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Ausgabe:

1888 Nr. 17

Spalte:

436-437

Autor/Hrsg.:

Zhishman, Jos. v.

Titel/Untertitel:

Das Stifterrecht in der morgenländischen Kirche 1888

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 17.

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Grund der heil. Schrift an dem Inhalt der Bulle felbft
übt (S. 88 ff.), ift treffend und zeugt von ehrenwerthem
Wahrheitsfinne. Eine Schwierigkeit entfleht vom Standpunkte
des Verf.'s aus daraus, dass die Bulle nachmals
durch ein Concil, das fog. V. Lateranenfifche, beftätigt worden
ift (wobei in der Stille eine bemerkenswerthe Textänderung
mit unterlief: aus dem omnis Jiumana creatura
des Schlufsfatzes wurde omnes Ckiisti fidcles, keineswegs
eine blofse Erklärung des urfprünglichen Textes, wie
man zu behaupten liebt, S. 93). Die Bulle erhält dadurch
für den Katholiken, der auch die perfönliche Unfehlbarkeit
des Papftes nicht zugefteht, einen fchwer zu
befeitigenden Autoritätstitel. Der Verf. fucht denfelben
dadurch wegzuräumen, dafs er dem genannten Concil
die Eigenfchaft eines ökumenifchen beftreitet (S. 51).
Ohne das Gewicht der dafür geltend gemachten Gründe
zu verkennen, muss man jedoch fragen: wohin foll es
mit der Autorität der Concilien kommen, wenn es erlaubt
fein foll, jedes einzelne derfelben folchergeftalt auf
feine Legitimation bez. darauf, ob es die von der Doc-
trin geforderten Merkmale eines ökumenifchen Concils
an fich trage, zu prüfen? Wem will man es da verwehren,
mit gleichen Gründen die Autorität des Tridentinum
oder des einen oder andern von den grofsen Concilien
des Alterthums in Zweifel zu ziehen? Das fubjectiveUr-
theil, bezw. die Kritik der Wiffenfchaft wird fo zur ent-
fcheidenden Inftanz, der katholifche Boden verlaffen.
Uebrigens ift dem Satz des Fuldaer Hirtenbriefes: da die
Bulle U. S. von einem Concil beftätigt fei, fo müfste,
falls man fie als ftaatsgefährlich betrachten wollte, ,die
Unfehlbarkeit der allgemeinen Kirchenverfammlungen
und der Kirche ebenfo gefährlich für den Staat fein, wie
die des Papftes', einfach zuzuftimmen: es verhält fich in
der That fo. — Auch das Breve Mendt, welches Philipp
der Schöne von Papft Clemens V. erzwang, und durch
welches der König gemeint haben mag, die Zurücknahme
der ihm unbequemen Bulle U. S. erreicht zu haben,
macht Schwierigkeiten (S. 99 ff.). M. E. ift die Mühe,
welche man fich macht, um das richtige Verhältnifs
zwifchen dem Breve und der Bulle herzuftellen, gegen-
ftandslos. Das Breve Mendt bedeutet in der That gar
nichts. Der Papft giebt darin dem Könige die Verfiche-
rung, dafs die Bulle Unam Sanctam dem Königreich
Frankreich keinen Nachtheil bringen und dafs die Stellung
des letzteren zum päpftlichen Stuhl die nämliche
bleiben folle, die fie vor dem Erlafs der Bulle gewefen.
Aber diefe hatte ja in keiner Weife ein neues Verhältnifs
des Königreichs zu dem Papftthum begründet (irgend
eine Andeutung, dafs dies gefchehen fei, wie der Verf.
S. 97 annimmt, fucht man in dem Breve vergeblich);
fie hatte nur das Verhältnifs definirt, das von je her be-
ftand, nämlich das der Unterwerfung unter den päpftlichen
Stuhl. Der Papft konnte alfo fehr wohl verfichern,
dafs es bei dem, was vor dem Erlafs der Bulle beftan-
den habe, auch in Zukunft verbleiben folle, ohne fich
das Geringfte zu vergeben. Und ein Nachtheil für den
König und fein Reich war es im päpftlichen Sinne ge-
wifs nicht, dem Nachfolger des Petrus unterworfen zu
fein: indem der Papft den König deffen verficherte,
fprach er nur aus, was fich ohnehin von felbft verftand,
eine ,Exemtion' der Franzofen von der Bulle ift aus den
Worten des Breve nicht herauszulefen. Das Ganze war
weiter nichts als ein gefchickt ausgedachtes Trugfpiel
mit Worten; die römifche Schlauheit hatte fich, wie fo
oft, dem Ungeftüm der Gegner überlegen erwiefen.

