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Ausgabe:

1888 Nr. 20

Spalte:

492-493

Autor/Hrsg.:

Arnim, Hans von

Titel/Untertitel:

Quellenstudien zu Philo von Alexandria 1888

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 20.

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Ptoleniäus Philometor, fondern für eine fpätere Fälfchung.
Wenigftens ift ihm diefe Annahme wahrfcheinlicher als j
die der Echtheit (I, 252: tJie evidence secms to me to in-
cline against thc genuineness). Die Argumente find die
fchon von älteren Kritikern vorgebrachten: die fpäte
Bezeugung (erft durch Clemens und Eufebius), die Benützung
gefälfchter Verfe griechifcher Dichter und die
unhiftorifche Angabe über die Entflehung der Septua-
ginta (in Anlehnung an Arifteas). Das Argument der
fpäten Bezeugung hätte ein fo gut orientirter Kritiker
wie Drummond nicht wieder vorbringen follen, denn es
kann ihm doch nicht unbekannt fein, dafs es fich bei
zahlreichen anderen Schriften, deren Echtheit noch Niemand
bezweifelt hat, ganz ebenfo verhält. Dafs aber
Ariftobul in einer dem Ptolemäus Philometor gewidmeten
Schrift gefälfchte Verfe griechifcher Dichter citirt und
unhiftorifche Angaben über die Entftehung der Septua-
ginta macht', wäre doch nur dann auffallend, wenn er
nicht felbll an die Echtheit und Gefchichtlichkeit diefer
Dinge geglaubt hätte. Es liegt aber fchlechterdings kein
Grund vor, diefe bona fidcs ihm abzufprechen; und darum
auch fchlechterdings kein Grund, die Echtheit feiner
Schrift zu bezweifeln.

Die Darltellung der philonifchen Philofophie,
welche den Hauptinhalt von Drummond's Werk bildet,
weicht namentlich darin von den bisherigen Darftellungen
ab, dafs fie nicht mit der Gotteslehre beginnt,
fondern mit der Kosmologie. Die Phyfik ift nach
Philo die Vorftufe zur Ethik. Aus der verftändigen Betrachtung
der Welt ergeben fich dem Menfchen die Aufgaben
, die er in derfelben zu erfüllen hat. Phyfik und
Ethik verhalten fich alfo wie der Baum zu den Früchten.
Zur Ethik gehört aber bei Philo auch die Lehre von
Gott und den göttlichen Kräften, welche den Menfchen
zur Erfüllung feiner Aufgabe in der Welt befähigen.
Die Phyfik ift bei ihm auf die Kosmologie und Anthropologie
eingefchränkt (fo Drummond I, 263—266), Hiernach
beginnt alfo Drummond feine Darfteilung mit der
Kosmologie (I, 267—313) und Anthropologie (1, 314—
359). Erft hierauf folgen: die Lehre von Gott (II, I —
64), den göttlichen Kräften (II, 65—155), dem Logos
(II, 156—273) und die .höhere Anthropologie' (II, 274
—324;. Die Darftellung ift oft eingehender und im
Detail vollftändiger als die bisherigen, überall auf gründ-
lichfter Eorfchung und felbftftändigem Urtheile ruhend.
Drummond's Urtheil über Philo ift im Allgemeinen ein
fehr günftiges; ja man kann fein Werk als eine Art von
Apologie Philo's bezeichnen. Er rühmt nicht nur feinen
fittlichen Ernft, fondern hält auch feine Weltanfchauung
für einheitlicher und confequenter als vielfach angenommen
wird. Sie ift nicht ein vviderfpruchsvoller Mifch-
mafch, fondern eine im Wefentlichen einheitliche und
refpectable Gefammtanfchauung, welche einem ernften
und hochgerichteten Geilte wohl als die befte erreichbare
Löfung des Räthfels des Däferns erfcheinen konnte
(prcf. p. IV). Infonderheit giebt Drummond auch nicht
zu, dafs Philo's Lehre von den göttlichen Kräften und
und vom Logos unficher hin- und herfchwanke zwifchen
ihrer Auffaffung als immanenter Kräfte Gottes und als
felbftändiger Hypoftafen. Er fucht vielmehr zu zeigen,
dafs Philo fie nirgends als felbftändige Hypoftafen auf-
faffe, und dafs nur die dichterifche und allegorifche Ausdrucksweife
zuweilen den Schein erwecke, als ob dies
der Fall fei (f. die eingehenden Erörterungen hierüber
in Betreff der göttlichen Kräfte überhaupt: II, 123—133,
in Betreff des Logos: II, 222—273). Die Unterfuchungen
find durchweg mit folcher Sorgfalt und Umficht geführt,
dafs fie Beachtung fordern, auch wenn es zweifelhaft
erfcheint, ob ihre Refultate in der von Drummond gegebenen
Formulirung fich überall aufrecht erhalten laffen.

Giefsen. E. Schür er.

Arnim, Hans von, Quellenstudien zu Philo von Alexandria.

