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Ausgabe:

1888

Spalte:

309-312

Autor/Hrsg.:

Krüger, Wilh.

Titel/Untertitel:

Phantasie oder Geist? 1888

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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309

Theologifche Literaturzeitung. r.888. Nr. 12. 310

von ihm bekämpften Lehre, denen er wiffentliche Ver- 1 Theolog hatte bei Gelegenheit feiner Recenfion von
dunkelung und Entftellung der Schriftwahrheit vorwirft. Benders Buch ,Das Wefen der Religion' in der Th. L.-
Die Schrfft legt kein günftiges Zeugnifs für die theolo- , Zeitg. dem Verfaffer, der fich in verfchiedenen Schriften
eifche Vorbildung ihres Verfaffers ab. Zu verwundern über Bender verlautbart hatte, mit Anderen zufammen
tlt nur. wie derfelbe fich für berufen erachten kann, eine I (ihn freilich allein mit Namen nennend) die Bemerkung
Fortfetzung der Reformation anzubahnen und feine un- gewidmet, dafs Bender feine .dreifte Unwiffenheit' wohl
bedeutende Schrift für einen Anfang derfelben anzu- , ,mit Spott' habe begleiten können. Krüger nimmt dafür
fehen. Unbegreiflich geradezu aber ift es, dafs diefelbe ; feine Rache, indem er in einer rein agitatorifch gehalte-
der deutfehen Leferwelt in Ueberfetzung dargeboten und ; nen Auseinanderfetzung der Gemeinde zu .erfahren' giebt,

angepriefen wird.

Dornreichenbach. Lic. th. Dr. Wetzel.

was es mit Herrmann's Theologie auf fich hat. — Im
Eingange fchreibt Krüger: .Nachdem ich das perfönlicli
Beleidigende, was in jenem Urtheil über meinen Angriff

Stoffregen. Wilh., Der Tod der Unsterblichen. Leipzig, fgen Bender lag in den Winkel geworfen hatte, wohin
' . » / c q M folche Scherben des menfehhehen Verkehrs geworfen

Friedrich, 1888. (107 S. 8.) au 2. zu wer(jeri verdienen, erfchien es mir immerhin der Muhe

Unter diefem gefchmacklofen Titel wird uns eine j werth, der Furage tiefer nachzuforfchen, worin es doch
Schrift dargeboten, die fich zum Ziel gefetzt hat, die feinen Grund haben mochte, dafs ein ernfter, gelehrter
gefammte Philofophie, deren Bedeutung durch das Auf- Theologe, deffen perfönliches Auftreten mit dem von
blühen der Naturwiffenfchaften längft in Schatten geftellt , Prof. Bender keine Aehnlichkeit hatte, fich veranlafst
fei, als nunmehr abgethan, des Namens einer Wiffen- fand, fo rückhaltlos jede, auch die leifefte Gemeinfchaft
fchaft nicht werth und einem nahen völligen Untergang mit einem anderen Theologen abzuweifen, der doch in
ceweiht nachzuweifen. Ihr Verf. fucht diefes Ziel durch der Verwerfung des Bender'fchen Standpunktes mit ihm
einen fluchtigen Blick auf die Gefchichte der Philofophie zufammen traf. Als ich diefe Worte las, freute ich mich
zu erreichen! Die .Raffe' der Philofophen erfcheint dem j aufrichtig über die, wie mir fchien, charaktervolle Art,

von Darwin'fcher Weisheit gefättigten Jünger der exaeten
Wiifenfchaft im Licht einer Claffe von Organismen, die
nun dem Ausfterben nahe fei, weil die Umftände, die
ße gezüchtet haben, im Verfchwinden begriffen feien.
Den .Unfterbüchen', die lange genug die Alleinhcrrfchaft
im Reiche des Geiftes fich angemafst, ftehe dasfelbe
Schickfal bevor, das verdienter Mafsen die Priefterherr-
fchaft vergangener Jahrhunderte betroffen. Wie fich dem

wie Kr. fich über etwas, was er als eine Beleidigung
empfunden hatte, auch empfinden konnte, wiewohl eine
andere Betrachtung auch geftattet war, hinweggefetzt hatte;
ich hoffte auf eine fachliche und für eine Discuflion
geeignete Entwicklung der Bedenken, die von demjenigen
Standpunkte, den man im Sinne der Rheinprovinz
den gläubigen oder kirchlichen nennen kann, wider die
Ritfchl'fche Theologie', die Herrmann mitvertritt, er-

fchichte der Philofophie darftellt, möchte immerhin von
einem pathologifchen Intereffe fein, hätte derfelbe nur
dazu Zeit gefunden, fich etwas eingehender mit derfelben
zu befaffen. Seine Schrift legt indefs von keiner ernfteren
Befchäftigung mit dem Gegenftand, über welchen er abBlick
eines Jblchen Jüngers der Wiffenfchaft die Ge- | hoben zu werden pflegen. Selbft ein Rheinländer, hatte

