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Ausgabe:

1888

Spalte:

551-552

Autor/Hrsg.:

Warneck, G.

Titel/Untertitel:

Kirchenmission oder freie Mission? Eine Antwort auf die Frage: In wieweit ist die Eingliederung der Mission in den amtskirchlichen Organismus berechtigt und ausführbar? Vortrag 1888

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 22.

552

Der Herr Verf. hat fein Büchlein fo eingerichtet, dafs
auf der linken Seite das lateinifche Original, auf der gegenüberliegenden
Seite die deutfche Ueberfetzung desfelben
in dem gleichen Versmafs fteht. Das Lateinifche, nicht
das Deutfche, ist Original; das Deutfche, nicht das Lateinifche
, ift Ueberfetzung. Die Schönheit des Originals
wird allerdings durch die Uebersetzung nicht immer erreicht
; der Unterfchied des poetifchen Wertes tritt uns
befonders im Hymnus De passione Domini S. 8 ff. entgegen
. Nur bei einem Hymnus, in jeder Beziehung die
Perle der fchönen Sammlung, bei dem Hymnus in Christum
, S. 58 ff. ift die Entfcheidung fchwer, ob dem Original
oder der Ueberfetzung der Vorzug zu geben fei.

FünfFefthymnen eröffnen die Sammlung: Weihnacht,
Charfreitag, Oftern, Himmelfahrt, Pfingften werden behängen
. Der Hymnus In nativitate Domin nebft der
Ueberfetzung in Stabreimen ift uns ein guter Bekannter;
in des Herrn Verf.'s fchöner epifchen Dichtung: ,Heri-
man, der Weftfale' haben wir an ihm uns bereits erfreut.
Auf die Fefthymnen folgen zwei, welche die Sakramente,
Taufe und Abendmahl, zum Gegenftande haben. Die
Hymnen In gloriam Dei, De fiducia Dei, In Christum,
Domine fac salvum imperatorem, Hymnus auctumnalis
fchliefsen fich an und befchliefsen das Buch.

Selten wird uns fo eigenartige Gabe geboten; feiten
auch kann man an einer poetifchen Gabe mit fo unge-
theilter Freude fich erheben.

Marburg. Achelis.

War neck, Dr. G., Kirchenmission oder freie Mission? Eine
Antwort auf die Frage: In wieweit ift die Eingliederung
der Miffion in den amtskirchlichen Organismus
berechtigt und ausführbar? Vortrag auf der sächsischen
Provinzial-Miffions-Konferenz. [Aus: ,Allg. Mif-
fions-Zeitfchr.'] Gütersloh, Bertelsmann, 1888. (31 S.
gr. 8.) M. — 50.

So oft Dr. Warneck über Angelegenheiten der
Heidenmiffion feine Stimme erhebt, kann er auf eine
grofse und aufmerkfame Zuhörerfchaft rechnen; die Mif-
fionsfreunde find eben von vornherein gewifs, in fachkun-
digfter Weife den Gegenftand behandelt zu fehen. Eine
fehr intereffante akademifsche Frage behandelt der Herr
Verf. auch in diefem auf der fächfifchen Provinzial-
Miffions-Konferenz gehaltenen Vortrag. Der einzige Fehler
desfelben fcheint dem Referenten der zu fein, dafs die
Frage nicht als akademifche, fondern als brennend praktische
Frage behandelt ift. Wenigftens gilt dies von dem
Haupttheil des Vortrags (S. 4—r8), worin die Möglichkeit
befprochen wird, dafs die Leitung der bereits beftehen-
den Milfionen in die Hände kirchlicher Organe gelegt
werde. Wer in aller Welt denkt denn daran, mit
folcher Möglichkeit Ernft zu machen? Und doch fpornt
Dr. Warneck fein Streitrofs zu mächtigen Sätzen und
kämpft mit gewaltigen Hieben nach rechts und links, als
gelte es, eine nahe bevorftehende Vergewaltigung der
Miffions-Grfellfchaften feitens der kirchlichen ,Bureau-
kratie' noch rechtzeitig zu pariren. Es werden die unleidlichen
Mifsftände erwogen, die fich einftellen würden,
wenn die Vergewaltigung würde vollzogen fein. Man
freut fich beim Lefen in der Stille, dafs folche Gefahren
nicht vorhanden find und in abfehbarer Zeit auch nicht
eintreten werden. Praktifcher ilt die zweite Möglichkeit
S. 18—21), dafs man eine neue kirchliche Miffion (z. B.
Oftafrika, vgl. auch Büttner: Die Kirche und die Heidenmiffion
1883) ins Leben zu rufen gedenkt, welche unter
kirchenamtlicher Oberleitung fteht; ebenfo die dritte
Möglichkeit, welche bekanntlich Wirklichkeit in der rhei-
nifchen und Leipziger Miffion geworden ift, dafs man den
kirchlichen Organen nur ein gewiffes Mafs der Theilnahme
an der Miffionsleitung eingeräumt fehen will. Wir über-
laffen es Andern zu beurtheilen, wie weit die Vorfchläge

