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Ausgabe:

1888 Nr. 11

Spalte:

287-290

Autor/Hrsg.:

Köstlin, Heinrich Ad.

Titel/Untertitel:

Geschichte des christlichen Gottesdienstes 1888

Rezensent:

Spitta, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. II.

288

fchauung mufs ich die foeben fkizzirte fetzen, dafs die von
mir vorgeftelltc Welt, welche in ihrer gefetzmäfsig-un-
yerrückbaren Ordnung Realität für das erkennende Sub-
ject ift, noch in einem anderen höheren Sinn Realität
für mich hat. Aus der letzten Formulirung ift aber fo

Abfchnitt find die Tabellen zu betrachten, welche dem
Buche am Schlufs beigefügt find. Liefelben verfchaffen
uns einen fchnellen Ueberblick über die verfchieden-
artigen Geftalten des Gottesdienftes in der alten Kirche,
fowie über das Verhältnifs der lutherifchen Gottesdienft-

fort erfichtlich, dafs ich damit nicht etwa ein Erkennt- 1 form zu der römifchen Meffe.
nifsprincip habe, nach welchem ich entfcheiden könnte, Würde diefe Gefchichte des chriftlichen Gottes-

in welchem Umfang unfer Erkennen eine Reproduction , dienftes in unferer liturgifch fo regen Zeit von den

des transfubjectiven Jenfeits ift; diefe quälende Frage
ebenfo wie das ängftlichc Hafchen der Metaphyfik nach
der immer in Antinomien fich auflöfenden transfubjectiven
Welt ift hier zum voraus ferngehalten.

Wenn ich diefes principiellen Widerfpruchs gegen die
Pofition des Verf.'s mir bewufst bleibe, kann ich dank-

Theologen, fpeciell von den Pfarrern und Studiren-
den, eifrig benutzt, fo könnte man gewifs fein, dafs die
Confufion über das Wefen des chriftlichen Gottesdienftes,
welche fich rechts und links breit macht, zum grofsen
Theile fchwinden würde und das unglückliche Dilettiren
aufhören, das fich ein Jeder in feinem Kreife meint gebar
für die anregende Unterfuchung und in fehr weitem • ftatten zu dürfen. Möchte dem hochverehrten Freunde
Umfang zuftimmend fein Werk geniefsen. Las Zeugnifs, 1 ein folcher Erfolg feines Buches befcheert fein,
dafs auch wir Nichtfachleute aus dem inhaltreichen Werke Er wird es mir gewifs nicht verübeln, wenn ich mir

des Fachmanns vielen Gewinn und Genufs fchöpfen geftatte, bezüglich einiger Punkte hervorzuheben, was ich
können, möchte ich noch verftärken durch die Hinwei- j an feinem Buche mehr und was ich anders gewünfcht
fung auf die hervorragend gewandte und lichtvolle Dar- hätte. In dem Abfchnitt über den Gottesdienft im apo-
ftellungsweife. Dafs dabei doch in dem Sichdurchwin- ftolifchen Zeitalter berührt er in einer Unterabtheilung
den durch alle möglichen Probleme ,die Mühe des Suchens (S. 10) den Unterfchied des judenchriftlichen und heiden-
und Arbeitens' hervortritt, verlangt nicht eine Entfchul- { chriftlichen Gottesdienftes. Es mufs nun dem Lefer er-
digung des Verf.'s, fondern die Anerkennung des Lefers. j Rheinen, als ob erfterer nur eine Specialität des wefent-
Tübin^en Max Rei fehle ' ncn einheitlichen altchriftlichen Gottesdienftes wäre, von

dem heidenchriftlichen viel weniger unterfchieden, als von

diefem der der nachapoftolifchen Zeit. Dafs das nicht
Köstiin, Prof. Dr. Fleinr. Adf., Geschichte des christlichen | der Fall ift, bedarf wohl keiner Erörterung. Vielmehr
Gottesdienstes. Ein Handbuch für Vorlefungen und hegt die Sache fo, dafs der judenchriftliche Gottesdienft

Uebungen im Seminar. Freiburg i. B., Mohr, 1887. -er alteften Zflt> ,u?f..£llerdinjp nur aus An'

,Y , c ry , ö deutungen und durch Ruckfchluile conftruiren können,

' ' 2Ö3 b- m- 2 lab- Sr- 80 M- 6-— eine Specialität des jüdifchen Gottesdienftes war. Dem

