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Ausgabe:

1888 Nr. 10

Spalte:

265-268

Autor/Hrsg.:

Finscher, Ludw.

Titel/Untertitel:

Reform de revangelischen Kirche 1888

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 10.

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W»*« Her Anbetung des Dankes und der Bitte fehr eingehenden Erörterungen des Verf.'s bildet der Ent-
^SS,t^ j^enfalh das Prädicat ,kurz warf eines Kirehenbekenntnifses (S.52.). Diefes Bekennt-
zuiamineniducn, vc j n)fg^ er nennt es a p0t,on das unitanfehe, foll in der

und gut' Paffionsandachten — das Lefen Kirche eingeführt' werden (S. 523g. Da jedoch, wie

- A DlC Si^iS3J^lS2!r2Sr als fünf Minuten der Verf. nicht verkennt, zunächft auf allgemeine Zu-
jeder einzelnen erfordert ra chriftlichen ftimmung für das neue Bekenntnifs nicht zu rechnen ift,

Zeit - eignen nch rm K zum ueor wjU £r fich damit begnügen dafs dasfeibe vorerft neben

Vereinen A»^l^^n^ätSSSnden Liederverfe den orthodoxen Confeff.onen zugelaffen werde: den vorganz
befonders WO man die "J'PfVa tesdienften in dcr handenen drei Confeffionen, der lutherifchen, reformirten,
dazu fingen Faftenzeit, da doch diefer 1 unirten, foll als vierte die unitarifche an die Seite treten

Paff.onszeit - warum '»*c,r. ' h h t? _ : (S $26y Innerhalb derfelben foll das Bekenntnifs, auf

Name für uns Evangehfche keinen bin, | g^jj ^ ^ gegründct ^ ^ Lehrnorm ftreng' auf.

recht erhalten werden. Es würde, wie der Verf. annimmt,
da in ihm nur die Bibellehre felbft zum Ausdruck käme,
für freie Bewegung des theologifchen Denkens noch
Raum genug laffen (S. 5 10). Alles jedoch, was über feine
Schranken hinaus ginge, namentlich der Rationalismus
— ein Begriff, deffen genaue Umfchreibung fehr zu
wünfehen wäre; was darüber S. 528 vorkommt, genügt
Vw. -t-t—/ —° I nicnt — müfste ausgefchloffen bleiben, die rationali-

Alteckendorf (Elfafs). ™ul krrunDerg. ftifcnen Geiftlichen waren auf den Ausfterbeetat zu fetzen

(S. 527 ff.).

Befonders eingehend bemüht fich der Verf. feine
arianifch - apollinariftifche Chriftologie als die echt bi-
blifche zu begründen. Er hat viel Fleifs und Scharffinn
darauf verwandt; aber der Nachweis ift fo, wie er ihn

liefsen fie fich verwenden, indem man je 3—4 zufammen
zieht. Ganz befonders empfehlen fie fich aber, was auch
der Verf. zunächft im Auge hat (S. III), für Hausandachten
Es wäre nur zu wünfehen, dafs es recht viele Familien
und namentlich gebildete Familien gäbe, die an folcher
Paffionslectüre Gefchmack fänden. Die Brüder im geiftlichen
Amt feien infonderheit auf den ,Bufsfpiegel für
Priefter* (S. 44ff.) hingewiefen.

Finscher. Pfr. Ludw., Reform der evangelischen Kirche.

Braunfchweig, Schwetfchke & Sohn, 1887.' (VIII,
644 S. gr. 8.) M. 6.—

Eine Reform der evangelifchen Kirche erachtet der unternimmt, weder für diefe, noch für eine andere Auf-
Verf. für geboten fowohl in Bezug auf das Dogma, als j faffung zu führen. Die Bibel ift eben nicht, wofür er fie
auf Cultus und Verfaffung. Dem Dogma ift weitaus der nimmt, ein fertiger Lehrcodex, eine in fich unterfchieds-
gröfste Theil feiner Unterfuchung gewidmet (S. 9—535), j lofe Einheit (S. 20. 467). Die Mannigfaltigkeit der Anwährend
Cultus und Verladung nur am Schlufs in zwei j fchauungsweifen in ihr, der gefchichtliche Fortgang in
kürzeren Abfchnitten befprochen werden. Das in den j der Entwickelung derfelben bleibt unbeachtet; irgend
evangelifchen Bekenntnifstchriften niedergelegte Dogmen- j eineKritik der biblifchen Erkunden gilt als ausgefchloflen:
fyftem, führt er aus, ift nicht mehr haltbar. Es bildet gelegentlich ift von den .angeblich' verfchiedenen Beftand-
nicht mehr den Ausdruck des Glaubens der grofsen theilen der Genefis die Rede (S. 352). Und doch fehlt
Mehrzahl der Geiftlichen, viel weniger der Laien (S. 331. der entfchloffene Infpirationsbegriff, von welchem aus
512), es enthält überdies eine Reihe fchwerer Irrthümer. 1 allein ein folch' abftracter Biblicismus möglich ift. Ein
Die Geiftlichen willen fich mit ihm in der Regel nur durch j ganzer Abfchnitt (S.aff.) ift dem ausfuhrlichen Nachweis
künftliche, wo nicht unredliche Umdcutung der Begriffe gewidmet, dafs von einer Wortinfpiration nicht die Rede
abzufinden. Diefes Joch mufs erleichtert werden. Der ; fein könne: der Schlufs ift, dafs Jeder nach feinem Er-
Verf. befürwortet jedoch darum nicht die angeblich von meflen auswählen muffe, was ihm in der Bibel glaubhaft
dem Rationalismus geforderte Gleichberechtigung .aller' | fcheine und was nicht (S. 15). Man gelangt nicht weiter
Richtungen in der Kirche (S. 532 ff), die Diener der Kirche j als zu der allgemein gehaltenen Ausfage, dafs die Bibel
müffen an das Bekenntnifs der Kirche, d. h. einen kirch- unter göttlicher Leitung entftanden fei; ein Princip für
lieh fanetionirten, feftftehenden Lehrbegriff gebunden fein ihre Benutzung fehlt.

