Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1888

Spalte:

532-533

Autor/Hrsg.:

Spurgeon, C.H.

Titel/Untertitel:

Illustrationen und Meditationen oder Blumen aus dem Garten eines Puritaners. 2. Aufl 1888

Rezensent:

Hartung, Bruno

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

53i

Theologifchc Literaturzeitung. 1888. Nr. 21.

532

(1. welchen) eine gevviffenlofe Demokratie und Demagogie
in unteren Tagen das Volk füttert, fie haben den
Jefuitismus zum Vater; die jeweilige Regierungsform nur
Laune und Gutdünken des fouveränen Volkes; jede beliebige
Aenderung derfelben ein Recht der Menge: darin
gipfelt die jefuitifche Staatsweisheit' (S. 145. 146). Die
Früchte diefer ,Staatsweisheit' liegen nirgends klarer zu
Tage, als in Frankreich, das, feitdem mit Hülfe der ,bons
pcres' der Gefellfchaft Jefu die Reformation graufam unterdrückt
worden ift, zwifchen brutalem Despotismus und
fcheufslicher Revolution ruhelos hin- und herfchvvankt.
Ift es in den anderen romanifchen Ländern in Südeuropa
und Südamerika, mit Ausnahme Italiens, wo bekanntlich
der kirchliche Einftufs auf ftaatliche Angelegenheiten gleich
Null ift, viel beffer? ,Auch der Blödefte wird zugeben,
dafs gerade die romanifchen Länder, in welchen die Reformation
blutig unterdrückt wurde, Herde der Revolution
find und bleiben, folange die römifche Kirche die
Nothwendigkeit einer durchgreifenden Erneuerung nicht
einfieht und Ernft damit macht, folange der jefuitifche
Sauerteig Leben und Lehre vergiftet' (S. 154). Diefer,
in ihren fegensreichen Folgen alfo gekennzeichneten
Lehre von der Volksfouveränität fcheint nun die andere
politifche Lehre des Ordens von der Allgewalt und
Unfehlbarkeit des Papftes, die feit dem 18. Juli 1870 höchft
merkwürdiger Weife ein bei Verluft der ewigen Seligkeit
für wahr zu haltender Glaubensfatz der römifch-ka-
tholifchen Kirche geworden ift, entfchieden entgegen zu
ftehen. Sie fcheint nur entgegen zu flehen, in Wirklichkeit
ift fie eben fo revolutionär, wie jene. Sehr gefchickt
beruft fich der Verf. für diefen .revolutionären Charakter
' des Unfehlbarkeitsdogma^ auf die vom Cardinalbi-
fchof Raufcher verfafste Erklärung der Gegner derfelben,
zu denen aufser Raufcher auch fo hoch angefehene kirchliche
Würdenträger wie Dupanloup, Ketteier, Strofsmaier
und Hefele gehörten. ,Evident ift', heifst es da, ,dafs
jeder Katholik, der durch den Glauben an die Unfehlbarkeit
fich leiten läfst, ein geborener Feind des Staates
ift, da er fich im Gewiffen für gebunden erachtet, foviel
er kann, dazu beizutragen, dafs alle Völker und Reiche
dem Papfte unterworfen werden' (S. 167). So damals
noch Raufcher! Nach und nach haben fich die in ihrer
Meinung von den Jefuiten abweichenden, von (taatlicher
Seite leider nicht unterftütztcn Kirchenfürften alle .lobens-
werth' dem Spruche Roms ,unterworfen' und nun herrfcht
Todtenftille innerhalb des Riefenbaues der römifch-ka-
tholifchcn Kirche! Der Jefuitismus hat am 18. Juli 1870
feinen glänzcndften Sieg gefeiert, der mannhafte Proteft
der Altkatholiken aber hat, obwohl ein fo ausgezeichneter
Mann wie Döllinger an ihrer Spitze Band, nicht
den Anklang gefunden, der ihm zu wünfchen gewefen
wäre.

Wir haben uns bei diefen beiden wichtigften Abfchnit-
ten abfichtlich länger aufgehalten, weil vor allem in ihnen
der Nachweis der Identität des Jefuitismus und Katholizismus
fo nachdrücklich geliefert wird, dafs er jeden
nur einigermafsen unbefangenen Lefer überzeugen und
zwar vollßändig überzeugen mufs. Wir faffen uns jetzt,
um den uns geüatteten Raum möglichB inne zu halten,
kurz. Die ,jefuitifche Marien-Heiligen-Reliquienverehrung
und Verwandtes' (S. 170 — 227) wird in
kräftigen Zügen gefchildert und der Wahrheit gemäfs
auf den heidnifchen Urfprung und Charakter der Heiligenverehrung
hingedeutet. Die Pädagogik der Jefuiten
(S. 227—258), zu deren CharakteriBik das treffliche,
f. Z. von dem Referenten in diefer Zeitung befprochene
Werk von Kelle über die Jefuitengymnafien in Oeßer-
reich gefchickt benutzt iß, wird auf ihren richtigen Werth
eingehend geprüft und gerecht beurtheilt, wenn Eifele
fagt: ,Es wird auf den Schein gearbeitet, ein blendender
äufserer Firnis foll die innere Hohlheit
und Leere verhüllen' (S.251). Für die Jefuitenfchulen
wird zu allen Zeiten mehr oder weniger jenes Urtheil

