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Ausgabe:

1888 Nr. 17

Spalte:

422-423

Autor/Hrsg.:

Reuss, Ed.

Titel/Untertitel:

Hiob 1888

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 17.

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dere zu betrachten. Von dicfem Standpunkte aus läfst
fich auch V. 4 das von K. verurtheilte 31251 vertheidigen,
welches S. ausläfst; nicht dafs die Söhne Eli's in Silo
waren, wird hervorgehoben, fondern dafs fie dafelbft mit
der Lade waren, dafs diefelbe ihrer Hut anvertraut war.
Das genügt am Ende; dafs fie mitgehen ift felbftver-
ftändlich. Ich leugne nicht, dafs der Text der S. gefälliger
ift, ob urfprünglicher, ift eine andere Frage. 9, 3
fügt SL. hinzu: Und Saul ftand auf, nahm einen von den
Sklaven feines Vaters mit fich und ging hin, die Efelinnen
feines Vaters Kis zu fuchen, — während H. nach der Aufforderung
des Vaters fofort fortfährt: da durchzogen fie
das Gebirge Ephraim etc. Es leuchtet mir nicht ein,
warum diefem Zufatz nicht ebenfogut die Ehre der Aufnahme
in den Text zu Theil hat werden können, wie
jenem andern der S. 5,3: und in das Haus Dagon's
kamen, da fahen fie hin. Die Aufnahme des einen
fcheint mir ebenfo berechtigt refp. unberechtigt als die
des anderen.

Warum denn müffen 9, 26 die Worte ,er und Samuel'
aus S. in unfern II. gekommen fein? Es ift ganz möglich
, dafs H. hier überaus genau fchrieb und S. den Text
vereinfachte. Und warum die letzten Worte in 10, 16,
die bei H. flehen und in S. fehlen, Zufatz eines Lefers
fein müffen, ift mir nicht erfichtlich. 21, 5 fetzt Klofter-
mann nach S. wieder ein /.cd cpayttai — fo könnten fie
effen — ,gewifs nicht erfonnen, fondern auch in den
H. wieder einzufetzen'; nach Wellhaufen ein /Zufatz ge-
meinlter Art'; und V. 10 find die Worte in S. und er
gab es ihm (das Schwert Goliat's), welche in H. fehlen,
nach Wellhaufen nicht zu entbehren, nach Kloftermann
überflüffig. In den angeführten Fällen und in hundert
andern, wie unficher das Refultat, wie fubjectiv die Ent-
fcheidung I

Dafs der Text mit durchgängiger Gründlichkeit und
feltener Virtuofität behandelt wird, die Erklärung immer
geiftreich ift, auch wo fie gewagt erfcheint, und die Arbeit
von einer bewunderungswürdigen Divinationsgabe
ein glänzendes Zeugnifs ablegt, war bei Kloftermann
nicht anders zu erwarten. Hierin möchte ich ihn am I
liebften mit J. Halcvy vergleichen; — freilich, wie auch
diefer, der Fehler feiner Eigenfchaften nicht ganz baar.
Ich frage mich z. B., ob es nicht allzu fcharffinnig ift,
1 Sam. 18, 3 Jonathan und David einen Salzbund
fchliefsen zu laffen, weil der Autor etwas Grofses berichten
wollte und Gr., der hier Javiö h ßaöü.etQ hat,
nur aus einer Vorlage erklärt werden könne, in welcher
n'252 in "7b3 verfchrieben war. Die Einführung der
Bienenwirthfchaft in 1 S. 14, 25 ift zwar geiftreich, aber
gewagt, und mit dem Teufel 1 S. II, 12: Lafst lieber
den Teufel (b'Stj) König über uns werden — kann ich
mich nicht befreunden.

Klammern fchliefsen auch ein, was nach deutfehem
Sprachgebrauch zu ergänzen ift. Es ift dies eine etwas
Weit getriebene Aengttlichkeit, dazu nicht confequent
durchgeführt und an fich undurchführbar. So ficht zum
Beifpiel, 1 S. 4, 21: fortgezogen ift (die) Herrlichkeit
(1133) aus Israel, oder 1 R. 1, j: Der König David war
alt (und) hochbetagt. Umgekehrt aber ift es nicht nöthig,
weil in H. Iteht lnp"B3l 1 S. 4, 18, zu überfetzen: er zerbrach
fein Genick. Dazu war es wohl unnöthig anzumerken
, dafs es wörtlich heifst: es zerbrach fein Genick;
und wer glaubte, dafs es laut Anm. zu V. 17 (1. 16): wie ift
es gekommen, mein Sohn — wörtlich heifst: was iffder
Grund geworden, dafs du floheft, oder: was ift die Bot-
fchaft gewefen, dafs die Stadt fo auffchrie —, würde
fich eine fonderbare Vorftellung vom hebr. Wortlaut
machen. War es nothwendig, zu 14, 16 anzumerken, dafs I
b Q1BSPI Umfchreibung des Genitiv ift, oder 16, 5, dafs
die Bejahung durch Wiederholung des gefragten Wortes
ausgedrückt wird, oder, dafs 16, 2; nimm mit dir —
eigentlich lautet: in deiner Hand, vgl. 16, 20; oder 21, 10
zu: es giebt feinesgleichen nicht, d. i. Keines ift mir fo i

willkommen; oder zu 22, 2 es heifse wörtlich: jeder
Mann (der) Klemme; oder zu 2 S. 1, 26, dafs nachdem
tV2S2 den Begriff des Süfsen, Erfehnten gefetzt hat, das
blofse fa genügt um ,füfser als' auszudrücken? u. f. w.

