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Ausgabe:

1888 Nr. 22

Spalte:

554-555

Autor/Hrsg.:

Deyander, Ernst

Titel/Untertitel:

Konfirmationsgabe 1888

Rezensent:

Lindenberg, H.

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 22.

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fordern, dafs womöglich jeder cultifclien Handlung we- i
nigftens einige Worte freier Anfprache vorausgefchickt
oder eingefügt werden folltcn, fei es auch nur, um den ;
Theilnehmenden deutlich zu machen, dafs Alles Gcfagte
vollkommen ernft gemeint ift, als Sache der Ueberzeu-
gung, dafs es fich nicht nur um ein Abmachen herkömmlicher
Formen handelt, bei denen Niemand fich
etwas zu denken brauche. Man wird es fo als einen
Nothfland bezeichnen müffen, wenn etwa wegen Ueber-
bürdung des geiff.lich.en Amts oder wegen anderweitiger
mifslichcr kirchlicher Einrichtungen das nicht möglich in.—
Referent glaubt die Sammlung von 30 Leichenreden,
welche PaftorD. Woltersdorf aus den letzten fünfzehn
Jahren feiner Amtsverwaltung in Greifswald veröffentlicht
hat, empfehlen zu dürfen als beachtenswerthe Bei-
fpiele, wie man, ohne viel zu'predigen, den Zweck
der Rede erreicht, indem man möglichft die Sache felbft
predigen läfst und nur bemüht ift, was fie predigt, ohne 1
viel rednerifchen Prunk, recht klar und wahr, durch Einfachheit
eindringlich hervorzuftellen. Auch hinfichtlich
der Leichenreden hat z. B.Ehlers neuerdings den Wunfeh
ausgefprochen, dafs die Zahl derfelben vermindert wer- 1
den, öfter rein liturgifche Feier an deren Stelle treten
möchte, unter Hinweis namentlich auf die Schwierigkeit,
die es für viclbcfchäftigte Geiftliche oft hatte, den Ver-
dorbenen fo kennen zu lernen, dafs er mit genügender
Sicherheit ins Individuelle eingehen könne; wozu komme,
dafs mancher Lebenslauf wirklich wenig Charakteriftifches
biete u. a. m. — Es läfst fich nicht leugnen, dafs die
vorliegenden Reden relativ recht günftigen Verhältnifsen
ihre Entftehung verdanken. Die crflen derfelben find
nach fiebenjähriger Amtsverwaltung in derfelben Gemeinde
gehalten; die mäfsige Gröfse der Stadt erleichtert
Bekanntwerden mit den Einzelnen. Dazu handelt
es fich natürlich durchweg um Perfonen in hervorragender
Lebensftellung : Rathsherren, Univerfitätslehrer, I
höhere Beamte etc. und deren Familienangehörige; zwei
Geiftliche, von denen hier der Stettiner Prediger Schiffmann
als in weiteren Kreifen bekannt genannt fei. Perfonen
in geringerer Lebensftellung werden meift fchwerer
dem Geiftlichen fo genau bekannt werden, auch nicht
fo leicht charakteriftifch hervortretende individuelle Züge
bieten. Hier wird es aber auch dem geiftigen Stande
der Zuhörerfchaft ganz angemeffen fein, wenn die Rede
minder knapp in Worten die Empfindungen zum Ausdruck
bringt, welche jeder Trauerfall von Art des vor- ]
liegenden wecken mufs, wie die Mahnungen und Trö-
düngen, welche Gottes Wort für folchen bereit hat.
Mit andern Worten: hier ift etwas ,predigen' nicht von
Uebel; nur dafs es auch hier in befcheidenem Umfang
fich halte. Mit Recht rechnet aber doch Nitzfeh — pr.
Theol. § 393 — zum Kern der kirchlichen Begräbnifs-
feier auch dies: ,dafs der Perfon des Abgefchiedenen
irgendwie in Liebe Erwähnung gefchehen mufs', und
fagt ,wir begleiten den cntfcelten Leib in fortgefetzter
Liebe zu dem ganzen Mitchriften und Mitmenfchen'.
Solche Liebe fordert, wie ein äufseres Bild, welches uns
die leiblichen Züge des Entfchlafenen fefthält, fo noch
mehr, gerade im Augenblick des Abfchieds, ein geiftiges
Bild des Abgerufenen, welches uns die Züge hervortreten
läfst, die ihn uns der Liebe und des Andenkens
werth machen. Und es mufs uns viel werth fein, dafs
die herrfchende Sitte nur aus dem Munde des Seel-
forgers, und im Lichte der chriftlichen Glaubenswahrheit
ein folches Bild richtig zu empfangen vermeint. In den
vorliegenden Leichenreden wird, meine ich, auch der
Lefer, welcher keinen der Verdorbenen näher kannte,
wohl bemerken, wie forgfältige Pflege der feelforgerifchen,
wie auch amtlicher und perfönlicher Beziehungen, verbunden
mit gewiffenhafter Erkundigung nicht nur bei
den Hinterbliebenen — die ja fehr feiten in der Stimmung
fein werden, dem Fragenden vollfländige, in aller
Hinficht genügende Auskunft zu geben — fondern noch

mehr bei Anderen, welche die Verdorbenen vermöge
perfönlicher und amtlicher Beziehungen genauer kannten,

