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Ausgabe:

1888 Nr. 11

Spalte:

283-287

Autor/Hrsg.:

Volkelt, Johs.

Titel/Untertitel:

Erfahrung und Denken. kritische Grundlegung der Erkenntnistheorie 1888

Rezensent:

Reischle, Max

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283 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 11. 284

Bezug auf den Protestantismus. Aber es ift gewifs eine
wiffenfchaftliche Aufgabe (nur mit viel befchränkterer
Bedeutung als diejenige, die man bisher der Symbolik
anvertraute), auch den Inhalt der Symbole zu beleuchten.
Es gehört durchaus zur Reformationsgefchichte, dafs man
die (Symbole* des Proteftantismus verftehe. Alfo eine
,Symbolik' in der Weife, wie unfere alten Theologen
des 17. Jahrhunderts fie betrieben, d. h. befonders eine
Theologie unferer evangelifchen Symbole ift ein fehr
erwünfchtes und dankbares Unternehmen. Wie aufser-
ordentlich viel ift noch zu thun, um nur die (am meiften
bearbeiteten) lutherifchen Symbole wirklich ganz durchfichtig
zu machen! Man vergleiche die beiden jüngften
Arbeiten hierzu, die fehr verfchiedenartigen und doch
beide gleich vortrefflichen Unterfuchungen von Loofs
und Eichhorn über ,die Rechtfertigungslehre der Apologie
'. Nun bemängele ich den Fleifs und die Sorgfalt,
die Bartels und vielfach mehr noch Plitt aufgewandt
haben, um die Lehre der lutherifchen Symbole darzustellen
, durchaus nicht. Aber Beide verfehlen es in der
Methode. Sie behandeln die Symbole etwa wie man
früher, ehe es eine biblifchc Theologie gab, die hifto-
rifch verfährt, die Bibel behandelte: die Auguftana, die

Methode der Einführung von ,leitenden Gefichtspunkten',
d. h. er bringt gewiffe Begriffe, deren Bedeutung uns
bekannt ift, deren objective Gültigkeit aber noch gänzlich
dahingestellt bleibt, an das reine Erfahrungswiffen heran
mit der Frage, ob diefelben fich fchon im letzteren finden.
So conftatirt er vor allem, dafs von Nothwendigkeit, von
Allgemeinheit, von Caufalzufammenhang in der reinen
Erfahrung nichts zu entdecken fei. Unter diefen Umständen
aber führt der Gedanke, alles Erkennen auf reine
Erfahrung zu befchränken, keineswegs zu ficherem objec-
tivem Wiffen, fondern nur zu einer Verzweiflung an aller
Wiffenfchaft, zu abfolutem Skepticismus. In Ueberwin-
dung des Standpunktes der reinen Erfahrung gewinnt
nun Volkelt durch die Methode kritifcher Selbftbelinnung
das Refultat: Es ift allein das logifche Denken, mit dem
fich daran knüpfenden Bewufstfein der Nothwendigkeit,
welches eine objective Erkenntnifs fchafft; aber nur in
Zufammenwirkung mit Erfahrung führt das logifche Denken
zum Erkennen. Das in ,reiner Erfahrung' Gegebene
(die als Bewufstfeinsthatfachen vorhandenen Empfindungen
, Erinnerungsvorftellungen etc.) bildet nicht allein die
Grundlage, von welcher ausgehend das Denken zu ob-
jectiver Erkenntnifs fich erhebt, fondern es liefert den

Schmalkaldifchen Artikel, die Concordienformel, das alles ; Stoff, durch deffen theils unbewufst, theils bewufst gefind
gleichartige, gewiffermafsen zeitlofe, einheitliche i fchehende logifche Verarbeitung, nämlich die Verknüpfung
Schriftstücke. In abftracter Betrachtung wie etwa ein j durch die Kategorien, weiterhin die fubjectiven Veran-

Jurift in der Praxis ein Gefetzbuch oder verfchiedene, aus
früherer und fpäterer Zeit stammende, für die Gegenwart
aber noch fämmtlich zu Recht bestehende Gefetzbücher
behandeln mag, stellt fowohl Plitt wie Bartels es fest,
wie ,die Symbole' über einen bestimmten Punkt lehren.
Plitt belegt in demfelben Satze die erste Hälfte mit einer
Stelle aus der Apologie, die zweite mit einer Stelle aus
der Concordienformel! Man findet überall — das gilt
a priori — Einklang, zum Theil ,Fortbildung', nie Wider-
fprüche. Leider ift es dem Historiker nur nicht möglich,
diefe Betrachtung zu billigen. Die einzig mögliche
wiffenfchaftliche Betrachtung der Symbole ift die
hiftorifche, die jede Schrift mindestens zunächst für

staltungen des Urtheilens, Schliefsens, Beweifens, Begriffe-
bildens etc., das Denken allein eine Erkenntnifs der ob-
jectiven Welt gewinnt. Jene Veranftaltungen des Denkens
werden dann darauf hin unterfucht, wie weit fie objective
Geltung haben; daran fchliefst fich ein fcharffinnig und
intereffant ausgeführter, nur über den Rahmen einer er-
kenntnifstheoretifchen Principienlehre zum Theil hinausführender
Abfchnitt über ,die Arten und Urfprünge der
Ungewifsheit des Erkennens' und endlich eine theils die
Unterfuchung ergänzende, theils weitere Ausblicke eröffnende
Schlufsbetrachtung.

