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Ausgabe:

1888 Nr. 10

Spalte:

263-265

Autor/Hrsg.:

Schulze, Guat. Carl Alb.

Titel/Untertitel:

Kleines Passionale 1888

Rezensent:

Grünberg, Paul

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2Ö3 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 10. 264

auf diefelben Einiges zu erinnern. Einmal vermiffen wir
verfchiedene von den bekannten, in der Gemeinde eingebürgerten
, durch jahrhundertelange Benutzung in den
verfchiedenften Lebenslagen befonders geweihten Kraft-
und Kernliedern, die theilweife mit wenig bekannten
oder minderwerthigen Liedern ohne die Kraft unmittelbar
-volksthümlicher Erbaulichkeit vertaufcht find. Sodann

bare Ineinanderfügung der biblifchen Texte, welche die
Vorgänge von der Salbung Jefu in Bethanien bis zur
Grablegung behandeln. Gegen die Art der Zerlegung,
wenn einmal in 40 Abfchnitte eingetheilt werden foll,
wird ebenfalls nichts einzuwenden fein. Zu wünfchen
wäre wohl, dafs bei den einzelnen Abfchnitten die biblifchen
Belegftellen jedesmal angegeben würden. — Die

find verfchiedene Lieder, zum Theil folche, die zu den j Betrachtungen, mit welchen der Verf. die vorliegen
bekannteflen claffifchen Liedern gehören, ohne alle Noth den Texte begleitet, empfehlen fich fchon in formeller
verändert, mehrfach derartig, dafs ihr poetifches Colorit Beziehung durch präcife, knappe Faffung, edle, herzganz
verwifcht ift und gerade die charakteriftifchen Aus- andringende Sprache, und einen wohlgefügten Satz- und
drücke verwäffert und verblafst find. Wir verweifen z. B. Periodenbau, dem man die forgfältigfte Durcharbeitung
auf S. II, S. 39, S. 40, S. 47, S. 60, S. 66, S. 81, S. 83, , anmerkt. Fremdwörter wie ,Aeonen' und ,Chaos' hätten
S. 122, S. 135, S. 140, S. 229, S. 233, S. 250. Endlich j vermieden werden können, ebenfo Wendungen, wie ,den
find die Namen der Dichter nicht überall richtig ange- i Menfchen in der Blüthe feiner Sünde über Waffer halten',
geben; felbft das bekannte Lied von Paul Gerhard: ,Der J und ein Gallicismus, wie ,um uns ahnen zu machen'
Herr, der aller Enden regiert mit feinen Händen' wird (S. 120). Des poetifchen Schmuckes der Sprache ift hie
einem anderen Dichter, Krummacher, zugefchrieben, oder j und da vielleicht zu viel; auch wird mancher Lefer bei
bei einzelnen Verfen aus demfelben Lied werden an ver- j dem Verf. Neigung zu einer etwas gezierten, pretiöfen
fchiedenen Stellen verfchiedene Verfaffer genannt; vergl. j Sprache entdecken wollen. Inhaltlich fei zunächft hervor-
z. B. S. 17, wo als Verf. des Liedes: ,Wir Menfchen find gehoben, dafs der Verfaffer mit Recht die Erörterung

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zu dem' etc. fälfchlich Gefenius, mit S. 247, wo richtig
D. Denicke genannt ift; S. 219, wo G. Terfteegen irr-
thümlich als Verf. des Liedes: ,Ach, mein Herr, Jefu,
dein Nahefein' mit S. 236, wo richtig Chr. Gregor angeführt
ift. — Der Anhang ,für befondere Gelegenheiten'
ift recht dankenswerth, möchte aber noch erweitert
werden.

Dresden. Meier.