— ermöglicht haben, ganz individuell gefärbte, bei aller
liebevollen Schonung, wie fie felbdverdändlich geboten
war, doch wahrhaftige Bilder der Entfchlafenen zu geben
und wie die ernde Mahnung, welche der Todesfall bringt,
wie der Trod chridlicher Hoffnung, für welchen er empfänglich
macht, eben dadurch fo eindringliche Kraft
erhalten, dafs fie fo eng mit dem Individuellen ver-
fchmolzen find, mit den Empfindungen und Gedanken,
welche der concrete Fall natürlicherweife wachruft. —
Referent felbd würde wahrfcheinlich bisweilen fchärfer
auf gewiffe Zeitmängel hingedeutet haben; ob das aber
weifer gewefen, darüber läfst fich fchwer rechten. Jedenfalls
würde ich Seite 11 datt ,wie dürften wir fagen, dafs
er ein gröfserer Sünder war, als irgend wer von uns'
nur etwa gefagt haben ,wer bürgt uns, dafs nicht mancher
von uns ebenfo viel Schuld auf fich geladen'.
Auch hätte wohl etwas mehr auf die fpeeififeh kirchliche
Bethätigung chridlicher Frömmigkeit hingewiefen werden
dürfen — etwa da, wo es im lobenden Sinne gefchehen
konnte. So wichtig es id, den Schein zu vermeiden, als
ob wir die Frömmigkeit einfeitig nach der ,Kirchlichkeit
' beurtheilten —■ welcher Fehler zu grofsem Schaden
unferer Wirkfamkeit uns Padoren nur allzu nahe liegt

— fo dürfen wir doch die lädige Mühe nicht fcheuen,
auf die Bedeutung der kirchlichen Bethätigung jeweilig
hinzuweifen. Solche kleinere Differenzen follen aber
nicht hindern, hervorzuheben, dafs die vorliegende Sammlung
recht geeignet id, auch über den Kreis der Näher-
dehenden hinaus — für welchen fie natürlich zunächd
bedimmt id — Intereffe zu erwecken!

Weitenhagen bei Greifswald. Lic. Vogt.

Dryander, Konfid.-R. Pfr. Ernft, Konfirmationsgabe. Drei
Reden über Konfirmation und Liturgie. Berlin, Fr.
Schulze's Verl., 1888. (38 S. gr. 8.) M. —. 60.

Die Vorausfetzung, von der Verf. diefer drei Reden
ausgeht, ift leider richtig, dafs es bei einem grofsen Theil
der Gemeindeglieder an dem rechten Verdändnifs der
kirchlichen Handlungen und Ordnungen fehlt. Es ift
daher unzweifelhaft ein Recht der Predigt, bei gegebener
Gelegenheit, die Bedeutung der kirchlichen Handlungen
der Gemeinde nahe zu legen, das Verdändnifs für den
liturgifchen Theil des Gottesdiendes zu wecken. Diefcm
Zweck dienen die beiden letzten der hier gebotenen
Reden über die Bedeutung, die Feier und den Segen
der Confirmation und über Gang und Bedeutuug der
Liturgie im evangelifchen Gottesdiend. Namentlich die
letztere, die in einfacher lichtvoller Weife den Gedankengang
der einzelnen Stücke des Gottesdiendes vom Sur-
sum corda bis zu den Fürbitten am Schluffe verfolgt,
dürfte manchen Laien anregen, im Gottesdiend noch
etwas anderes zu fuchen als nur ,diefen oder jenen Prediger
zu hören'. Ebenfo ift den eindringlichen Ausführungen
der zweiten Rede über die Pflicht chridlicher
Erziehung, die die Kindertaufe in fich fchliefst, über das
neue Band, das das abgelegte Confirmationsbekenntnifs
zwifchen dem Confirmanden und feinen Angehörigen
knüpft, über den Mifsbrauch der vielfach üblichen häuslichen
Confirmationsfeier wie über den Segen des recht
verftandenen und in Erinnerung behaltenen Confirmations-
gclübdcs möglichft allgemeine Beherzigung zu wünfehen.
Dafs in diefen beiden Predigten die vorangedellten Texte
(in der zweiten fogar ein Doppcltext! —) nur als Motto
dienen und nur gelegentlich flüchtig wieder geftreift
werden, findet feine Entfchuldigung in dem Gegendand;
in Rückficht darauf id auch wohl der Ausdruck .Predigten
' vermieden.

Ganz anderer Art ift die erde Rede, bei der Confirmationsfeier
in diefem Jahre gehalten. Ref. fteht nicht
an, diefelbe als ein Müder homilctifchcr Kund und feel-