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Ausgabe:

1888 Nr. 21

Spalte:

526-528

Autor/Hrsg.:

Doncieux, George

Titel/Untertitel:

Un Jésuite homme de lettres au dix-huitième siècle 1888

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 21.

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ciell Mab. (2,211), keine Janfeniften im eigentlichen Sinne.
Innocenz XI. äufserte wiederholt, es gebe in Frankreich
keine Janfeniften, denn als folche könne man doch nur
diejenigen bezeichnen, welche gegen die Bullen gegen
Janfenius Oppofition machten. So war auch der Abbe
de Rance kein Janfenift, obfchon er in einem vertraulichen
Briefe der Erklärung, er habe das Formular unterzeichnet
und fei bereit, es nochmals zu unterzeichnen,
falls der Papft oder fein Bifchof diefes verlange, die
andereErklärung beifügt, er fei überzeugt, dafs diejenigen,
welche man Janfeniften nenne, riont point de mauvaise
doctrinet. Die Jefuiten und ihre Anhänger gebrauchten
aber das Wort Janfenift in viel weiterer Ausdehnung.
Sie nannten ja auch Innocenz XI. fo, und Br. (1, 37)
gefteht, die Mauriner feien als verkappte Janfeniften angeklagt
worden ,wegen ihrer Freundfchaft mit mehreren
der Herren von Port-Royal, wegen ihrer Hinneigung zu
dem, was man damals die Freiheiten der gallikanifchen
Kirche nannte, und wegen der oft eingeftandenen Vorliebe
einiger für die ftrengeren Lehren' (im Gegenfatze
zu der laxen Jefuitcnmoral). An einer anderen Stelle
(2,215) bemerkt er: ,Sie liebten die Jefuiten nicht und
wurden von ihnen nicht geliebt'. Das war damals voll-
ftändig ausreichend, um Janfenift genannt zu werden.
Br. fügt mit Recht bei, die Mauriner hätten fich mit
wenigen Ausnahmen (Gerberon wird 1, 38 ganz kurz erwähnt
) von der Hitze des Kampfes fern gehalten. Wenn
er fortfährt: ,Die Unterwürfigkeit der Benedictiner im
allgemeinen war Rom bekannt, welches niemals duldete,
dafs die mitunter gegen fie gerichteten Angriffe über
die Grenzen der Freiheit der Discuffion hinausgingen,
deren man fich zu bedienen ein Recht hat, fo lange die
höchfte Autorität nicht entfehieden hat', fo hat er dabei
wohl die Thatfache im Sinne, dafs die Schriften der
Jefuiten gegen die Ausgabe des Auguftinus in den Index
kamen, was Br. erwähnt, ohne auf jene Schriften irgendwie
einzugehen.

Bemerkenswerth ift, was Br. 2,214 erwähnt, dafs
Mab. 1699 einem Freunde fehreibt, er wiffe aus guter
Quelle, dafs fechs Jefuiten mit einer ftrengen Prüfung der
von den Maurinern veröffentlichten Schriften befchäftigt
feien, noch bemerkenswerther, was Br. nicht erwähnt,
dafs die 1690 von Alexander VIII. verdammte Thefe
eines Jefuiten: ,Der Menfch ift weder im Anfang noch
im Verlaufe feines fittlichen Lebens verpflichtet, Gott
zu lieben', von Mab. in Rom denuncirt worden war,
und dafs man auch von der gleichzeitig verdammten
Lehre von der ,philofophifchen Sünde' in Rom durch
Mab. Kcnntnifs erhalten hatte, der davon in einem Briefe
an Sergardi fagt, fie werde vertheidigt ab Iiis patribus,
quorum moralis tlieologia bonos mores pessimo veneno
jamdiu comipit*). Wenn Mab. anderfeits 1698 dem Cardinal
Colloredo fchrieb, der Papft müffe die Bollandiften
fehützen und die Aufhebung des durch die Carmeliter
erwirkten Verbotes von 14 Bänden der Acta Sanctorum
durch die fpanifche Inquiütion verlangen (l, I46; Index
2, 271), fo zeigt das, dafs fein Gegenfatz gegen die Lehre
der Jefuiten ein rein fachlicher war.