(S. 513)- Aber das Bekenntnifs foll nichts weiter fein j Ueber die Wege zur Einführung des neuen Bekenntals
die möglichft genaue Zufammenfaffung und Wieder- nifses erfährt man wenig. Es foll nicht wie die alt-
gabe der ,Kernlehren' der heiligen Schrift. Es wird fich protefiantifchen Symbole durch landesherrlichen Befehl
dann von dem jetzt geltenden orthodoxen Syftem in oder die Autorität der Theologen zur Geltung gelangen,
einer Reihe wichtiger Lehrftücke unterfcheiden, vor allem Die altkatholifche Kirche, urtheilt der Verf., war in diefer
der Chriftologie, dann in der Lehre vom heiligen Geift, ! Beziehung beffer daran; ihre Bekenntnifse find durch die
von der Trinität, der Erbfünde, der Rechtfertigung, den auf den Concilien vertretene Kirche felbft feftgeftellt
Sacramenten, vielleicht auch den letzten Dingen. An die : worden (was übrigens unrichtig ift; die altkatholifchen
Stelle der nieänifchen Lehre von Chriftus als der menfeh- Concilien waren nicht eine Vertretung der Kirche in
gewordenen zweiten Perfon der Gottheit fetzt der Verf. ; unterem Sinne, fondern des Epilkopates): fo foll auch
eine Anfchauungsweife. welche fich von der anamfehen das künftige unitarifche Bekenntnifs durch eine wirkliche
wenG oder gar nicht unterfcheidet, theilweile auch fich ! Vertretung der Kirche angenommen werden. Wie das
mit dem Apollinarismus berührt. Dem entfprechend wird | gemacht werden folle, fcheint der Verf. nicht in nähere
auch die Peinlichkeit und Gottheit des heiligen Geiftes j Erwägung gezogen zu haben. Der erfte Verfuch würde
beflritten er ift die Kraft des neuen religiös-fitthehen die Unmöglichkeit des Unternehmens erweifen, und die
1 ebens in den Gläubigen. Aus der Dreieinigkeit der Urfache davon läge nicht in den von dem Verf. be-
Kirchenlehre wird die Offenbarungstrias: Gott unfer klagten traurigen Zuftänden unterer Kirche, fondern in
Vater durch feinen Sohn im heiligen Geifte. Bei der der Natur der Sache. Die Zeit der ftatutarifchen Auf-
Erblündenlehre warnt der Verf. vor Ueberfpannung und : ftellung von Lehrgefetzen ift im Proteftantismus vorüber,
mebt dem Semipelagianismus den Vorzug. In der Recht- | es fehlt uns dazu das unumgängliche Erfordernifs, ein
fertigung foll nicht der Glaube einfeitig betont, fondern unfehlbares Lehramt. Die Kirche der Reformation ruht
Glaube und Liebe oder der in der Liebe thätige Glaube nicht auf einem Complex unantaftbarer Dogmen, fondern
als das rechtfertigende Princip hervorgtftellt werden. Die auf der Gleichartigkeit und Gemeinfamkeit des frommen
lutherifche Abendmahlslehre wird von dem Verf. be- Lebens in ihren Genoffen; zur Abwehr von Anfchauungs-
ftritten die Ewigkeit der Höllenftrafen ift er fehr geneigt , weifen, welche den Boden diefer Gemeinfamkeit verladen
zu verwerfen kommt jedoch gegenüber einer Reihe von ; undNormt das conftitutive Princip der Kirche bedrohen,
beftimmt lautenden biblifchen Ausfagen nicht zur Ent- ; muffen andere Mittel gebucht werden als die Bi ndung an
fcheidung. Das Endergebnifs der bezuglichen, zum Theil ein Lchrgefetz. Diefe würde in der unitarifchen Bekennt-