des Ordensgenerals FYanz Retz in Geltung bleiben, dafs
,viele Schüler ungebildeter in den Wiffenfchaften aus den
Jefuitenfchulen hervorgehen, als fie waren, wenn fie den-
felben übergeben worden find' (S. 252. Vgl. Kelle, S.
217). Der achte Abfchnitt (S. 258—318) giebt eine lehrreiche
Ueberficht der Gefchichte des Jefuiten Ordens
und feiner gegenrefor m atorifche n Wirk-
famkeit. Hochintereffant iß eine Notiz, die unfer fleifsig
fammelnder Verfaffer an diefer Stelle in einer Anmerkung
beibringt. Sic lautet: ,Mit Genehmigung des gegenwärtigen
Papßes Leo XIII. haben die J. alle von Clemens
XIV. herßammenden Handfchriften, Bullen, Breven
und Decrete, welche fich auf die Aufiöfung des Ordens
beziehen, aus den päpßlichen Archiven hervorgefucht
und vernichtet' (S. 318. A.). So macht man Gefchichte!
Die Aufhebungsbulle felbß ßeht übrigens, hoffentlich
wohlgeborgen, im vierten Bande der Fortfetzung des
Bullariunt Komamim p. 607—618. Hiernach iß die von
der Niederländifchen evang. Gefellfchaft veranßaltete
Editio Saecularis {Arnhemiae ed. G. W. van der Wiel &
Socü 1873) beforgt, die zu befitzen Ref. fich glücklich
fchätzt.

Nur kurz werden die Miffionen der Jefuiten (S.
319—327) in aufserchrißlichen Ländern behandelt. Von
der Wiederherßellung des Jefuitenordens, feiner
gegenwärtigen Stellung in der Kirche und der
neuen r ö m i fc h - ka tho Ii fc hen Gegenreformation
handeln der zehnte (S. 328 — 335) und elfte Abfchnitt
(S. 336—355). Im Schlufsworte (S. 356—363) finden wir
die Ergebniffe der wahrlich fehr zeitgemäfsen .Studie'
zufammengefafst, woraus fich die proteßantifche Gegenwehr
von felbß ergiebt. Der Verf. findet fie weder in
der Hülfe des Staates, noch in Trennung von Kirche
und Staat, noch in der Hammerßein'fchen gröfseren Freiheit
und Selbßändigkeit der Kirche, fondern vor allen
Dingen in der treuen Pflege des göttlichen Wortes und
lebendigen Glaubens an den ,darin geoffenbarten Gottes-
und Menfchenfohn' in der Gemeinde, ,wo Kirche und
Schule ihre Pflicht zu thun und jenes wahre, erlöfende
Chrißenthum zu pflanzen haben, das nicht weltflüchtig
iß, fondern in treuer Berufsarbeit den Willen Gottes erkennt
'. Indeffen genügt das allein nicht! Gegen die di-
recten Angriffe Roms find auch directe Gegenmittel zu
ergreifen. ,Und hier iß nun der Punkt, wo die Thätig-
keit des „Evangelifchen Bundes" einfetzen mufs'. Mit
einer warm empfundenen Empfehlung defselben fchliefst
das inhaltreiche, vortrefflich gefchriebene, tactvoll gehaltene
Buch, deffen letztes Wort das alte, echt proteßantifche
Lutherwort iß:

,Das Reich mufs uns doch bleiben!'
Crefeld. F. R. Fay.

Spurgeon, Pred. C. Tl., Illustrationen und Meditationen oder
Blumen aus dem Garten eines Puritaners. Deßilliert
und dargeboten. 2. Aufl. Hamburg, üncken Nachf.,
1888. (VIII, 352 S. 8.) M. 2. 25.

Bei früheren Arbeiten hatte Spurgeon die 22 Bände
Predigten des Puritaners Thomas Manton kennen und
fo hoch fchätzen gelernt, dafs er fagt: .Prediger, die
Manton nicht kennen, brauchen fich nicht zu wundern,
wenn fie felbß unbekannt find1. Spurgeon hat nun im
vorliegenden Bande 377 Metaphern befonders packender
Art aus Manton's Predigten ausgefchrieben und zu Texten
kleiner Betrachtungen gemacht. So iß ein Andachtsbuch
cntßanden, welches in der Form an Scriver's .Zufällige
Andachten' erinnert, aber aufserdem ,zur Hilfe für
Prediger und Lehrer beßimmt iß, indem es diefelben mit
Parabeln und Vergleichungen verlieht'.

Zu letzterem Gebrauch möchte ich ihm keine Verbreitung
wünfchen. Wer erß das fehr genaue Regißer
am Ende durchblättern mufs, um fich Bilder für feine