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Ausgabe:

1888

Spalte:

441-444

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Alfr.

Titel/Untertitel:

Die babylonisch-assyrischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode 1888

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologische Literaturzeitung,

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Marburg,und D. E. Schürer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint , , Preis

alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 18. 8. September 1888. 13. Jahrgang.

Jeremias, Die babylonifch-aflyrifchen Vor-
ilellungen vom Leben nach dem Tode (Iiudde).

Iffel, Der Begriff der Heiligkeit im Neuen
Teftament (Schnapp).

Paul, Die Abfaffungszeit der fynoptifchen Evan-
gelien (Schnapp).

Chastand, L'apotre Jean et le IVe evangilc
(Holtzmann).

Bertrand, Essai critique sur Tauthenticitf; des
öpltres pastorales (Holtzmann).

Otto, Commentar zum Römerbrief, 2 Thle.
(Weiffenbach).

Dommer, Lutherdrucke auf der Hamburger

Stadtbibliothek (Enders).
Dolefchall, Eine aufgefundene Luther-Reliquie

(Enders).

Kögel, Ethifches und Aefthetifches (Meier).
Zezfchwitz, Die Chriftenlehre im Zufammen-
hang, 4 Abthlgn. (Köftlin).

aber ebenfalls Obv. 64 f. nur zwifchen den Zeilen und
fehlt am Schluffe ebenfo.

In c. II tritt der Verf. der verbreiteten Anficht, dafs
in Affyrien (anders als in Babylonien) die Todten nicht
feien begraben worden, entgegen. Das Gegentheil fcheint
denn auch aus den Stellen zu folgen, welche die Nichtgewährung
eines Grabes als Strafe ausdrücklich betonen,
während die einzige Stelle für pofitive Erwähnung von
Gräberftätten (S. 51 f.) wohl noch als unlicher gelten
mufs: neben der Thatfache, dafs noch keine äff. Gräber
entdeckt find, eine höchft auffallende Lücke. Ueber die
babylonifchen Gräber und Särge geht der Verf., da In-
fchriften darin nicht gefunden, fehr fchnell hinweg, warnt
aber vor übereilter Beftimmung ihres Alters. Neben
folchen, mehrfach fich wiederholenden, Zeichen der Be-
fonnenheit (vgl. S. 94. 97 f.) kommt doch auch das
Gegentheil vor. Für den Satz: ,Ruhelos irren die Seelen
derer, denen das Grab verfagt ward, umher' S. 54 finde
ich keinen Beweis, ähnlich wie für das ,der Tod macht
alle gleich' S. 48; grofse Enthaltfamkeit war geboten,
fo nahe die Verfuchung lag, das Bild aus freier Hand
etwas lebhafter auszumalen. Die Beftätigung mancher
Deutungen z. B. S. 53 wird abzuwarten fein. — Uebrigens
bietet dies Capitel zweifellos für den Vergleich mit dem
A. T. die reichhaltigfie Ausbeute.

An Cap. III heften fich wichtige Fragen. Wird es
fich beftätigen, dafs der Götterberg und die Unterwelt
an der gleichen Stelle gedacht werden, die letztere als
Bauch des erfteren, und dafs derfelbe Name Arälu beide
bezeichnen kann? Das klingt unwahrfcheinlich, die einzige
S. 59 dafür angeführte Stelle (vgl. dazu Fr. Delitzfch,
Wo lag das Paradies? S. 120 ff. und dagegen Schräder KAT2
S. 389 f.) ift fchwerlich klar genug, um zu entfeheiden.
Ift Nergal wirklich (vgl. S. 68) ,im letzten Grunde iden-
tifch mit Adar', der unter den Göttern an jener Stelle
genannt ift, fo könnten diefe vielleicht als theils auf
dem Götterberge, theils in der Unterwelt ,in Ewigkeit
geboren' bezeichnet werden. Auch die Entdeckung von
Su-älu = inm = ,Ort der Einforderung' (fo lies S. 109,
Z. 10 f. v. u.), affyrifch ,der Entfcheidung', wird hier
mit Delitzfch und Hommel vertreten (S. 62) und läfst
mit Spannung ferneren Beweis erwarten. Die Abfchnitte
über die Namen der Unterwelt und ihre Götter und
Dämonen enthalten viel Intereffantes, aber auch viel un-
zufammenhängenden, der Verarbeitung noch wartenden
Stoff; der über Ort und Bewohner ift faft ausfchliefs-
lich aus dem Iftar-Epos gefpeift, und da wird wieder
zu klagen fein, dafs S. 76 zu beftimmte Züge daraus
entnommen find. Die Scheidung eines Ortes, wo
ekelhafte Krankheiten an dem Verurtheilten zehren,
eines anderen, der als das grofse Gefängnifs bezeichnet
wird, fcheint nicht gerechtfertigt. Die Abfchnitte IV. V
441 442