In Kürze fei nur noch aufmerkfam gemacht auf den
Nachweis des Widerfpruchs zwifchen dem vaticanifchen
Concil und den gleichfalls ökumenifchen Concilien von
Conftanz und Bafel (S. 102 ff.), dann der völlig veränderten
Stellung der Bifchöfe infolge des Dogma's von
dem päftlichen Univerfal-Episkopate (S. 108 ff.), endlich
auf den Schlufsabfchnitt über ,die reftaurirte katholifche
Staats- und Kirchenrechtswiffenfchaft' 'S. 115 ff.J. Wer

über die Gefährlichkeit des modernen Romanismus noch
im Zweifel wäre, der lefe, was dort aus dem Buche von
Moulart .Kirche und Staat' über die Verbindlichkeit der
Eide und das Recht der Empörung mitgetheilt ift. Dem
Satze freilich, dafs das vaticanifche Concil in dem Unfehlbarkeitsdogma
,eine neue, mit der früheren in Wider-
fpruch ftehende Lehre aufgeftellt' habe (S. 106), kann
Ref. nicht zultimmen. Darin haben die Infallibiliften
Recht, dafs diefes Dogma nur die früher oder fpäter
unausbleibliche Confequenz (und noch nicht die letzte)
aus dem uralten Kirchenprincip des Katholicismus gezogen
hat.

Die vorliegende Abhandlung war urfprünglich be-
ttimmt, dem Sammelbande von Abhandlungen einverleibt
zu werden, welche die Münchener Juriftenfacultät ihrem
Jubilar, Herrn v. Planck, zu überreichen befchloffen hatte.
Sie wuchs jedoch, wie der Verf. in einem Nachwort berichtet
, während der Arbeit weit über das ihr eingeräumte
Mafs an und konnte trotz zahlreicher Kürzungen und
Aenderungen noch während des Druckes nicht mehr bis
zu dem Termin der Ueberreichung fertig geftellt werden.
So erfcheint fie nun als felbftltändiges Werk. Der Verf.
fpricht fein Bedauern darüber aus, dafs die fo erfchei-
nende Abhandlung ,den Anfpruch auf erfchöpfende Bearbeitung
des gewählten Thema's nicht erheben kann und
wohl an mehr als einer Stelle die durch Zeit und Raum
bedingte Art und Weife ihrer Entftehung erkennen läfst'.
Sie verdient auch in diefer Geftalt die Anerkennung als
eine fehr beachtenswerthe werthvolle Leiftung.

Darmftadt. K. Köhler.

Woltersdorf, Palt. Dr. Th., Die Rechtsverhältnisse der
Greifswalder Pfarrkirchen im Mittelalter, nach den Quellen
unterfucht. Greifswald, [Bindewald], 1888. (VII, 79 S.
gr. 8.; M. 1.60.

Die Anregung zu diefer Arbeit hat laut Vorwort der
Umftand gegeben, dafs das Patronatrecht der Kirchen
zu Greifswald immer aufs neue Gegenftand des Streites
wird. .Sowohl die Frage nach dem Inhaber, als auch
die nach dem Inhalte diefes Rechts — fagt der Verf. —
ift feit der Reformation nur zeitweife zur Ruhe gekommen
'. Als Grundlage für die Beantwortung derfelben
giebt er in der vorliegenden Schrift eine Unterfuchung
über die Rcchtsverhältniffe der Greifswalder Kirchen im
Mittelalter, während er für die weitere, durch die Reformation
eingetretene Entwickelung eine ausführlichere
Arbeit in Äusficht (teilt. Das Schlufsergebnifs, zu welchem
er kommt, lautet dahin, dafs die beiden Einrichtungen
, welche fich als Reite der mittelalterlichen Ver-
hältnifse in Greifswald bis zur Gegenwart erhalten haben,
die Aufficht des Rathes über die kirchliche Vermögensverwaltung
und die Mitwirkung der Univerfität bei Be-
fetzung der Pfarrämter, ,fich in dem dargeftellten
Zeitraum nicht als Ausflüffe des Patronatrechts kennzeichnen
'. Man mufs, fo weit man fich, ohne Kenner der
pommerfchen Landes- und Specialkirchengefchichte zu
fein, ein Urtheil zutrauen darf, nach der eingehenden und
fcharffinnigen Darftellung des Verf.'s dem gefundenen Er-
gebnifs zuftimmen. Die Schrift hat übrigens, auch ab-
gefehen von der örtlichen Specialfrage, um welche fie
fich dreht, ein allgemeines Intereffe, fofern fie in engem
Rahmen ein mit grofser Sachkenntnifs und richtigem
Verftändnifs gezeichnetes Bild mittelalterlichen Kirchenlebens
bietet.

Darmftadt. k. Köhler.

Zhishman, Flofr. Prof. Dr. j0f. v., Das Stifterrecht (To-
KtrjToqixbv dUcuov) in der morgenländischen Kirche. Wien,
Holder, 1888. (VI, 105 S. gr. 8.) M. 2.80.
,Die Rechtsftellung der Stifter kirchlicher Anftalten,

welche fich in der römifch-katholifchen Kirche unter der