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Ausgabe:

1888

Spalte:

611-613

Autor/Hrsg.:

Vogt, O.

Titel/Untertitel:

Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel 1888

Rezensent:

Enders, Ernst Ludwig

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poftille fagt: ,Dies Evangelium wird heut gelefen, dafs
man das Exempel Chrifti den Chriflen einbilde und die
Faden halte, welches ifl ein lauter Affenfpiel'.
Daneben zeigen uns diefe Predigten doch auch fchon
,den ganzen Luther, feinen Glauben, fein Denken, feinen
Muth, feinen Trotz gegen Papft und Tod und Teufel'
(S. 65). Und diefe Zeugnifse find um fo wichtiger, da
wir aus diefer Zeit nur fehr wenige Predigten bis jetzt
befitzen, während wir andererfeits aus brieflichen Aeufse-
rungen Luther's wiffen, dafs er z. B. gerade im J. 1519 fehr
häufig predigte. Nun bringt uns auf einmal diefer Codex
einen Reichthum von Predigten, refp. Predigtauszüge in
einzelnen markigen Stellen aus diefem bisher fo armen
Zeitraum, nämlich 24 vom 23. Oct. bis Ende 1519, 41
vom 8. April bis Ende 1520. und 32 vom 1. Januar bis
2. Apr. 1521. — Neben (liefen Predigten befinden fich
in der Handfchrift noch theils längere, theils ausführlichere
Scholien zu Genefis c. 1 — 34, aus dem J. 1523,
deren Inhalt fich zwar mit den Predigten über 1. Mof.
{Erl. Bd. 33 und 34) und den Enarrationes in I. libr.
Mos. {Erl. opp. exeg. lat. Vol. 1—11), die Luther felbft in
den Jahren 1527 und 1544 herausgab, im Ganzen deckt,
die aber doch auch in gewiffer Hinficht von Werth find,
weil fie von einem unmittelbaren Hörer des gefprochenen
Wortes herrühren und vier Jahre älter find als der erfte
Druck.

Aufser der Befchreibung des Codex enthält die
Tfchackert'fche Schrift noch den gelungenen und unwiderleglichen
Nachweis, dafs diefe Nachfchriften wirklich
insgefammt Nachfchriften von Predigten Luther's find;
in der Handfchrift felbft find nur einige durch die Buch-
ftaben D. M. oder M. L. als Predigten Luther's gekennzeichnet
. Dem Vernehmen nach ifl man bereits mit Ab-
fchriftnahme des Codex befchäftigt, und fo dürfen wir
wohl in Bälde der Veröffentlichung desfelben in der
Weimarer Ausgabe entgegenfehen.

Oberrad. Enders.

Vogt, Pfr. Lic. O., Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel.

Im Auftrage der Gefellfchaft für pommerfche Ge-
fchichte und Alterthumskunde gefammelt und herausgegeben
. Stettin, [Saunier], 1888. (XXI, 636 S. gr. 8.)
M. 10. —

Dem Ziele, welches Nippold irgendwo der gegenwärtigen
reformationsgefchichtlichen Forfchung fleckt,
nämlich die Thätigkeit der Gehülfen und Mitarbeiter unterer
Reformation genau zu eruiren, ihre Correfpondenzen
und Schriften mit perfecter Akribie herauszugeben, —
kommen wir allmählich näher. Nachdem vor einigen Jahren
Juft. Jonas' Briefwechfel (von Kawerau) in 2 ftattlichen
Bänden erfchien, ifl nunmehr der Briefwechfel eines andern
Freundes und Helfers Luther's, Bugenhagen's, von
Vogt bearbeitet, gefolgt. Da für Beide das Arbeitsfeld
und die Wirkfamkeit verfchiedene waren, fo unterfcheidet
fich darnach auch der Stoff, den uns ihre Briefe darbieten
. Bei Bugenhagen ifl es befonders feine auswärtige
reformatorifche und organifatorifche Thätigkeit, die
uns intereffirt, feine Wirkfamkeit für die Einführung der
Reformation und die Geftaltung derfelben durch Kirchenordnungen
, namentlich in Hamburg und Lübeck, in Dänemark
und Braunfchweig; daneben kommt noch aus
früherer Zeit feine Correfpondenz mit den Strafsburgern
über die Abendmahlslehre, aus fpäterer Zeit die Briefe
bezüglich der interimiftifchen und ofiandriftifchen Streitigkeiten
, fowie der Verhandlungen über die Annahme des
pommer'fchen Bisthums Cammin hauptfächlich in Betracht:
Dinge, welche in der kürzlich unter den Schriften des
Vereins für Reformationsgefchichte erfchienenen Biographie
Bugenhagen's von Hering in präcifer, hiftorifch-
erzählender Weife dargeftellt find und für welche wir
hier ein zum Theil reiches urkundliches Material em- j

