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Ausgabe:

1888

Spalte:

337

Autor/Hrsg.:

Riggenbach, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die christliche Liebesthätigkeit für die Gefangenen 1888

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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Seite 1

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337

Schütz überhaupt erft wieder in die Mufikwelt eingeführt ja z. B. die Erörterung der erften Frage zu dem Er-
hat, dafs jede Paffion für fich einheitlich belaffen werde, gebnifs fuhren, dafs die Art der Todtenbeftattung an
fchon um das von Schütz der Eigcnthümlichkeit jedes und für fich zu den Mitteldingen zu rechnen fei, gerade
Evangeliften gegebeneGepräge nicht.zu zerftören, das fich auf evangelifch-chriftlichem Boden, und dennoch die
z. B. gleich in der Wahl der Tonart ausfpricht (Matthäus zweite Frage bejaht werden müffen, dafs wir in den Be-
— dorifch; Lucas — lydifch, Johannes — phrygifch). Durch j ftrebungen für Einführung der Leichenverbrennung nach
Kürzungen angemeffener Art kann Monotonie vermieden den Motiven, durch welche diefelben geleitet werden,
werden. Die Aufführung erfordert einen ordentlichen und nach dem Gcifte, der fich darin offenbart, den AusChor
, wie ihn die ftädtifchen Gemeinden ja haben, einige
tüchtige Soliden und einen verftändigen Organiften, da
das moderne ühr die Hinzufügung der harmonifchen
Unterlage fordert, die Schütz auch nicht grundfätzlich
ausfchlicfst. Spitta appellirt zum Schlufs an die kirchlichen
Behörden, Scminarien, Kirchenchöre: — ,fie mögen
bedenken, dafs das Auferftehen eines folchen Geiftes
(wie Schütz) für Kirche und Religion von gröfserem
Segen ift, als die Bemühungen, in denen fich vielfach die
kirchlichen Kreifc unferer Zeit verzehren, und die unfer
Gefchlecht oft genug hinweglocken von dem Jungbrunnen,

druck mehr oder weniger bewufster Feindfchaft gegen
das Chriftenthum oder doch der Indifferenz und Entfremdung
zu betrachten und zu bekämpfen haben. Es
könnte aber auch — unter Beibehaltung des Oberfatzes,
dafs an und für fich die Art der Todtenbeftattung zu
den Mitteldingen gehöre, und trotzdem, dafs es nicht eben
die Freunde chriftlicher Lebens- und Weltauffaffung find,
welche die Feuerbeffattung vertreten, — die weitere Erwägung
dahin führen, dafs wir zu den genannten Be-
ftrebungen uns nicht gegenfätzlich zu verhalten, fie vielmehr
des widerkirchlichen Geiftes und Gepräges zu ent-

aus dem die ermattende Seele immer aufs neue Kraft kleiden, chriftlich zu prägen hätten, dann nämlich, wenn
fchöpft zum Auffchwung in das Reich des Schönen und ! zwingende Gründe z. B. fanitärer Art, alfo die Rückficht

Guten'.

Friedberg. H. A. Köftlin.

iggenbach, Doz. Pfr. Beruh., Die christliche Liebesthätig-
keit für die Gefangenen. Vortrag. Bafel, C. F. Spittler,
1888. (24 S. 8.) M. -.25

In kurzen Zügen führt der Verf. dem Lefer vor, was
die Kirche im Verlauf ihrer Plntwickelung gethan hat, I bens? Wird das Letztere bejaht und gefagt, dafs die

auf das Gemeinwohl zur Abänderung der beftehenden,
mit den chriftlichen Lebensgedanken eng verwachfenen
Beftattungsweife nöthigen würden Denn in diefem Falle
wäre doch wohl der Kanon anzuwenden, nach welchem
Chriftus Marc. 2, 27 das Sabbathgefetz werthet. Die beiden
Glieder der Alternativfrage fchliefsen fich fomit nicht
aus. Genauer müfste die Frage fo geftellt werden: ift
die Art der Todtenbeftattung zu den fogenannten Mitteldingen
zu rechnen oder gehört fie zur Subftanz des Glau-

um der Pflicht, welche fie den Gefangenen gegenüber ! FVjrm der Beerdigung durch den Artikel von der Auf-
gemäfs dem Herrnwort Matth. 25, 36. 40 zu erfüllen hat, ' erflehung des Fieifches bedingt, in demfelben mitgefetzt
gerecht zu werden. Es ift bis auf Vincent de Paul und fei, fo ift für ernfte Chriften die FYagc abgefchloffen, die
die Bahnbrecher der Gefängnifsreform Howard, Elifabeth ' weitere Erörterung abgefchnitten, fie können ihrerfeits
Fry, FTiedner, Wichern wenig genug, und eine grofse ! fich dann nur ablehnend und abwehrend gegen die FVuer-
Unterlaffungsfünde der Chriftenheit ift noch gut zu ; beftattung verhalten. Wird aber die erftere Frage bejaht