Die Begründung der Erkenntnifstheorie auf eine
Kritik des Princips der reinen Erfahrung ist dem Verf.

fich und als ganze reden läfst; jede combinatorifche fo wichtig, dafs ihm erst hiedurch die Philofophie wahr

Interpretation ift für den Theologen als folchen d. h. bei
der Abficht, den Symbolen in ihrer Weife gerecht zu
werden, fernzuhalten. In diefer Lage kann ich Plitt's
und Bartels' Darstellung der Lehren der lutherifchen
Symbole nur foweit Intereffe abgewinnen, als man daraus
entnehmen kann, in welcher Eorm beide praktifch
das Lutherthum vertreten möchten.

Giefsen. F. Kattenbufch.

haft kritifch zu werden fcheint. Daher ift ihm felbft
Kant's Erkenntnifskritik, eben weil fie nicht von den
elementarsten Principien derGewifsheit anhebt, noch nicht
vollendet kritifch. Auf der Grundlage der, wie er überzeugt
ilt, erst principiell kritifchen Methode erhebt fich
nun aber der Verf. zu Refultaten, welche in Wahrheit
den Kriticismus verlaffen: Wenner, wie oben angeführt,
in dem Erkenntnifsprincip der logifchen Nothwendigkeit
den Halt der Objectivität findet, fo hat ihm das den
weittragenden Sinn, dafs im logifch nothwendigen Denken

Volk elt, Prof. Johs., Erfahrung und Denken. KritifcheGrund- ' eine Berührung mit dem Transfubjectiven, mit der ab

1 j tt 1 -r äx. ■ tt 1. irr <>o^ foluten Realität stattfinde Er fügt nun zwar loiort lehr

legung der Erkennifstheone. Hamburg, Vofs, 1886. ! J_ul!rLcn lvc^(1Ldl-, udiumuc. ^ A„r™-.„-Si

/v;t ^ e: o, it befonnen hinzu, dafs das Erkennen feinen Anfpruch,

(AVI, 550 b. gr. ».) M. 13.— mit dem Transfubjectiven, mit der unbedingten Realität,

Volkelt will in feinem grofs angelegten Werke der
Forderung einer bezüglich der Geltung ihrer Sätze vor-
ausfetzungslofen Erkenntnifstheorie, welche er früher
aufgestellt hat. Genüge leisten. Nachdem in car-
tefianifcher Weife die Bezweifelbarkeit aller objectiven
Erkenntnifs begründet ift, wird die Frage zur leitenden

in Contact zu stehen, nicht in verstandesklarer Weife
rechtfertigen könne, fondern in diefer Beziehung einen
gewiffen myftifchen Charakter hat. Aber er glaubt
nun doch, die ganze weitere Unterfuchung in der Frage
als in einem lösbaren Problem concentriren zu müffen,
wie weit es der logifchen Bearbeitung des Erfahrungsgemacht
, auf welchen einfachen, nicht weiter zurückführ- ftoffes gelinge, der von dem erkennenden Subject unbaren
Principien es beruhe, dafs wir unferen fubjectiven abhängigen, unbedingten Wirklichkeit fich zu bemächti-
Erkennifsacten objective Giltigkeit zufprechen. Wenn i gen. In diefem Sinne wird gefragt, wie weit in der An-
wir hiemit nach dem abfolut Selbftverftändlichen oder ; wendung der Kategorien und der logifchen Functionen
Vorausfetzungslofen fragen, fo werden wir nun aber, ! die Transfubjectivität des Erkennens fich erstrecke, in-
ehe wir für ein Princip objectiven Erkennens die Selbst- j wieweit die Stellungen, die das Denken fich zur Erfahrung

Verständlichkeit in Anfpruch nehmen dürften, zunächst
auf ein aus dem Bannkreis der Subjectivität nicht hinausführendes
Gewifsheitsprincip zurückgewiefen: ich befitze
ein abfolut felbftverftändliclies Wiffen von meinen eigenen
Bewufstfeinsvorgängen. Darin allein haben wir ,reine
Erfahrung'. Wie weit führt nun aber dies reine Erfahrungs

giebt, in der transfubjectiven Welt etwas Entfprechen-
des haben. Diefer Standpunkt läfst bei der Abgrenzung
der transfubjectiven Elemente unferes Erkennens ein
weitgehendes Mafs kritifcher Behutfamkeit zu, er bleibt
aber infofern unkritifch, als er jene Abgrenzung nicht
von vornherein als einen bei unleren Erkenntnifsmitteln

wiffen? Volkelt verwendet, um dies feftzuftellen, die j ausfichtslofen Verfuch erweist, vielmehr das, was die