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Ausgabe:

1888 Nr. 12

Spalte:

303-305

Autor/Hrsg.:

Lambros, Spyridion

Titel/Untertitel:

A collation of the Athos codex of the Shepherd of Hermas. Ed. by J. Armitage Robinson 1888

Rezensent:

Harnack, Adolf

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3°3 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 12. 304

Adrian, dafs neben dem fei es an fich, fei es in Folge Codex am Rande befchrieben habe. Wer diefer Minas
der Lectionsverfchiedenheiten, nicht feiten fehr fchwie- Minoides ift, ift wohl nicht zweifelhaft. Die 6 Blätter
ngen griechifchen Texte eine erleichternde Ueberfetzung pafsten genau zu den 3 Leipzigern. Blatt 1—4, 7. 8 ift
erfcheine, welche die Ungeduld verfcheucht und neben im Gregoriusklofter, Blatt 5. 6. 9 auf der Leipziger Biblio-
dem Verftändnifs des Einzelnen das des Ganzen wefent- thek. Eintheilung der Seiten (72 Zeilen, c. 90 Buchftaben
lieh erleichtert. Alfo foll wie für die ganze Schrift, fo auf der Zeile), die höchft feine Schrift, die Charaktere
auch für die deutfehe Ueberfetzung dem Herrn Verfaffer des 14. Jahrhunderts — Alles ftimmt. Alfo befitzen wir
deutfeher Dank gefagt, und ihm bei der Gelegenheit das , nun B/10 des Hirten in einer Handfchrift. Lambros hat
kleine Verfehen zu Gute gehalten werden, dafs er fich j die Blätter nach unferer Ausgabe collationirt und aufser-
auf dem Titel verbi divini magister genannt hat. Selbft | dem durch feinen Schüler Georgandas eine Abfchrift
die ausgezeichnetften Paftoren und Profefforen der Theo- nehmen laffen, in welcher auch die kleinften Minutien
logie haben nicht magistri, fondern nur interpretes oder vermerkt worden find. Er hat aber nicht diefe Abfchrift
ministri des göttlichen Wortes fein wollen; und wenn veröffentlicht, refp. dem Herrn Robinfon zur Veröffent-
man fie mit dem Doctortitel geehrt hat, fo hat man fie lichung im Englifchen übergeben, fondern — was durch-
nicht zu doctores verbi divini, fondern zu doctores theolo- aus zweckmäfsig war — eine Collation der Handfchriit
giae zu erheben gemeint. Um fo mehr ift ihm zu wün- mit dem Apographon des Simonides (nach Gebhardt's
fchen, dafs er magister multorum, immo plurimorum werden Ausgabe).

möge. In Bezug auf Adrian kommt ihm diefe Ehre Wie ftellt fich nun diefes Apographon dar? Nun die

bereits zu. Befürchtungen haben fich in vollem Umfang bewahr-

Marburg. K Ranke heftet. An mehr als 600 Stellen hat Simonides das

__.___' ! Original falfch wiedergegeben, theils aus Flüchtig-

I keit, theils aus Muthwillen, indem er bei unleferlichen
Die Wiederauffindung der Athoshandschrift des Hirten Stellen, kleinen Lücken (die Handfchrift hat ziemlich
des Hermas. viele Riffe oder Löcher) u. f. w. einfach fubftituirte, was

1 o«,kK«o v__( r_ c r> « •■ i- t il ... . ihm paffend erfchien, vielleicht auch fchon hie und da,

Lambros Prof. Dr. Spyr. R, A collation of the Athos codex wje & feincr f äter<In vöUig gefälfchten Abfchrift, auf

Of the Shepherd of Hermas. logetner with an intro- die lateinifche Verfion einen Blick warf. Aufserdem hat
duetion. Translated and edited with a preface and | er das Original felbft an einigen Stellen durch Randbe-
appendices by J. Armitage Robinson, M. A. Cam- j merkungen verunziert.

bridge, at the University Press, 1888. .'XII, 36S. gr. 8.) „ Alfo wären die bisherigen Ausgaben des Hirten,
■fo v & refp. die Abfchnitte, welche (im Griechifchen) allein auf

° dem Apographon beruhen, unbrauchbar? Zum Glück ift

Wiederhaben wir die Freude, eine verloren geglaubte das nicht der Fall. An ungefähr 30x3 Stellen von jenen
koftbare Handfchrift, diesmal des Hirten des Hermas. mehr als 600 hat Gebhardt durch Conjectur oder mit
zu begrüfsen. Hülfe der Verfionen die richtige Lesart der Athoshand-

