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Ausgabe:

1888

Spalte:

610-611

Autor/Hrsg.:

Tschakert, Paul

Titel/Untertitel:

Unbekannte handschriftliche Predigten und Scholien Martin Luthers 1888

Rezensent:

Enders, Ernst Ludwig

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 25. 15. December 1888. 13. Jahrgang.

Wietzke, Der biblifche Simfon (Wiedemann).

Tfchackert, Unbekannte handfchriftliche Predigten
und Scholien Martin Luthers (Enders).

Vogt, Dr. Johannes Hugenhagens Briefwechfel
(Enders).

Müller, Das gute Recht der evangelifchen Lehre
von der Unio mystica (Herrmann).

Schmidt, Die Gefahren der Ritfchl'fchen Theologie
für die Kirche (Herrmann).

Schiller, Probleme aus der chriftlichen Ethik
(Lobflein).

Kollekter, Epistier og Evangelier etc. (Vogt).
Hübler, Kirchliche Rechtsquellen (Köhler).

Scheurl, Die Lehranweifung der Brandenburg-
Nürnberger Kirchenordnung (Köhler).

Mahnwort an die mecklenburgifche Landeskirche
(Köhler).

Karup und Gollmer, Die Mortalitätsverhält-
nifse des geifllichen Standes (Köhler).

Wietzke, Emil, Der biblische Simson der ägyptische Horus-

Ra. Eine neue Erklärung zu Jud. 13—16. Wittenberg,
Wunfehmann, 1888. (IV, 52 S. gr. 8.) M. 1. 40.

Der fchon durch den Namen nahegelegte Gedanke,
den biblifchen Simfon für eine Sonnengottheit zu erklären
, hat feit lange zahlreiche Vertreter gefunden, die
Anftrengungen jedoch, nun auch in jeder Handlung des
jüdifchen Helden einen Zug des Sonnenmythus nachzu-
weifen, haben wenig befriedigende Refultate ergeben.
Einen neuen derartigen Verfuch Hellt der Verf. vorliegender
Schrift an. Ausgehend nicht von den ägypti-
fchen Texten, fondern lediglich von den oft fehr kühnen
Conftructionen Teichmüllcr's über den tiefern Gehalt der
ägypt. Religion, deren Befprechung naturgemäfs nicht
hierher gehört, fucht er Simfon mit einem ägypt. Sonnen-
gotte zu identificiren und fo die Einzelepifoden in den
Capp. 14—16 des Buches der Richter zu deuten. Die beiden
erflcn Capitel fchildern nach ihm im Gewände einfacher
Volksdichtung das Verhalten des Sonnengottes
zu den drei ägyptifch-paläftinenfifchen Jahreszeiten, das
letzte das Treiben des Gottes in der Unterwelt.

Zur Stütze feiner Anficht will der Verf. eine Reihe
der in diefen Capiteln vorkommenden Namen für alt-
ägyptifch erklären. So foll WfM] "pJ? (15, 19) die Quelle
Kerers oder Chers fein, denn Kerer oder Cher fei im
Aegypt. die Unterwelt, der Bach Sorek (16, 4) bedeute
das Heiligthum des Sokar, denn bn: klinge deutlich an
nbn? Bcfitz an und p~ni» fei eine begreifliche Verfchrei-
büng aus *"ipiiD Sokar, dem ägypt. Pluto-Hephaeftos.
Delila bleibt zur Abwechslung hebräifch und bedeutet
,fachgemäfs und wörtlich' Reich der Nacht frtj Bereich
und nbib Nacht). Dafs 16, 30 berichtet, Simfon fei todt,
was mit der Sonnenidee nicht ftimmen will, liegt nur an
dem Erzähler, der des richtigen Zusammenhanges unkundig
war. Urfprünglich verjüngte fleh Simfon wieder,
wie v. 31 der Name rTDE zeige, welcher beflehe aus
ägypt. Jl/a die Wahrheit und ancJi auferftehn, fleh erheben
, demnach ,die fleh wiedererhebende Wahrheit, das
neue Leben und Licht, den vtoq Tjlioq bedeute*. Der
Verf. will für letztere Ausführung die Beftätigung der
Aegyptologen abwarten, diefelbe kann ihm jedoch hier
ebenfo wenig wie bei feinen fonftigen ägyptologifchen
Entdeckungen in Ausficht geftellt werden. Eine für die
Methodik des Verf.'s charakteriftifche Interpretation erhält
15, 16, der überfetzt wird ,Mit Chem-hors Strahl —
die Efcl — ich habe fle gebrannt; mit Chem-hors Strahl
erfchlug ich taufend Mann', nian ift nämlich eine Ver-
flümmelung des ägypt. Gottesnamen Chem-hor — davon
, dafs die Lefung des ägypt. Ideogrammes für den
Gottesnamen Chem fehr fraglich ift, findet fleh kein
Wort bemerkt — der den verjüngten Ra bezeichne, ift
alfo zu punktiren linnri, das zweite Tittn bezeichnet die

