zahl | fich nicht mahnend an die Israeliten wende, fondern in
herangezogen. Dafs Delitzfch's Autorität nicht mehr für i den Spuren Deuterojefaia's die Aufgabe Israels verfolge,
die jefaianifche Abfaffung von c. 40—66 angeführt wer- ! die Heiden Gott zuzuführen (S. IO ff.). So wird denn
den dürfe, ftellt der Verf. S. 210 durch mehrere Stellen, j an zweiter Stelle (S. 16 ff.) allerdings auch Israel zu den-
u. a. feines Neuen Commentars zur Genefis, unwiderleg- : jenigen Tugenden ermahnt, die ihm für diefe Aufgabe
lieh feft. Soweit man bei einem Buche, das nur aus- ! unentbehrlich find. In erfter Linie aber fleht der Ünter-
nahmsweife die Gewährsmänner nennen kann, fchliefsen : rieht an die Heiden über diejenigen l'hgenfchaften des
darf, hat der Verf. einige neuere förderliche Abhandlun- wahren Gottes, deren Erkenntnifs ihnen noth thut: von