(Philologifche Unterfuchungen, herausgegeben von
A. Kiefsling und U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Ii.
Heft.) Berlin, Weidmann, 1888. (142 S. gr. 8.) M. 4. —

Die Abficht diefer Quellenftudien ift, in den Schriften
Philo's Fragmente älterer philofophifcher Schriften
aufzufpüren, welche von Philo unverändert oder mit
nur leichter Ueberarbeitung aufgenommen worden find.
Der Verf. wünfeht dadurch Beiträge zu liefern zur Aufhellung
der Gefchichte der Philofophie in den letzten
zwei Jahrhunderten vor Chrifto. Seine Arbeit gilt alfo
zunächft nicht der Erläuterung Philo's, fondern der Gefchichte
der Philofophie in den letzten Jahrhunderten vor
Chrifto. Aus diefem Grunde befchränke ich mich hier
darauf, ein kurzes Referat zu geben, ohne in eine Dis-
cuffion über die Wahrfcheinlichkeit der gewonnenen
Refultate einzutreten.

Die erfte Abhandlung betrifft ,Die pfeudophi-
lonifche Schrift neoi <i(plragai'ag y.öaiior' (S. 1—
52), mit welcher bekanntlich Bernays fich eingehend
befchäftigt hat (f. meine Gefell, des jüd. Volkes II, 864).
Auch von Arnim ftimmt dem feit Bernays herrschend
gewordenen Urtheile zu, dafs fie nicht von Philo herrühre
. Er hält fie für eine faft ganz aus anderen Schriften
zufammengeftellte Compilation, und fucht zu zeigen,
dafs befonders ftark zwei Quellen benützt feien: eine
zwifchen Piatonismus und Ariftotelismus vermittelnde
und eine orthodox-peripatetifche Streitfchrift gegen die
Stoa (S. 40).

Die zweite Abhandlung ift überfchrieben .Philo
undAenefidem' (S. 53—100). Sie unterfucht den Ab-
fchnitt in Philo's Schrift rrepi iiflhqg, welcher von der
Unzuverläffigkeit der Sinneswahrnehmungen handelt (de
ebrictate <j 42 — 49, opp. ed. Mangey I, 383—388), und
glaubt nachweifen zu können, dafs er von dem Skeptiker
Aenefidemus herrühre. Sollte fich dies bewähren, fo
wäre damit allerdings für unfere Kenntnifs der An-
fchauungen diefes Philofophen eine werthvolle Quelle
erfchloffen. Indeffen ift es doch ein fehr gewagtes Unternehmen
, ein folches Stück mit einem beltimmten Namen
zu taufen.

In der dritten und letzten Abhandlung (S. 101 —140)
unterfucht von Arnim den Schlufsabfchnitt der
Schrift de plantatione Noe (j$ 35—42 opp. ed. Mangey
I, 350—356), in welchem Philo ausdrücklich fagt,
dafs er hier die Anflehten anderer Philofophen über die
Frage ti fit&ta&'qastat n aatp6g wiedergebe. Der Verf.
hält das Stück für ,ein einzelnes Kapitel aus einer Samm-
! lung von 'H&txu tipcr^iata, welche ein eklektifeh ange-
I hauchter Stoiker der freiiinnigften Richtung nach Pofi-
j donius und Antiochus, aber vermuthlich noch vor Chrifti
Geburt für ein gröfseres Publikum herausgegeben hatte'
(S. 140). — Ich möchte hieran nur eine Bemerkung anknüpfen
. Der vom Verf. unterfuchte Schlufsabfchnitt
der Schrift de plantatione Noe ftellt die Anflehten anderer
! Philofophen über die Trunkenheit dar. Nun beginnt
aber Philo's Schrift de ebrietate (Mangey I, 357^71/.) mit
i den Worten: 7er ftiv zolg ülkotg <pü.oo6(puig tiorpiiva
7itgi inUrjc, wg olov te itv, ff tj) ngn Tahrjg V7itiivt[aaptv
ßißlfp. Diefe Worte fcheinen^ auf eben jenen Schlufsabfchnitt
zurückzuweifen, die Schrift de ebrietate fich alfo
unmittelbar an die de plantatione Noe anzufchliefsen. Dies
ift in der Hauptfache auch von Arnim's Anficht. Doch
I macht er felbft darauf aufmerkfam, dafs der von ihm
unterfuchte Abfchnitt am Ende verftümmelt ift, da von
den verfprochenen Beweifen des Satzes: bzi 06 iisItlo-
iy-iatzai b aopög nur einer, der zenonifche, mit Widerlegung
erhalten ift (S. 102). Ich glaube, dafs uns hier
nicht weniger als ein ganzes Buch Philo's fehlt. Eufebius
hat nämlich von den hier in Betracht kommenden
Schriften Philo's noch folgende gekannt: tä zrep/ yewqyiag
övn y.ai TO 7itqi itfOrjg xoauvia, alfo zwei Bücher tftQi