typhonifchen Gegner des Sonnengottes, da u. a. der
Efel ,das geheiligte Thier und Bild des urböfen Typhon
war*.

Der Verf., der fehr beftimmt auftritt und die Simfon-
frage durch feine Forfchung für gelöft hält, erklärt fleh
am Schluffe für gefafst auf den Widerwillen dogmatifcher
Vorurtheile, tröffet fleh aber mit dem heiligen Auguftin
und Hieronymus. Allein nicht nur ,dogmatifches Vor-
urtheil' wird fleh gegen die vom Verf. beliebte For-
fchungsmethode und gegen feine Textinterpretationen
erklären. Auch wird die Zahl derer nicht grofs fein, die
in das Selbfturtheil des Verf.'s (p. 51) einltimmen Reiches
Licht verbreitet fleh durch diele Unterfuchung aufs
Neue über die Mythologie und Theologie des geflammten
Alterthums!'

Bonn. A. Wiedemann.

Tschackert, Prof. Dr. Paul, Unbekannte handschriftliche
Predigten und Scholien Martin Luthers, aufgefunden, be-
fchrieben und unterfucht. Berlin, Reuther, 1888. (IV,
72 S. gr. 8.) M. 2. —

Die letzten Jahre haben manchen neuen Luther-Fund
zu Tage gefördert, welche der in Angriff genommenen
Weimarer krit. Gefammtausgabe von Luther's Werken
zu gute kommen werden. Gerade Nachfchriften von
Predigten Luther's find fo zahlreich aufgefunden worden,
dafs man faft über einen embarras de riehtsse klagen
könnte. Nachdem Ref. in der 2. Aufl. der Vermifchten
Predigten der Erlanger Ausgabe drei Wolfenbütteler
Codices edirt hatte, fand Buchwald in Zwickau eine
ganze Reihe von Bänden mit Predigten, welche Steph.
Roth und Andr. Poach gefammelt, fowie Ref. felbft nachträglich
in Heidelberg 10 Foliobände mit Predigt-Nach-
fchriften aus den 1530c' Jahren, worüber Buchwald in
feinem Vortrage ,Die Lutherfunde der neueren Zeit',
Zwickau, 1886. eingehender bereits berichtete. Aufserdem
könnte Ref. aus andern Handfchriften noch manche unbekannte
Luther-Predigt nachweifen. Werthvoll, wenn
auch mehr oder minder, find diefe Funde insgefammt,
fle werden aber alle an Bedeutfamkeit übertroffen durch
den neuerdings von Tfchackert in der Königsberger
Stadtbibliothek gemachten Fund, welcher die ältefte
handfchriftliche Sammlung von Predigten Luther's ift,
indem fle, bereits im J. 1523 abgefchloffen, Predigten aus
der Zeit vom 23. Octbr. 1519 bis 2. April 1521, bis zur
Abreite nach Worms, alfo aus der Zeit des werdenden
und in fleh reifenden Reformators bietet. Mit manchen
Anfchauungen ficht er noch im Alten, fo wenn er am
17. Febr. 1521 in dem vierzigtägigen Fallen Chrifti noch
ein Vorbild findet, dafs die Zahl von uns auch gehalten
würde, während er bald darauf in der Kirchen-

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