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Ausgabe:

1888 Nr. 22

Spalte:

550-551

Autor/Hrsg.:

Thikötter, Jul.

Titel/Untertitel:

Halleluja. Lateinische und deutsche Hymnen 1888

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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549 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 22. 550

Langheinrich, Ffr. Friedr., Der 2. Brief St. Pauli an die
Corinther. Line biblifche Faftoraltheologie. Stuttgart,
Waag, 1887. (X, 219 S. gr. 8). M. 4.50, geb. 6.—

Ein jüngerer Pfarrer, welcher, um von der Weisheit
des Apoftels für feine eigne Amtsführung zu lernen, den

zweiten Corintherbrief vom paftoral - thcologifchen Ge- Recht; nur der habe ein Recht zu ftrafender Fredigt,

zeit der Gemeinde möglichft zu einer Freudenzeit machen
müffe, indem er's der Gemeinde zum Bewufstfein bringt,
was fie alles fchon Gutes habe kraft ihrer Einpflanzung
in Jefu Chrifto (S. 45). Wie crnft ift die Warnung vor un-
evangelifchemGeift in der Strafpredigt; jüngeren Predigern
verbietet der Herr Verfaffer fie gänzlich mit vollftem

flchtspunkte aus durchgearbeitet hat, bietet in diefem
Buch allen Amtsgenoffen den Ertrag feines Studiums
dar. Uas allgemeine Urtheil über feine Gabe kann in
der That nur der Ausdruck des Uankes für diefe Gabe
fein, und zu dem Dank gefeilt fleh der lebhafte Wunfeh,
dafs diefelbe von vielen Pfarrern und Kandidaten eingehend
möchte verwerthet werden. Wir lernen einen
Mann kennen, der einer reinen fchönen Begeiflerung für
die heil. Schrift und für fein Amt fähig ift, der lauteren,
edlen Sinnes des Apoftels Gedanken und Verhalten fleh
zu Nutze macht und mit einer rücksichtslofen Unbefangenheit
das Licht des apoftolifchen Wortes in alle
Verhältniffe des evangelifchen Pfarramtes, feien fie per-

der längere Zeit in wirklicher Geduld und Treue und
Liebe an einer Gemeinde gearbeitet habe, und auch der
habe fich zu hüten vor Verleugnung des neuteftament-
lichen Geiftes. Ob fo geftraft fei, das werde er nach
der Predigt inne in der weichen und wehmüthigen Stimmung
, die feine Seele bewege (S. 42). Wie freudig und
unbefangen tritt er dafür ein, dafs es weit lebensvoller
fei, immer wieder auf das perfönliche Verhältnifs der
Gemeinde und ihrer einzelnen Glieder zu dem einigen
Heiland Jefus Chriftus aufmerkfam zu machen und fich
dafür zu ereifern, als nur um den fogenannten ,reinen
Bekenntnifsftand' zu kämpfen. Denn in dem Kampfe
um den fogenannten ,reinen Bekenntnifsftand' wird gar

fönlicher oder fachlicher Art, hineinleuchten läfst. zu leicht das perfönliche Verhältnifs zu Jefu überfehen

Weder mit dcrEinzelexegefe noch mit der Gefammt- | und der ,objective' Glaube erhält fchliefslich ein gröfseres

auffaffung des kirchlichen Amtes kann der Referent fich
allerdings völlig einverftanden erklären. In der Einzel-
exegefe folgt der Herr Verf. von Hofmann, und in Betreff
des kirchlichen Amtes exiftirt für ihn Höfling nicht.
Der Pfarrer ift ihm ohne weiteres der Amtsnachfolger der
Apoftel, der Diener Jefu Chrifti, der Knecht Gottes; der
Diener Chrifti darf und foll auf die vollkommene Richtigkeit
und Verläffigkeit feiner Predigt pochen, er darf
und foll auf die nach allen Seiten hin ftrahlende Klarheit
feiner Lehre verweifen (S. 33); wir Prediger find die
Mittelsperfonen, durch welche Gott felbft zur ganzen
Menfchheit redet, die unmittelbaren Vollzugsorgane
Gottes, des Höchften (S. 94), lediglich Bevollmächtigte
und Beauftragte Gottes (S. 93) u. f. w. Allein diefe nach
unfercr Meinung falfche Höhe bringt den Verf. nicht zu
Fall; es ift die Macht des reinen Idealismus, oder wir

Lob als der fubjective und individuelle. Der rechte ,Bekenntnifsftand
' ift ja ohnehin gegeben und wahrt fich
von felbft, fobald nur Jefus felbft den Seelen theuer ift
als der einige Heiland und Erretter' (S. 167).

Vor folchen reinen evangelifchen Gedanken vergeht
die Freude, mit dem Herrn Verfaffer um einzelne Unge-
nauigkeiten und Widerfprüche zu rechten, welche fich
allerdings in ziemlich grofser Zahl nicht nur in der ,Einleitung
' finden. Eid nüchternes kritifches Durchlefen
feines Buches wird dem Herrn Verfaffer und dem Lefer
diefelben leicht kenntlich machen.

