Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1888 Nr. 2

Spalte:

30-33

Autor/Hrsg.:

Gottschick, Johannes

Titel/Untertitel:

Luthers Anschauungen vom christlichen Gottesdienst und seine thatsächliche Reform desselben 1888

Rezensent:

Grünberg, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

29

Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 2. 30

Noah's? Wie ift es nur möglich, aus dem Fehlen des
Artikels vor caitifrt'fiaöiv (vgl. darüber Winer, Gr. S. 127)
Schlüfle zu ziehen, welche allen Regeln der Grammatik
widerfprechen ? Ein Vergleich von Hen. 12, 4. io, 4 f.
15,8 (f. auch die griechifchen Fragmt.) mit 71, 14 führt
allerdings auf ganz andere Wege. —

Doch ich habe mich fchon zu lange bei der Be-
fprechung der 1. Hälfte diefes Comment. aufgehalten; es
feien mir auch über die zweite noch einige Bemerkungen
geftattet.

Die Bearbeitung des Judas- und 2. Petrusbriefes flicht
auffallend gegen diejenige des 1. Petr. ab, infofern hier
der Huther'fche Text zu Grunde gelegt und mit mehr
oder weniger ausführlichen Zufätzen bereichert ifl. Das
mufs umfomehr befremden, als Kühl auch dem 2. Petr.
gegenüber eine ganz andereStellung einnimmt als Huther.
War nämlich Huther geneigt, trotzdem er Bedenken trug
es offen auszufprechen, den 2. Petr. für unecht zu erklären
, fo glaubt Kühl die Echtheit vertheidigen zu
können, indem er den Brief geraume Zeit nach dem erften
gefchrieben fein läfst. Allein dafs ein Zeitraum von
etwas mehr als 10 Jahren genügen follte, um die Unter-
fchiede der beiden Briefe in Stil und Gedanken auch
nur annähernd zu erklären, während dazu vier Jahre
nicht hinreichten (S. 338), wird fchwerlich Jemandem einleuchten
. Für eine folche Wandlung, zumal bei einem
bejahrten Manne, müfsten ganz andere Gründe beigebracht
werden. Ift zudem Kühl der Anficht (S. 337), dafs
Weifs zu viel des Uebereinftimmenden in beiden Briefen
habe finden wollen, fo vermag ich vollends nicht zu
faffen, wie er dem 2. Petr. gegenüber fich weniger kri-
tifch verhalten kann, als Huther. Die Probleme häufen
fich für ihn in einem Mafse, dafs nicht abzufehen ift,
wie er fich durchfinden will. Der i.Petr. ein nach Form
und Inhalt durchaus originales Schriftftück, der 2. Petr.
in feinen Grundgedanken davon verfchieden, dazu abhängig
von dem paulinifirenden Judasbrief und dennoch
von demfelben Verf. herrührend — wer will das zu-
fammenreimen? Hätte Kühl fich nur zu einer gründlichen
Umarbeitung des Judas- und 2. Petrusbriefes entfchloffen,
damit feine Anficht klar herausträte. Wenn er aber in
der Vorrede erklärt, ,die Einleitung zum 2. Briefe, fowie
zum Briefe des Judas habe ich im wefentlichen unverändert
gelaffen; eine eingreifendere Umarbeitung mufs
ich mir vorbehalten', fo darf man billig fragen, was ihn
dazu benimmt hat. Sollte etwa der Verleger gedrängt Gottschick, Prof. Dr. Joh., Luthers Anschauungen vom
haben, fo kann das doch nicht als genügende j christlichen Gottesdienst und seine thatsächliche Reform
Entfchuldigung gelten, denn ein <o weit verbreitetes 1 j„„0„iu„„ t? u ■ r> „ , 00 /o e o

u ju u P fc j * wÄ„_>r . r__. • desselben. Prciburg 1. Br., Mohr, 1887. (81 S. gr. 8.)

Handbuch, wie es der Meyer iche Lommentar nun ein- ö ' > / & ;

mal ift, follte doch nicht halbfertig in die Welt gefchickt | iVL h 6o-

werden. Als folche wird aber die Arbeit am Judas- u. I Verf. diefer dem evangelifchen Predigerfeminar zu
2. Petrusbriefe bezeichnet werden müffen. Kühl gehört i Friedberg zur fünfzigjährigen Feier feines Beftehens Na-
eben nicht zu denjenigen, welche hier mit niet- und nagel- | mens der theologifchen Facultät der Univerfität Giefsen

überreichten Schrift geht in der Einleitung (S. I—3) davon
aus, ,für die gegenwärtig fo verbreiteten und
fo lebhaften Beftrebungen um Hebung unferer Gottes-
dienfte durch Einführung oder Wiedereinführung reicherer
liturgifcher Formen fcheine immer noch der Gedanke
leitend zu fein, dafs unfere Aufgabe im Grofsen und
Ganzen keine andere fei als die, diejenige Liturgie wieder
herzuftellen und nur im Einzelnen zu vervollkommnen,
welche die nord- und mitteldeutfchen lutherifchen Landeskirchen
des 16. und 17. Jahrhunderts befeffen haben'.