pfangen. Trotzdem ifl die Anzahl der Briefe keine befonders
grofse. Abgefehen von der bis in die Taufende
hinein gehenden und keineswegs fchon abgefchloffenen
Zahl von Briefen, welche wir von den beiden Heroen
der deutfehen Reformation, Luther und Melanchthon,
befitzen, hat Kawerau für Jonas 940 Briefe gefammelt,
während Vogt für Bugenhagen nur 304 Stücke hat aufbringen
können. Er erklärt diefe geringe Zahl daraus,
dafs Bugenhagen's Bedeutung in den Augen feiner Zeit-
genoffen und der nächflfolgenden Generation nicht ent-
[ fernt an die jener beiden Häupter heranreicht, feine
j Briefe deshalb auch nicht fo häufig durch Abfchriften
I verbreitet wurden und fich auf diefe Weife meiftens verloren
, mit Ausnahme derjenigen, welche Bugenhagen an
j Fürften — feine fächfifchen Landesherren, die anhaltini-
fchen Fürften, Chriftian v. Dänemark, Albrecht v. Preufsen

— richtete, wo ein geordnetes Kanzleiwefen die Aufbewahrung
beforgte (Vorw. S. V; vgl. Protefl. Kztg.
1888, Sp. 735). Um einige Nummern würde fich doch die
Zahl der Briefe erhöht haben, wenn Vogt confequenter
Weife alle einfehlägigen, im Corp. Ref. befindlichen
Briefe aufgeführt hätte, flatt einige blofs in der ,Chronol.
Ueberficht' am Schlufs einzureihen, z. B. den Brief Cru-
ciger's an Bugenhagen und Jonas v. 29. März 1541, fowie
die in Gemeinfchaft mit Luther und Jonas gefchriebenen
Bugenhagen'fchen Briefe an den Kurfürflen von Sachfen
v. 16. Januar 1540 und vom Januar 1541. Gänzlich ver-
mifst hat Ref. den Brief des Cordatus an Bugenhagen
vom 19. April 1537 {CR. III, 353). Auch handfehriftlich
mag noch Manches exiftiren, was fich den Nachforfch-
ungen des Herausgebers entzogen hat: fo kann Ref. auf
einige Briefe hinweifen, die er erfl nach Veröffentlichung
des Vogt'fchen Werkes in einer, wie es fcheint, von den
Reformationsforfchern bis jetzt noch nie berückfichtigten
Sammlung auf der Trierer Stadtbibliothek fand, und die
nächftens in den ,Studien und Kritiken' zur Veröffentlichung
kommen follen, nämlich ein Brief Bugenhagen's
an Kurfürfl Joachim II. von Brandenburg vom 5. October

I 1552, worin er eine Einladung nach Berlin ausfehlägt,
weil er wegen der Pefl in Wittenberg bleiben müffe, und
weiter fein Urtheil über des Stancarus chriflologifche
Meinung abgiebt; ferner ein Judicium de Locis communibus
Melanchthonis vom 16. April 1555; fowie aus einem Codex
der Wolfenbütteler Bibliothek ein Brief an Bürger-
meifler und Rath der Stadt Reval vom 17. Mai 1540,
worin er den Heinrich Bock von Hameln, der nach Reval
zum Superintendenten berufen war und dem die Wittenberger
Theologen am nämlichen Tage das auch von
Bugenhagen mit unterfchriebene ürdinations-Zeugnifs
(de Wette V, 283; CR. III. 1031) ausgeftellt hatten, noch
befonders empfiehlt.

Was nun die Bearbeitung felbft betrifft, fowie die erläuternden
Bemerkungen, welche den einzelnen Briefen
beigefügt find, fo kann Ref. darüber fich nur lobend aus-
fprechen, — nur die Correctur hätte auf einzelnen Bogen
forgfältiger fein dürfen, — und diefes Lob foll dadurch
keine Schmälerung erleiden, wenn er zum Schlufs einige
Berichtigungen und Zufätze beibringt; fie mögen dem Herausgeber
vielmehr ein Zeichen fein, mit welch grofsem
Intereffe er feine Gabe durchgearbeitet hat.

Seite 9. Nr. 5. Der Brief an Spalatin ifl fchon gedruckt
bei Weller, Altes aus allen Theilen der Gefch.,
Chemnitz 1765,1, 309. — S. 20. Nr. 8. Das Citat de Wette
II, 587 gehört nicht hierher, da der betreffende Brief bereits
1522 gefchrieben, von de Wette aber fälfchlich ins
Jahr 1524 gefetzt ifl. — S. 73 Note zu Nr. 22 lies (ft. 16.)
19. Augufl. — S. 77 Z. 22 ifl (ft. qiddem) quidam zu lefen.

— S. 78 Z. 20 ifl nach couciouari einzufchieben: id qui-
dem feci. — S. 82 Z. 3 ifl zu lefen (ft. 31. Juli) 20. u. 28.
Juli. — S. 82. Stackmann wurde nicht Auguftin Schurf's
Nachfolger, der überhaupt nicht von Wittenberg wegging
, fondern der Nachfolger Stephan Wild's, der Wittenberg
vcrliefs und wahrfcheinlich damals fchon die Stelle