machen. Fiat doch die Kirche — mit wenigen Ausnahmen
— für die Gefangenen in ihrer Mitte nicht einmal
im allgemeinen Kirchengebet ein Wort. Der Vcrf,
legt uns in warmer, an das chriftliche Gewiffen fich wendender
Sprache, die Pflicht auf's Gewiffen, und der Vortrag
, der auf wenig Seiten viel giebt, verdient in weiteften

und betont, dafs die Art der Todtenbeftattung nicht zur
Subftanz des Glaubens gehöre, nicht wefentlich und
nothwendig durch den Glauben an die Auferftchung des
Fieifches bedingt fei, fo hängt unfer Verhalten zu den
Beftrebungen der Feuerbeftattungsfreunde nicht blofs davon
ab, ob es chriftliche oder antichriftliche Motive find,

Kreifen Verbreitung, da trotz der Fortfehritte, welche welche den Anftofs zur der Bewegung gegeben haben,

das Intcreffe für diefen Zweig der inneren Miffion gemacht
hat, die eigentliche Arbeit doch nur Wenigen
überlaffen bleibt und nicht nur bei der Gefellfchaft, fon-

fondern davon, ob die dafür geltend gemachten Gründe
fo gewichtiger und zwingender Art find, dafs der Ver-
luft an Pietät und Lebensgedanken, welchen die Aende-

dern auch in kirchlichen Kreifen auf die gröfsten Schwie- rung der jetzigen Beftattungsweife bedingt, dafs das
rigkeiten und Vorurtheile ftöfst. Brechen mit der allgemein chriftlichen, in engfter Be-

FViedberg Köftlin I z*ehung zur chriftlichen Auffaffung vom menfehlichen

Leibe und der Perfönlichkeit flehenden Sitte fich rechtfertigt
. Erft wenn diefe FVage nach gewiffenhafter Er-
Sartorius, Pfr. Karl, Die Leichenverbrennung innerhalb der wäeung verneint wird, ftellt fich für uns die Sache fo,

christlichen Kirche. Eine hiftorifch-theologifche Studie. <jafs wir uns in Anbctracht d« Motivf und des Geiftes

der uns dann entgegentritt, ablehnend und bekamplend
gegen die Feuerbeftattung zu verhalten haben, aber
trotz allem nur foweit, dafs wir ein mit dem chrift-

Bafel, Detloff, 1886. (III, 55 S. gr. 8.) M — .80.
Der Verfaffcr geht von der Frage aus: ,wie haben

wir als evangelifche Chriften und als Diener der Kirche I liehen Gedankenkreis und der chriftlichen Pietät ver-
die da und dort angeftrebte und verfuchte Wiederein- ! wachfene Sitte nicht ohne dringende Noth preisgeben,
führung der Leichenverbrennung anzufeilen? und wie j ohne von vornherein einen Gewiffensfall daraus zu machen,
demgemäfs vorkommenden Falls uns zu verhalten'? Die ' weil die Entfcheidung für und wider von Fall zu Fall
Anwort auf diefe Frage ift bedingt durch die Beantwor- 1 verfchieden zu beurtheilen ift. Der Verf. geht denn auch
tung der weiteren Frage: ,ift die Art der Todtenbeftat- diefen Weg und weift zunächft den innigen Zuiammen-

tung von evangelifch-chriftlichem Gefichtspunkt aus zu
den fogenannten Adiaphoris zurechnen? oder haben wir
die Beftrebungen, an die Stelle der Beerdigung wieder
den Leichenbrand zu fetzen, als einen Angriff auf die
evangelifchen Heilsgütcr, als ein Zurückfinken in's Hei

hang nach, in welchem die Art der Beftattung, bezw.
die Form der Beerdigung mit dem Chriftenthum fleht, welches
überall die Feuerbeftattung, wo es fie traf, abgefchafft
hat; fodann geht er der modernen Bewegung für Feuerbeftattung
auf den Grund und prüft deren Motive; er kommt

denthum, als einen Ausdruck mehr oder minder bewufs- 1 zu dem Ergebnifs, dafs die von Seiten der Gefundheits-
ter Feindfchaft wider das Chriftenthum von Seiten der I pflege geltend gemachten Gründe nicht zwingender Na-
materialiftifch.cn Denkweife zu betrachten und zu bekäm- ) tur feien, dafs vielmehr hinter denfelben fich der Geift
pfen'? In diefer F'affung fcheint uns die FYageftellung I der Verneinung des fpeeififeh Chriftlichen verberge und
der Schärfe und Genauigkeit zu ermangeln: es könnte defshalb die Beftrebungen abzulehnen feien. Denn die