Dr. Warneck's in diefer Beziehung praktifch find; uns
will es allerdings fcheinen, als ob den kirchlichen Organen
fehr viele Pflichten für die Miffion auferlegt, aber
fehr wenig Rechte eingeräumt würden. Im übrigen audiatur
et altera pars Von evangelifchem Kirchenbegriff
aus wird es nicht zu leugnen fein, dafs die Kirche als
fölche die Miffion in den Bereich ihres Intereffes zu
ziehen, alfo auch in ihren Organen wefentlich an der Leitung
der Miffion mitzuwirken hat. Ob das unter völliger
Sanktionierung des unter ganz anderen kirchlichen Ver-
hältniffen gefchichtlich Gewordenen möglich ift, wird dann
eine weitere praktifche Frage fein.

Marburg. Achelis.

Im Süden Indiens. Bilder aus Stadt und Dorf nach den
Jugenderinnerungen eines Hindu. Aus dem Englifchen.
Bafel, Miffionsbuchhandlg., 1888. (176 S. m. Illustr. 8.)
M. 1. 20; geb. M. 2. —.

Eine treffliche Miffionsfchrift liegt in dem Büchlein
vor. An dem Faden einer fingirten Lebensbefchreibung
werden mit grofser Anfchaulichkeit die Religion der Hin-
du's, wie fie im praktifchen Leben fich kundthut, die
Sitten und Gebräuche des Volkes, die Familienverhält-
niffe und das öffentliche Leben vorgeführt, durch einfache,
aber wohlgelungene Illuftrationen unterftützt. Die Ver-
ficherung des Herausgebers, dafs die Erlebniffe nach hundertfachen
Beifpielen lebenswahr gefchildert feien, wird
auch dem Lefer, der die Wahrheit der Behauptung durch
eigene Erfahrungen nicht zu kontrolieren vermag, durch
den Eindruck des Büchleins, den einfachen, pfychologifch
trefflich gezeichneten Lebensgang des Flelden der Ge-
fchichte beftätigt.

Das Büchlein ift aus dem Englifchen überfetzt; es
lieft fich, wie ein urfprünglich deutfehes Buch. ,Englifchc
Bücher find nicht immer nach deutfehem Gefchmack;
aber ,Evcry-Day Life in South-Indiat hat Anfpruch darauf,
auch deutfche Lefer zu befriedigen', — fo fchliefst das
Vorwort. Das ift wahr.

Marburg. Achelis.

Woltersdorf, Paft. Dr. Th., Leichenreden, Greifswald,
Bamberg, 1888. (V, 126 S. gr. 8.) M. 2. —.

Rothe (Flthik III § 1185) erhebt gegen die evan-
gelifchen Gottesdienfte die Anklage: es werde zu viel in
ihnen gepredigt — und noch jetzt wird diefer Gedanke
öfters geäufsert, auch von folchen, die nichts von Rothe's
Vorgang darin wiffen. Es ift das m. E. ein, in gewiffer
Hinficht wahres, in der Hauptfache aber fehr irreleitendes
Wort. Wahr, infofern oft zu viel Worte daran verwendet
werden, die chriftlichen Lehren und daran fich
fchliefsende Mahnungen den Gemeinden immer wieder
vorzutragen und einzuprägen. Sehr irreleitend, infofern
man die Folgerung gezogen hat: weniger freie An-
fprachen bei den Gottesdienften und Cultushandlungen;
mehr nur in liturgifcher Form. — Gewifs müffen liti.tr-
gifch feite Gebete, Voten, Bekenntnifse gebraucht
werden — um den Verfammelten zum Bewufstfein zu
bringen, dafs die Erbauung ftattfindet auf dem Grunde
des Gemeinglaubens, wie er in den, zum Theil fchon aus
alter Zeit übernommenen, jedenfalls für die ganze Kirche
des Landes gemeinfam geordneten liturgifchen Stücken
fich ausprägt. Aber das verhehle man fich doch nicht:
ihren Höhepunkt erreicht die feierliche Erhebung für
die Hörer wie für den Redner immer nur bei freier, nie
bei formularifch gebundener Rede und Gebet. Und wer
etwas davon weifs, wie fremd innerlich das Bewufstfein
der gegenwärtigen Gemcindeglieder den letzteren meiften-
theils gegenüberfteht, und wie auch im günftiger fchei-
nenden Fall in Wirklichkeit oft nur ein rein paffives
Verhältnifs ftattfindet: der wird fich gedrängt fehen zu