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1888 Nr. 23

Spalte:

563

Titel/Untertitel:

Die Vollführung des Geheimnisses Gottes. Erklärung von Offenbarung Johannis Cap. 10-22 1888

Rezensent:

Holtzmann, Oskar

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563 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 23. 564

erfit nach Ekedahl's Differtation erfchienene Commentar
Heinrici's zum 2. Corintherbrief den Verf. davon überzeugt
, dafs fich fehr gewichtige Gründe gegen diefe Beziehung
vorbringen laffen.

Marburg i. H. Lic. Adolf Link.

Vollführung, die, des Geheimnisses Gottes. Erklärung von
Offenbarung Johannis Cap. 10—22. Von Johannes
Eremita. Gütersloh, Bertelsmann, 4888. (IV, 80 S.
gr. 8.) M. r. 20.

Diefer im Dienfte der fogenannten Schrifttheologie
ftehende Commentar ift eine Ergänzung des nachgelaffenen
Werkes von J. T. Beck, Erklärung der Offenbarung Johannis
Cap. 1 —12, das J. Lindenmeyer herausgegeben
hat. Der Verfaffer fucht das Verftändnifs der Apokalypfe
dadurch zu fördern, dafs er das Babylon des biblifchen
Buches mit dem Jerufalem der Endzeit einerfeits und der
ganz verweltlichten Kirche andererfeits identificirt. Diefe
verweltlichte Kirche wird in Cap. 11 vom letzten Heile
ausgefchloffen, da der äufserc Vorhof des Tempels den
Heiden gegeben wird. Das fiebenköpfige Thier ift ein
Totalbild des Weltreiches, wie die Chriftusgebärerin
Cap. 12 ein Totalbild der Gottesgemeinde alten und
neuen Teftamentes und von Cap. 14 ab Babylon ein
Totalbild aller Verwcltlichung der Kirche ift. Die heben
Köpfe des Thieres, Cap. 17 als Könige gedeutet, bedeuten
die nebenfache Entfaltung des einen Weltreichs.
Der fechfte, welcher ift, bedeutet das römifche Weltreich;
der hebente, der nur kurze Zeit bleibt, ift Napoleon;
die Gleichfetzung des achten mit dem Thiere felbft und
einem der heben früheren weift auf eine künftige Erneuerung
des römifchen Weltreiches zur vollen Verkörperung
des Weltreiches überhaupt hin. Was die Zahl
666 bedeute, das zu erkennen überläfst der Verfaffer der
Zukunft. Der Pfeudoprophet ift die gottfeindliche Lehrmacht
, die erft nach dem Hingang der beiden Zeugen
Cap. 11 zur vollen Entfaltung und engen Verbindung
mit dem letzten Auffchwunge des Weltreiches kommt.

Der ganze Commentar ift von heiligem Ernfte getragen
, wie man ihn bei Beck und feinen Schülern gewohnt
ift; doch dürfte die Exegefe bei den gewagten
Aufhellungen des Verfaffers eingehender und gründlicher
fein. Wenn nach der Vorrede die Kürze des Ausdruckes
dem Bedürfnifse nicht fachmännifch gebildeter Lefer ent-
fprechen foll, fo mufs Referent bekennen, dafs grofse
Knappheit nicht immer von allen verttanden wird; und
wenn hch der Verfaffer rühmt, alles Phantaftifche entfernt
zu haben, fo ift es bekanntlich Gefchmacksfache,
was einer für phantaftifch hält. Kirchliches Chriftenthum
wird durch diefe Exegefe nicht gefördert, da nach dem
Verfaffer die echte Gemeinde in diefer Weltzeit je länger
je weniger gefchloffene Körperfchaften bildet und ihm
die Geftaltung der kirchlichen Thätigkeit auf Gewinnung
des grofsen Haufens ein Merkmal der entarteten Gemeinde
ift. Dazu vergl. Apok. 7" {(>■/.}.<-g nnliq). Auffallend
find zwei Ausdrücke: S. 11 Z. 3. v. o. gebärt lt.
gebiert (vergl. ftiehlt, wirft, ftirbt); S. 22 Z. 3 v. o. und
S. 30 Z. 3 v. u. vermehrt ft. vervielfacht (122 + 1000 =
1144; 4J + 100 = 116).

Schliefslich fei es erlaubt, darauf hinzu weifen, dafs
die Harnack-Vifcher'fche Annahme eines jüdifchen Kerns
der Apokalypfe eine merkwürdige Beftätigung durch die
Thatfache erhält, dafs die griechifche Schreibung des
Namens EAIOC KAICAJ' (=Caligula) den Zahlwerth 616 I
ergiebt. Nun vergleiche man Cap. 13 mit Philo's legatio
ad Gajum (Krankheit; Vergötterung und Gottesläfterung;
Kaiferbilder) und denke auch an die Münzprägung
Agrippa's L Endlich konnte aus 616 leicht 666, fchwerer
616 aus 666 werden.