gleichwohl alles flehen und verwickelt fich durch feine
Zufätze gelegentlich mit feinem Vorgänger in arge Wider-
fprüche. So läfst er S. 324 Huther fagen: ,Worin für
Judas die Veranlaffung gelegen haben foll, jenes apokryph.
Wort (Jud. V. 14) dem, was ihm Petrus darbot, noch
hinzuzufügen, ift nicht einzufehen', trotzdem nach feiner
eigenen Anficht S. 304 Anm. 3 die Beobachtung Spitta's,
dafs die Bilder Jud. V. 12 fich aus der Benutzung von
Hen. 2 — 5 erklären, ,viel für fich hat'. Dafs damit das
Henoch-Citat Jud. V. 14 f. in feiner Veranlaffung vollkommen
erklärt ift und dafs fich weiter daraus ein wichtiges
Moment für die Priorität des 2. Petr. ergiebt, daran
fcheint Kühl nicht gedacht zu haben. Höchft befremdlich
ift auch feine Faffung von Jud. V. 22 f. Mit Huther
ift er darin einverftanden, dafs hier entweder eine Klimax
oder eine Antiklimax vorliege. Während Huther
die letztere Annahme vertheidigt und darnach interpretirt,
ftöfst Kühl, offenbar durch die Bemerkungen Spitta's
veranlafst, die Erklärung von ovg (liv eZtyysts öictxQu o-
(iivovq um, behält aber nichtsdeftoweniger die Huther'fche
Auslegung von V. 23 bei I — An vielen anderen Stellen
wäre es dringend erforderlich gewefen, aus Rückficht
auf die umfangreichen Erörterungen Spitta's die Huther'fche
, refp. die eigene Erklärung durch fchlagende Gründe
ficher zu ftellen. Dafs z. B. mit t/filv im Eingang des
2. Petr. bald die Judenchriften (1,1 — der Grund für diefe
Annahme ift fehr fchwach!), bald der Verf. mitfammt
den Lefern (1,3), bald alle Chriften (1,4) gemeint fein
follen, bedürfte doch wahrlich einer eingehenden Moti-
virung. Für die Faffung von zayivog—baldig (1,14. 2.1)
reicht die Berufung auf Bengel nicht aus. Wer yaoig
(1,2; vgl. 1. Petr. I,2)= jn nimmt, mufs auf eine Ableitung
der neuteftl. Grufsformel verzichten. — Nach alledem
dürfte der Wunfeh berechtigt fein, dafs bei einer
abermaligen Aufl. diefes Commentars auch der Judas-
und 2. Petrusbrief, in der Einleitung nicht weniger wie
in der Einzelexegefe, eine entfprechende Umarbeitung
erführe.

An Druckfehlern ift befonders der i.Theil des Buches
fehr reich, vgl. S. 9 Z. 8; S. 11 Z. 28; S. 12 Z. 37; S. 13
Z. 2, 8, 28; S. 14 Z. I; S. 16 Anm. Z. 4; S. 34 Anm.
Z. 1; S. 37 Z. 26; S. 43 Z. 31 u. f. w.

Bonn. F. Schnapp.

feften Refultaten aufwarten können, fondern für die es
der ungelöften Schwierigkeiten auch auf diefem Gebiete
noch eine grofse Menge giebt. Hat er deshalb die Un-
terfuchungen Spitta's nicht einfach bei Seite fchieben
können, fondern fich veranlafst gefehen, fich eingehend
damit zu befallen, ja mufs er in einer ganzen Reihe von
wichtigen Punkten Spitta beipflichten, fo durfte er nicht
die gänzlich ungenügenden Ausführungen Huther's abermals
zum Abdruck bringen und fchliefslich trotz mannigfacher
Correcturen dennoch alles beim alten laffen

Das tritt am empfindlichften bei der Vergleichung Diefer Gedanke wäre berechtigt, meint G., wenn die alt-

des Judasbriefes mit dem 2. Petr. zu Tage. Nach Huther
zeigt fich die Pofteriorität des 2. Petr. in der minder
originellen Ausdrucksweife (wodurch fich diefelbe ver-
räth, erfährt man nicht!), in der allgemeineren Wendung
wie in der Spezialifirung einzelner Gedanken, in der
Kürze ebenfo wie in der Ausführlichkeit, im Dunkel wie
in der Klarheit des Ausdruckes. Mit folchen vagen, fich
felbft widerfprechenden Grundfätzen für die Vergleichung
zweier Schriftftücke ift nichts anzufangen. Kühl läfst

lutherifche Liturgie ein auch nur relativ genuines Erzeugnifs
des eigenthümlichen Geiftes der Reformation wäre. In
Wirklichkeit aber habe Luther zwar ,die wirklich evangelifchen
Principien des (liturgifchen) Neubaus aus feiner
religiöfen Grundanfchauung entwickelt', diefelben aber
feinen liturgifchen Neuerungen thatfächlich gar nicht zu
Grunde gelegt, vielmehr einfach dem Gang der römi-
fchen Meffe fich angefchloffen und diefelbe nur im Einzelnen
umgebildet. Verf. Hellt fich demgemäfs die Auf-