Die Betrachtung jedes der 13 Kapitel beginnt mit
einer Paraphafe des Textes; wir hätten lieber eine gute
Ueberfetzung an deren Stelle gefehen, wozu das Meifter-
werk Weizsäckers in feiner Ueberfetzung des Neuen Tefta-
mentes dem Herrn Verfaffer als Mufter hätte dienen

fagen beffer: des vor der Wahrheit des Evangeliums i können. Ein bedenklicher Fehler des Buches, der, wir

in Lauterkeit fich beugenden Sinnes, welcher ihn über
Abgründe hinüberträgt und, die Confequenzen folcher
Anfchauung ihm verbergend, ihn auf richtigen Weg zurückleitet
. Er verkennt nicht, ,dafs uns auch von der
Seite des uns fo nothwendigenAmtsbewufstfeins her doch
eine grofse Gefahr droht, nämlich die Gefahr der Selbft-

fürchten, der Verbreitung fehr hinderlich fein wird, ift
die Redfeligkeit des Herrn Verfaffers. Die Vorrede S.
V—X hätte dem Gedanken nach auf einer Seite Platz
gefunden, und eine Betrachtung über einen einzelnen
Brief von 219 Seiten in grofsem Lexikonformat durch-
zulefen, dazu bedarf es mehr Mufse, als jedem zu Geüberhebung
' (S. 66). Die Autorität der Apoftel fleht 1 böte fleht. Weniger würde viel mehr gewefen fein. Auch
und fällt mit dem Innewohnen Chrifti in ihnen, fie wird [ ein Regifler über die Hauptmaterien wäre fehr erwünfeht.
nicht fchon erhalten durch eine äufsere Inflitution und j Marburg Achelis
Ordination; und ein eigentliches Recht zu demfelben heiligen
Selbstgefühl hat doch nur derjenige Prediger des Thikötter, Jul., Halleluja. Lateinifche und deutfehe Hym-
Evangehums, m welchem Chriftus felbft wohnt, durch I nen Brcmcn< Heinsius, 1888. (IV, 84 S. 8.) M. 1. 80;
welchem Chriftus felbft redet, und das Kriterium davon
ift, dafs er befcelt ift von dem Drange, der Menfchen
Seelen zu fuchen und feiig zu machen (S. 18). Auch dürfen

wir es nie vergeffen, dafsunfere Gemeindeglieder, fo fie an- hier auf evangelifchem Boden ein neues Reis. Die Mutter
ders von Herzen gläubig find, dem einigen Herrn Jefus in | hat fich ihrer Tochter nicht zu fchämen; an Lebendig-
ihrem Glauben ebenfo nahe flehen, wie wir felbft, dafs fie
diefelben Glaubensvorrechte anzusprechen haben, wie wir.
Im übrigen verwerthet der Herr Verfaffer die hohe Meinung,

geb. M. 2. 50.
Die mittelalterliche lateinifche Hymnendichtung treibt

keit und Tiefe des religiüfen Gefühls flehen Thikötters
Hymnen den heften der mittelalterlichen Dichtung nicht
nach; an evangelifcher Lebensfrifche, an keufcher Wahrweiche
er von feinem Amte hegt, zur Einfchärfung der haftigkeit, an religiöfer Reinheit übertrifft die Gabe des
Vorficht im Wandel, der Reinheit der Gefinnung, des Herrn Verfaffer's feine römifchen Vorbilder.
Gefühls der Verantwortlichkeit. „Siehe zu, du Diener 1 Nur ein Lied ift in antikem, dem alcäifchen, Metrum
Jefu Chrifti, um der Ehre deines Herrn willen, dafs du j gedichtet, das deutfehe Herbftlied am Schlufs der kleinen
allerwege lauter und rein bift, dafs, wenn deine Seele | Sammlung; ein anderes, ein Wcihnachtslied, in deutfehem
und dein Geilt fo gefchieden und auseinander gelegt Stabreim. Die zwölf lateinifchen Hymnen find nach dem
werden könnten, wie dein Leib durch einen Schwerthieb Strophenbau von Stabat »toter, Dies irae u. f. w. gehaltet,
gefpaltcn und dein Inneres aufgedeckt werden kann, wie jene gereimt und nach der Betonung, nicht nach der
auch die böswilligfte Unterfuchung der Welt nichts Un- i Quantität, gemeffen; grofse Freiheit in der grammatifchen
reines und Unlauteres in dir finden kann" (S. 27). Wie Konftruktion zeichnet diefe wie jene aus. Wer klaffifches
fchön ift die Ausführung S. 29 f. über das Vertrauen, Latein für allein berechtigt hält, mufs auf kirchliche
das der Pfarrer feinen Gemeindegliedern entgegen zu Hymnen verzichten; klaffifche Sprache, klaffifches Metrum,
tragen hat (S. 30), dafs er darnach zu trachten habe, auch klaffifche Grammatik paffen eben nicht zu chriftlich-kirch-
der Mann ihres Vertrauens zu werden, dafs er feine Amts- | lichem Inhalt.