Bekanntlich (fiehe die Prolegg. von Gebhardt) ruht : fchrift und damit die richtige Lesart überhaupt herge-
unfere Kenntnifs des Hirten — von den Verlionen ab- 1 ftellt. Lambros hat mit einem ,sic' überall in feiner
gefehen — auf drei fragmentarifchen Zeugen: 1) auf dem 1 Collation bemerkt, wo Gebhardt diejenige Lesart er-
Sinaiticus, der aber nur die Vifionen und einen kleinen mittelt und in den Text aufgenommen hat, die die Athos-
Theil der Mandata enthält, 2) auf drei Blättern einer handfchrift wirklich bietet, während fie Simonides in
Athoshandfchrift saec. XIV., die Simonides geftohlen und | feinem Apographon entftellt hat. Ein glänzenderes Zeug-
der Leipziger Univerfitätsbibliothek verkauft hat und die ; nifs für den Scharffinn und die Sicherheit der kritifchen
des Textes des Hirten enthalten, 3 auf der Abfchrift, I Methode konnte fich Gebhardt nicht wünfehen. Es ift
die Simonides von den übrigen u/10 diefer Handfchrift das zweite Mal, dafs feine textkritifchen Arbeiten eine

genommen hat (das letzte Blatt, d. h. das letzte Zehntel,
war, wie es fcheint, nicht in feine Hände gekommen,
refp. die Handfchrift war fchon defect, als er fie beftahl
und abfehrieb; daher befitzen wir den Schlufs des Buchs

fchwere Controle zu erleiden hatten. Das erfte Mal war
es die Auffindung der Conftantinopolitanifchen Handfchrift
der Clemensbriefe, die unmittelbar nach der Edition diefer
Briefe erfolgte; diefes Mal ift es der Codex, den man aus

im Original überhaupt nicht). Simonides' fchlechter Abfchrift zu enträthfeln hatte und

Jene °/10 galten bisher für verloren, und fo war man der nun gefunden ift: in beiden Fällen ift die Probe
für Aliud. IV, 3—XII, 4 (p. 82, 16—128, 6) und für Sim. glücklich beftanden.

VIII, 4—IX, 15 (p. 182, 11—228, 1) lediglich auf das Die grofse Mehrzahl der Fälle, die nicht unter jene
Apographon Simonides', welches fich in Leipzig befindet, 300 gehören, bringt Lesarten, die Niemand aeeeptiren wird
gewiefen. Dafs dasfelbe, wenn es auch nicht eine dreifte oder die graphifche Minutien enthalten. Doch find immer-
Fälfchung war, wie jene zuerft in Leipzig von Simonides hin nicht ganz wenige Stellen vorhanden, wo der neue
producirte Abfchrift, doch ein höchft lüderliches und an | Fund den Text berichtigt, und vor Allem können wir
einigen Stellen auch entftelltes Werk fein mufste, leuchtete I nun die vier grofsen Lücken ergänzen, die das Apo-
Jedem ein, der es genauer ftudirt und mit den Verfionen graphon, wie die Verfionen zeigten, enthielt und die bisverglichen
hat. Man mufste es aber nothgedrungen in her durch Rücküberfetzung ins Griechifche geftopft werden
den betreffenden Abfchnitten zu Grunde legen; jedoch ■ mufsten. Wie die wiederentdeckte Handfchrift zeigt, hat
hat es z. B. von Gebhardt an unzähligen Stellen ver- hier Simonides überall in Flüchtigkeit Zeilen ausgelaffen.
laffen und theils durch Conjectur, theils von den Verfionen Für die Stellen p. 106, 20—22; 190, 19—21; 198, 17.
geleitet, den Text felbftändig conftruirt. 18; 218,9. 10 (unferer Ausgabe) ift nun zum erden

Lambros, dem hochverdienten Hiftoriker und Paläo- , Mal der Originaltext gegeben, der natürlich von den
graphen, ift es nun geglückt, in der Bibliothek des kleinen 1 verfuchten Rücküberfetzungen erheblich abweicht.
Gregoriusklofters auf dem Athos i. J. 1880 jene 6 Blätter, In der Einleitung giebt Robinfon, dem Lambros

aus denen das Apographon Simonides' gefloffen ift, auf- : die Veröffentlichung überlaffen hat, eine kurze Ueberficht
zufinden, oder vielmehr, nachdem er feinen Katalog be- über die Gefchichte des gedruckten Hermastextes feit
endigt und das Zutrauen der Mönche gewonnen hatte, ■ 1857. Ueber das famofe zweite (zuerft publicirte) Apo-
brachte ihm einer derfelben, der Priefter Victor, die mit ! graphon des Simonides, über den gefälfehten Schlufs des
befonderer Sorgfalt gehüteten 6 Blätter. Im Klofter ift Hermas, den neulich Dräfeke und Hilgenfeld zu Ehren
nämlich noch eine Tradition vorhanden, dafs ein gewiffer i zu bringen verfucht haben, und über Hilgenfeld's feltfame
,Minas Minoides' die Plandfchrift beftohlen und auch den ; letzte Ausgabe des Hirten denkt er, wie der Unter-