ich mich zur Anzeige der mir nur durch ihren Titel bekannt
gewordenen Schrift erboten, da ich ganz befon-
ders gerne einmal über Recht und Unrecht der im Rheinland
üblichen Form von Gemeindeorthodoxie, die mir
an und für fich durchaus ehrwürdig ift, verhandelt haben
fpricht, Zeugnifs ab. Nur Schopenhauer fcheint ihn an- I wurde. Allein was Kr. im Eingange feiner Schrift fagt,
gezogen zu haben, er fpendet der titanifchen Idee, die 1 bezeichnet höchftens eine Anwandlung von Gehaltenheit
er zum Ausdruck gebracht, Bewunderung, obwohl er fie I mit Bezug auf das, was ihn .beleidigt' hatte, er hat in
nur als einer krankhaften Gemüthsftimmung, einem un- j Wirklichkeit eine durchaus gehäflige Stimmung gegen
ruhigen Herzen entflammt anzufeilen vermag. Ift feine Herrmann. Denn gehäffig nenne ich die Stimmung, in
Kenntnifs der philofophifchen Syfteme eine nur ober- | der man Jemandem Alles zum Uebeln wendet, ein Mifs-
flächliche, fo ift fein Urtheil über die chriftliche Ethik j trauen gegen Jemanden hegt, welches nie die Abficht

geradezu confus, indem er fie einmal als etwas moralifch
Schlechtes bezeichnet und kurz darauf von der Liebe zu
einer anderen Welt redet, für welche ungehäffig das grofse
Herz der chriftlichen Ethik fchlage. Beides freilich ift
CTefaCTt in Gänzlicher Verkennung des Wefens chriftlicher
Ethik, als" welches er die Bettelarmuth und Verzicht-
leiftung auf alle irdifche Beftrebungen bezeichnet. An
ihre Stelle möchte er die That als fittliches Befreiungsmittel
des Bewufstfeins der Menfchheit, fpeciell des

verräth, die Gedanken deffelben im Licht der von ihm
felbft angenommenenConfequenzen zu betrachten*). Ich
kann nur lagen, dafs Kr. Herrmann und der Ritfchl'fchen
Theologie gegenüber meift offene Thüren einrennt. Was
er einwendet, ift gröfstentheils von der Art, dafs wir alle-
fammt es feit langer Zeit fehr viel ernfter zu erwägen
gewohnt find, als Pfarrer Kr. Derfelbe fleht in Herrmann
's Lehre, dafs dem Sünder überall mit dem Evangelium
zu begegnen fei, eine religiöfe oder wenigftens

deutfehen Geiftes hinftellen, den kriegerifchen Drang des j theologifche .Oberflächlichkeit', die er nicht fcharf genug

deutfehen Volkes, der in Friedrich dem Grofsen feinen
unfterbüchen Ausdruck gefunden, neu beleben. —

Die Schrift ift ein trauriger Beweis für die Verwirrung
, welche wiffenfehaftliche Theorien in den Köpfen
einzelner ihrer Vertreter anrichten können, fobald diefe
von der erträumten Höhe der angeblich allein fo zu
nennenden exaeten Wiffenfchaft geringfehätzig herabblicken
zu dürfen meinen auf jedes andere wiffenfehaftliche
Gebiet und das Bewufstfein um die Zufammenge-
hörigkeit der Wiffenfchaft in allen ihren Zweigen darüber
verlieren.

Dornreichenbach. Lic. th. Dr. Wetzel.

Krüger. Paft. Wilh., Phantasie oder Geist? Ein Beitrag
zur Charakteriftik der Ritfchl'fchen Theologie. Bremen,
Müller, 1887. (III, 135 S. 8.) M. 1.80.
Die Schrift ift wider Herrmann gerichtet. Diefer

zu prangern weifs. Hat Pfarrer Kr. wirklich keine Vor-
ftellung davon, dafs Gottes Güte der kräftiglte Impuls
ift, der uns zu Bufse treiben kann? (Rom. 2, 4).
Vermag er fich gar nicht zu denken, dafs ein ernfter
Theolog die Lehre vertritt, das Evangelium von dem
Gotte der heiligen, gerechten Liebe, der uns zu fich
und zur Theilnahme an feinem überweltlichen ewigen
Leben beruft, könne uns allein folch einen Eindruck
von unferer Schuld erwecken, dafs wir dem Gewiffen
nicht mehr entrinnen? Ift ihm die Beforgnifs unbegreiflich
, dafs eine Reue, die nicht aus der Predigt des Evangeliums
flammt, je länger je ficherer geradezu in ihr
Gegentheil umfchlagen werde? Hätte Kr. Herrmann's
Schriften nur halbwegs mit gutem Willen gelefen, fo

*) Nebenbei bemerkt, ift H. kein .Schüler' von Luthardt, wie Kr.,
ich weifs nicht woraufhin, S. 37 hervorhebt, um H. Schlimmes nach-
fagen zu können; derfelbe hat nur in Halle ftudirt.

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