Br. erwähnt die freundfehaftlichenBeziehungen Mab.'s
zu den Cardinälen Cafanate, Slufius und Noris, zu dem
Erzbifchof Le Tellier von Reims und dem Bifchof Col-
bert von Montpellier, zu Nicole, Duguet, Burlamacchi,
l iamon (1, 244), Pouget (nicht Pougez 1, 245) und van
Buscum (1, 276; diele drei fehlen bei ihm im Regifter).
Duguet, dem ,famofcn Janfeniften', den man nicht ganz
zutreffend den ,Fenelon von Port-Royal' genannt hat
(1,215), legte Mab. das Manufcript feiner Abhandlung
De cultu Sanctorum ignotorum vor und änderte es nach
feinen Bemerkungen (2, 220). Alle diefe Männer galten
damals als Janfeniften. Br. theilt (1, 277) zuerft den Brief
mit, worin die Stelle vorkommt: ,Zu Ypern habe ich

*) Oöllinger-Reufch, Moralftrciligkeiten S. 79.

die wiederhergeftellte Infchrift auf dem Grabe des Janfenius
gefehen [die erfte war auf Betreiben der Jefuiten
entfernt worden]; ich habe das Grab mit Weihwaffer
befprengt. D. Lucas [d'Achery] wird Ihnen diefe Grab-
fchrift und zwei, welche die Jefuiten gegen fein Andenken
gemacht, gefchickt haben'.

Naiv ift die Bemerkung 2, 217: das Wohlwollen,
welches der fchärffte Gegner des Janfenismus unter den
Päpften, Clemens XL, den Benedictinern und fpeciell
Mab.,,welcher der perfönliche Freund mehrerer Janfeniften
war, wenn er ihre Irrthümer nicht theilte', ftets bewiefen
habe, ,genüge allein, das Andenken des Urhebers der
Bulle Unigenitus gegen die Anklagen zu vertheidigen,
welche die voreingenommenen oder verirrten Geifter gegen
ihn vorgebracht'. Dom Denys de Sainte-Marthe, der
in dem Streite Mabillon's mit Rance für jenen eingetreten
war, wurde 1720, obfchon er fich der Appellation gegen
die Bulle angefchloffen, zum Superior der Mauriner gewählt
(2, 216), und in dem Kampfe gegen die Bulle und
die Jefuiten, der darauf folgte, fpielten mehrere Mauriner
eine hervorragende Rolle. Br. durfte darüber mit
einigen Worten hinweggehen (2, 273. 374), da Mab. die
Bulle nicht mehr erlebte.

Etwas ausführlicher hätte Br. von dem Gutachten
reden follen, welches Mab. als neu ernannter Confultor
der Index-Congregation über die Schriften des Ifaac Vof-
fius abgab (1,418; 2, 39. Index 2, 115).

In Brieten aus Rom fprechen Mab. und fein Reifegefährte
M. Germain ihre Verwunderung darüber aus,
dafs Innocenz XI. nichts thue, um feine PYeude über die
Aufhebung des Edictes von Nantes kundzugeben (1,399 •
Br. erwähnt nicht, dafs er ein Tedeum halten und ein
Freudenfeuer abbrennen liefs. Intereffante Mittheilungen
über die letzten Lebensjahre Innocenz' XI. finden fich 2,
28 ff. 36 ff.

Zu der Notiz (2, 317), Mab. und Ruinart hätten zu
Strafsburg einmal aus Neugierde ,öffentlich, ohne fich zu
verbergen', dem lutherifchen Gottesdienfte beigewohnt
(zu Toul wohnten fie in der Synagoge der FAier des
Laubhüttenfeftes bei), macht Br. die Bemerkung: er wiffe
nicht, ob jetzt in Frankreich etwas der Art würde ge-
fchehen können, ohne Scandal und Gerede zu erregen.
— Unrichtig ift die Angabe 1,211, die Assemblee du
clerge von 1700 habe die gallicans outres und quelques
propositions relächees, prises dans les oeuvres de Jesuites
peu connus et peu autorises verdammt. Von den Galli-
canern war dort nicht die Rede, fondern von den Janfeniften
, und der laxen Moralfätze aus fehr bekannten und
verbreiteten Büchern der Jefuiten, die dort verdammt
wurden, waren 127. — Der 1,74 erwähnte Abbe [jaques]
Boileau, der Bruder des Dichters, hat doch auch beffere
Bücher gefchrieben, als un traite alprs fort controverse Sur
l'usage des penitences corporelles dans l'eglise (die Historia
^agellantium ift gemeint) *),

Bonn. F. H. Reufch.

1. Cherot, IL; S. J., Etüde sur la vie et les oeuvres du P. Le
Moyne (1602—1671). Paris, A. Picard, 1887. (568 S. 8.)

2. Doncieux, George, Un Jesuite homme de lettres au dix-hui-
tieme siede. Le Pore Bouhours. These presentee ä la
Faculte des lettres de Paris. Paris, Hachettc, 1886.
(329 S. 8.)

Die beiden Jefuiten, über welche diefe Bücher handeln
, find keine hervorragenden theologifchen Schrift-
fteller, — in Hurter's Nomenciator werden fie gar nicht
erwähnt; — die Bücher find aber nicht ohne Intcreffe.

Pierre Le Moyne war feiner Zeit zu Paris predicateur
et directeur a la mode (S. 24), letzteres namentlich bei

*) Eine ausführliche und intereffante Befprechung des Buches von
Br. von Lord Acton fleht in der Historicol Review Vol. 3 p. 585.