Jeremias, Dr. Alfr., Die babylonisch-assyrischen Vorstellungen
vom Leben nach dem Tode. Nach den Quellen
mit Berückfichtigung der altteftamentlichen Parallelen
dargeftellt. Leipzig, Hinrichs, 1887. (VI, 126 S. gr. 8.)
M. 6.—

Jeder neuen Veröffentlichung auf dem Gebiete der
Affyriologie wird man mit gemifchten Empfindungen
gegenüberftehen: mit der des Dankes für die Erweiterung
unteres Gefichtskreifes und die Eröffnung neuer Gefichts-
punkte und mit der anderen, dafs das Gebotene nur als
Interim vorbehaltlich fernerer Beftätigung aufzunehmen
fei. Befonders dankenswerth ift gewifs der Verfuch eines
Querfchnittcs durch den vorliegenden Stoff, wie er hier
gemacht ift, der uns überfehen läfst, wie viel Raum und
welche Punkte der Schnittfläche , d. i. eines beftimmten
Kreifes von Vorftellungen, mit ficheren Ausfagen und
Zeugnifsen zur Zeit belegt werden kann. Wenn ich
darüber Bericht erftatte, fo fetze ich die annähernde
Vollftändigkeit des vorgelegten Stoffes und möglichfte
Tüchtigkeit in der eigentlich affyriologifchen Arbeit bei
diefem freigefprochenen Schüler Frdr. Delitzfch's voraus.

Den Capiteln II—V, die in gefchloffener Folge ,Tod
und Grab', ,die Unterwelt', ,die Gefilde der Seligen',
,Möglichkeit einer Befreiung aus der Unterwelt' behandeln
, fchickt der Verf. als Capitel I (S. 4—45) Text und
Ueberfetzung des mehrfach veröffentlichten Epos von der
Höllenfahrt der Iftar nebft Einleitung und Anmerkungen
voraus, wegen feiner ,grundleglichen' Wichtigkeit für
die aufgeworfene Frage. Durch theilweis neue Auslegung
hat er das Stück in den Brennpunkt derfelben gerückt.
Er fieht es nicht mehr als eine Epifode des ,Nimrod-'
Epos an, fondern als die Einleitung einer Befchwörungs-
ceremonie, welche für die Möglichkeit einer Erlöfung
aus der Unterwelt das Beifpiel der Iftar anführt. Diefe
Deutung ftützt fich auf die Auslegung der letzten Zeilen
(Rev. Z. 46 ff.), wefentlich R. 46, worin J. den Ueber-
gang zur Belehrung des Fragenden durch den Befchwö-
rungspriefter erkennt. Zu einer Anrede an den Fragenden
ergänzt er auch die am Schlufs befchädigte erfte
Zeile des Ganzen (Obv. 1) durch Anfügung einer Suffix-
filbe: „Nach dem Lande ohne Pleimkehr, dem Lande,
das du kennft" (deines Kennens). So willkommen jene
Auffaffung wäre, fo darf man doch bezweifeln, dafs die
Unterwelt dem Fragenden als das ihm bekannte Land
bezeichnet werden konnte, und auch über die abfchliefsen-
den Verfe wird man das Urtheil ausfetzen müffen, fo-
lange keine finnvollere Ueberfetzung als die vorliegende
zu geben ift. Die Annahme, dafs Iftar felbft zur Befreiung
ihres Gemahls Tammüz (?,nur für den Monatsnamen
ift Du-uz, urfprünglicher Dum uz feftgeftellt) in
die Unterwelt hinabgeftiegen fei, leuchtet fehr ein, fleht