1, 21, 6 ift mir nicht klar geworden; der zweite Satz der
Anm. t zu II, 1, 21 ift gar undeutlich.

S. 493—498 handelt von der Chronologie der Königsbücher
; 499—503 enthält das Verzeichnifs neu ieftge-
ftellter und erklärter Wörter, Wortformen und Sachen.
Die Einleitung befpricht: 1. Namen und Eintheilung;

2. Inhalt; 3. Quellen und Vorlagen; 4. Text und führt
5. Exegetifche Hilfsmittel an.

Was das Materielle betrifft, möchte ich den entfetz-
lich kleinen, engen, ermüdenden Druck der Einleitung
beklagen. Was den Inhalt betrifft, fällt mir auf eine zu
tiefe Einficht in die Motive der Verfaffer der betreffenden
Bücher, in das Wefen der Quellen und in ihre Art,
ein zu genaues Wiffen um ihr Alter und ihre Entftehung.
Auch hier kann ich mich einer fehr ftarken Dofis von
Skepticismus nicht erwehren, wenn ich z. B. vernehme,
dafs Kloftermann's zweiter Erzähler nicht was erzählt
wird, wiedergiebt, fondern gefehenes Gefchehen, an
dem er felbft mitgewirkt (S. XXIII); dafs die eine
Grundlage der Erzählung in den Samuelbüchern ein
Memoirenwerk ift von einem Zeitgenoffen David's und
Salomo's, Ahimaaz, dem Sohne Zadok's (S. XXXII,; dafs
der erfte, der epifche Erzähler in einer Zeit fchreibt,
wo auch die Anhänger des Haufes Saul's mit dem Königthum
David's fich in dem Gedanken ausgeformt haben,
dafs der von Gott erkorene und thatfächlich beftätigte
Rächer Israel's und Saul's an feinen Feinden fich felbft
als Zugethaner des Haufes Sauls erwiefen hat, indem er
die Todten und die Ueberlebenden desfelben pietätsvoll
ehrt, wie fein eigen Fleifch und Bein (S. XXXlII); dafs
es ferner rficht unwahrfcheinlich fei, dafs es ein zeitge-
nöffifches Memoirenwerk über die Königsherrlichkeit
David's und feine Vorgefchichte gab, welches von Ira,
mit deffen Namen es fchlofs, herrührte (S. XXXIII).
Ueber den gefchichtlichen Werth der einzelnen, einander
fo vielfach widerfprechenden Quellen erfahren wir nichts.

Sind auch ,aulser Thenius und Wellhaufen nur wenige
Menfchen heute ohne weiteres im Stande, den ganzen
Umfang der nun in den Noten verdeckten Abweichungen
zu ermeffen' (S. XI), fo wird jeder Wiffenwollende
für die mit unermüdlichem Fleifse gefammelten, reichlich
dargebotenen Schätze des Wiffens und der Divination
dem verehrten Verfaffer erkenntlich fein und deffen fo
fleifsige und kritifche Arbeit fleifsig und kritifch mit Dank
benutzen.

Colmar. L. Horft.

Reuss, Ed., Hiüb. Braunfchweig, Schwetschke & Sohn,
1888. (IV, 115 S. 8.) M. 2.—

Das Buch wendet fich an ,weitere, ungelehrte aber
nicht ungebildete Kreife, um ihnen ein wunderfchöncs
Denkmal alter Literatur und l'hilofophie zu empfehlen'.
Der Nachdruck liegt auf der Ueberfetzung, in ihrem
gröfsten Theile auch das Neue an der Gabe des Ver-
faffers. Im Jahre 1869 hatte er einen Vortrag über das
Buch Hiob gehalten, der dann auch im Druck erfchien
(Das B. H., Vortrag, Strafsburg 1869). Der Text desselben
, mehrfach gekürzt und verbeffert, doch in der
Hauptfache unverändert, leitet das vorliegende Büchlein
ein, die reichlich eingeftreuten Proben einer neuen Ueberfetzung
find herausgehoben und folgen nun in der voll-
ftändigen Wiedergabe der herrlichen Dichtung. Dafs
diefe eine glänzende zu nennen ift, verlieht fich bei der
hervorragenden formalen Begabung des Verfaffers von
felbft. Die dichterifche Rede giebt er in zwanglofen
jambifchen Reihen wieder, wohl die richtigfte Auskunft,
unfer verwöhntes Ohr die gebundene Rede empfinden
zu laffen, ohne der Schlichtheit der Vorlage zu nahe zu