Es freut mich fehr, dafs fich mir Gelegenheit bietet, gegenüber fleht die erfte Periode der Heidenkirche da

das Köftlin'fche Werk allen, die fich für die Verbeffe- als der Abfchnitt unficherer Anfänge und relativer Form-

rung und Entwicklung des evangelifchen Gottesdienftes , lbfigkeit auf gottesdienftlichem Gebiete, während der

intereffiren, auf das wärmfte zu empfehlen. Speciell
den Studirenden der Theologie wüfste ich kein Werk

judenchriftliche Gottesdienft in feinem Anfchlufs an Gefetz
und Volksfitte den Schlufs einer langen gottesdienft-

zu nennen, das knapper, zuverläffiger und anziehender ; liehen Entwicklung zeigt. Nur durch eine deutliche
in das Gebiet der Liturgik einführte, als das eben ge- : Hervorhebung diefer Thatfache wird es gelingen, das
nannte. Dasfelbe enthält auf einem Raum von 256 Seiten Recht eines evangelifchen Cultus, wie K. und ich ihn uns
einen Abrifs der Gefchichte des chriftlichen Gottesdienftes, i denken, aus der Gefchichte des Urchriftenthums zu er-
welcher fich folgendermafsen gliedert: 1. Alte Kirche mit | weifen. Ich brauche es K. nicht zu fagen, dafs die Anfänge
den beiden Theilen der apoftolifchen und nachapoftoli- ' des Gottesdienftes in den heidenchriftlichen Gemeinden
fchen Zeit und des altkatholifchen Zeitalters. 2. Katho- einerfeits die F'ormenarmuth des reformirten Cultus, ande-
lifche Kirche, felbftverftändlich zerfallend in den grie- rerfeits die Excentricität der Kulte in fectenhaften Gemein-
chifchen und römifchen Theil. 3. Die evangelifchc Kirche, fchaften als die Normalgeftalt des chriftlichen Gotteszerfallend
in die lutherifche und reformirte Kirche, fowie dienftes erweifen könnten. Wenn wir für unfer Ideal
in die Gefchichte des Verfalls und der Wiederherftellung des evangelifchen Gottesdienftes in urchriftlicher Zeit

des evangelifchen Gottesdienftes im 18. und 19. Jahr
hundert.

Die einzelnen Abfchnitte find zweckmäfsig fo geordnet
, dafs an erfter Stelle eine Quellenfchau fteht, die
bei dem altchriftlichen Gottesdienfte wichtige Quellen

einen Typus finden wollen, einen Gottesdienft, der tief
im Volksleben wurzelt, der durch fefte Formen vor fub-
jectiviftifcher Auflöfung gefchützt wird, der als eine
fichere und grofse Inftitution der Kunft wie dem ge-
fchichtlichen Leben einen feften Anfchlufs darbietet, der

ftücke wie das Kirchengebet aus 1. Clemens, die Didache, mehr ift als eine Sonntagsfchule: ein befeligendes Aus-
die Liturgieen aus den apoftolifchen Conftitutionen u. a. ruhen in Gott — fo können wir nicht auf den Gottesdienft
im Wortlaut mittheilt. Hinter diefer Quellenfchau, welche j des Paulus, fondern nur auf den der Urgemeinde hinblicken.
den Lefer durchaus genügend orientirt, folgt eine Er- | Es ift nöthig, dafs die immerhin einfeitigeBetrachtungsweife
örterung über die Principien des Gottesdienftes in dem | des jüdifchen Gottesdienftes, wie fie u. a. im Hebräerbriefe
betreffenden Zeitabfchnitt, und hier befonders tritt der vorliegt, ergänzt werde durch einen Hinweis auf die

mafsvolle Standpunkt des Verfaffers in wohlthuendfter
Weife zu Tage. Seine Haltung fteht durchaus in der
Mitte zwifchen den lutherifchen Cultusidealiften wie
Schoeberlein u. a. und der nüchternen Betrachtungsweife
, welche fich leider noch immer befonders auf liberaler
Seite behauptet. Köftlin ift eine Künftlernatur und

Praxis Jefu und der Urapoftel. In der That zeigt fich
in den Neugeftaltungen des Gottesdienftes auf heiden-
chriftlichem Gebiet oft geradezu der Keim zu den fpäte-
ren Entwicklungen der katholifchen Kirche, und ein
Zurückgehen auf die Urgeftalt in reformatorifchem Inter-
effe kann fich nur auf judenchriftlichem Gebiete befrie-

dabei ein durch keine confeffionellen Schranken beengter ; digt finden; womit felbftverftändlich der Repriftination

Vertreter der Wiffenfchaft. Darin liegt es, dafs er vor
anderen fähig war, eine kritifche Gefchichte desjenigen
Theiles des chriftlichen Lebens zu fchreiben, bei dem
mehr, als bei einem anderen, die Phantafie dem nüchternen
Verftandesurtheil zu Hilfe kommen mufs. — An
dritter Stelle handelt K. über die Form und Ordnung
des Gottesdienftes. Als wcrthvolle Zugabe zu diefem

der Form des jüdifchen Cultus nicht das Wort geredet
ift. Bei einer der wichtigften Erfcheinungen, dem
Abendmahl, ift diefes leicht genug zu zeigen. Der ur-
fprüngliche Sinn desfelben kann ficher nur begriffen
werden, fofern dasfelbe im Rahmen des jüdifchen Cultus-
lebens angefchaut wird. Aus demfelben gelöft und in
Verbindung gebracht mit Sitten, welche einem ganz