Grofs-Gerau. Lic. Oscar Holtzmann.

Lea. Henry Charles*), A History of the Inquisition of the

Middle Ages. In three volumes. New-York, Harper
& Brothers, 1888. (XIV, 583; 587 u. 736 S. 8.)

Diefes Buch ift eine der bedeutcndflcn Bereicherungen
der kirchcngefchichtlichen Literatur, die uns das Jahr
1888 gebracht hat, eine umfaffendere, gründlichere und
überfichtlichereBehandlung des darin behandelten Gegen-
ftandes, als wir fie bisher befafsen.

Das erfte Buch, — jedes der drei Bücher füllt einen
Band, — hat die Ueberfchrift ,Urfprung und Organifation
der Inquifition'. Der Verf. beginnt aber mit einer Dar-
Itellung der in der mittelalterlichen Kirche herrfchenden
Mifsbräuche mit befonderer Hervorhebung des dadurch
bewirkten Antagonismus zwifchen Geiftlichen und Laien.
Daran fchliefst fich eine überfichtliche Darflellung der
mittelalterlichen Ketzereien mit Hervorhebung ihrer anti-
clericalen Tendenz, worauf im 3. und 4. Capitel die
i Katharer und die Albigenferkriege behandelt werden.
; Das 5. Capitel giebt eine kurze Darflellung der Bekämpfung
der Ketzereien von den älteften Zeiten an.
Das 6. handelt von den Bettelordcn, in welchen die Inquifition
vorzugsweife ihre Organe fand. Im 7. wird dann
die Gründung der Inquifition berichtet, Capitel 8—14 eine
eingehende und anfehauliche Schilderung ihrer Organifation,
ihres Verfahrens und der von ihr verhängten Strafen gegeben
. — Das zweite Buch behandelt die Inquifition in den
. einzelnen Ländern, in Languedoc, Frankreich, Spanien,
i Italien, Dcutfchland und Böhmen. In diefem Bande wird
u. a. über die Thätigkeit der Inquifitorcn Nie. Eymcrich,
Petrus Martyr, Konrad von Marburg und Johann von
1 Capiflrano berichtet, ferner über das Verfahren gegen
David von Dinant, Amalrich von Bena und ihre An-
i hänger, gegen Petrus von Osma, Mcifter Eckart, Gregor
von Heimburg, Johann von Wefel und Reuchlin, be-
fonders ausführlich über Hus und die Hufiten. — Im
dritten Buche werden ,befondere Felder der Thätigkeit
der Inquifition' befprochen, Capitel 1—3 die Spiritualen
(Joachim von Flora, Petrus Joh. Olivi, Arnold von Villanova
u. f. w.), die Wilhclmiten (Gerhard Segarelli, Fra
Dolcino) und die Fraticellen (Marfilius von Padua, Wil-
i heim Occam, Michael von Cesena), Capitel 4 und 5 die
,politifchen Ketzereien' u. a. die Stedinger, Cola di Rienzo,
Savonarola, und die aus politifchen Gründen eingeleiteten
Inquifitionsproceffc gegen die Templer und die Jungfrau
; von Orleans, Capitel 6 und 7 Zauber- und Hexcnwefen,
Capitel 8 Glauben und Wiffen (Roger Baco, Averrhois-
mus, Raymund Lullus, Picus von Mirandola, Petrus Pom-
ponatius u. f. wi). —- Gute Inhaltsverzeichnifse und ein
fehr ausführliches Regiftcr erleichtern die durch die
übrigens ganz zweckmäfsige Dispofition des Stoffes
I einigermafsen erfchwerte Auffindung der Einzelheiten.
Das Werk beruht auf einem fehr ausgedehnten und
forgfältigen Studium der gedruckten und einiger ungedruckten
Quellen feinige Stücke aus diefen find am
i Schluffe jedes Bandes abgedruckt) und der vorhandenen
j Literatur, auch der deutfehen bis in die neuefte Zeit
herab. Dabei ift die Darflellung durchaus objectiv. Der
Verf. fagt mit Recht in der Vorrede: Kein gefchicht-
liches Werk fei werth, gefchrieben oder gelefen zu werden
, wenn es nicht ein Moral enthalte; aber diefe Moral
müffe fich in dem Geifte des Lefers entwickeln, ohne
ihm aufgedrängt zu werden. Das gelte namentlich
von einem Gegenflande, wie der von ihm behandelte
fei. Er habe darum feine Darflellung nicht durch
Moralifiren unterbrochen; aber er würde fürchten, feinen
Zweck verfehlt zu haben, wenn er die Thatfachen nicht
fo dargeftellt hätte, dafs die darin liegende Lehre von
felbft hervortrete. — Auf Einzelheiten einzugchen, ift hier

*) Der VertafTer nennt auf dem Titelblatte folgende früher von ihm
veröffentlichte Werke: An historical skttch of sacerdotal celibaey, Supci-
stition and force, Sludies in Church History.