Schulze, Paft. Guft. Carl Alb., Kleines Passionale, das ift:
Die Gefchichte des Leidens und Sterbens unferes
HErrn JEfu Chrifti, nach Dr. Joh. Bugenhagens Zu-
fammentragung aus den heil, vier Evangelien, auf die
40 Wochentage der F"aften vertheilt und mit kurzen
Betrachtungen, paffenden Liedern und Gebeten ver-
fehen. Nebft einigen Beigaben für die drei letzten
Tage der Faftenzeit. Hannover, Feefche, 1888. (VIII,
139 S. 8.) M. 1.20; geb. M. 1.60; fein geb. M. 1.80.

Ein Büchlein, welches Ref. mit Freuden gelefen und
nicht ohne tiefere Eindrücke empfangen zu haben aus

der Hand gelegt hat. Schon die anfpruchslofe Art, mit j Feinheit und plaftifcher Anfchaulichkeit werden die neben

theologifcher Schulfragen und metaphyfifcher Specula-
tionen vermeidet und auch in apologetifchen und pole-
mifchen Excurfen fparfam ift. üb gewiffe Einwendungen
gegen die lutherifche Abendmahlslehre fo leicht abzu-
thun find, wie es nach S. 26 den Anfchein hat, bezweifle
ich, und ob nicht in einzelnen Aeufserungen eine der
fchriftgemäfsen Begründung und evangelifchen Nüchternheit
entbehrende JJeberfpannung des Abendmahls- (refp.
Sacraments-)Begriffs vorliegt, laffe ich dahingeftellt.
Woher weifs der Verf., dafs ,ganz ficherlich' die Fürbitte
Jefu die heilige barmherzige Macht ift, welche die
Heiden, die von feinem Opfer keine Kunde haben, von
dem vernichtenden Zorne Gottes bewahrt? (S. 27.) In
der Hauptfache ftellen uns die Betrachtungen den ,für
uns' leidenden Chriftus nachdrücklich und eindringlich
vor Augen; und zwar begnügt fich der Verf. nicht damit
, mit äufseren und formalen Subftitutions- und Satis-
factionsbegriffen zu operiren, fondern ift beftrebt, in diefe
Begriffe Geift und Leben zu bringen, fie (ittlich zu er-
faffen und zu vertiefen. Dafs der ,für uns' Leidende uns
zugleich ,ein Vorbild gelaffen, dafs wir follen nachfolgen
feinen Fufsftapfen' (1 Petr. 2, 21), wird nicht vergehen,
dürfte aber noch mehr hervortreten. Mit pfychologifcher

welcher Verf. dasfelbe in einem kurzen Vorwort einführt, 1 Jefu in der Leidensgefchichtc auftretenden Perfonen als
erweckt ein günftiges Vorurtheil. Was das Werkchen j Typen und Repräfentanten menfchlicher Art und Unart

bieten will, ift aus dem etwas lang gerathenen Titel zur
Genüge zu erfehen. Es find 40 Paffionsandachten, deren
jede fich (abgefehen von den drei befonders ausgezeich

behandelt. Die Anwendung auf unfere religiöfen und
fittlichen Verhältnifse ift in der Regel packend und
treffend. Verf. hält überhaupt in der Ausdeutung und

neten Tagen) aus folgenden Stücken zufammenfetzt: ; Benutzung von Nebendingen und Nebenzügen weife
I) Einige Liederverfe. 2) Ein Abfchnitt aus der Bugen- ! Mafs und begeht feiten den fonft bei ,praktifcher Exe-
hagen'fchen Paffionsharmonie. 3) Eine an diefelbe an- I gefe' fo weitverbreiteten Fehler, gewaltfam Dinge in den
geknüpfte Betrachtung. 4) Ein abfchliefsendes Gebet. ! Text hineinzutragen, die nun einmal nicht darin find, und
Die beiden letzteren Stücke find Eigenthum des Ver- j da etwas zu fuchen, wo nichts zu fuchen ift. Wozu auch
faffers. Kunftftücke machen, die nur fchaden können, da doch

Die Liederverfe, deren Zahl fich durchfchnittlich 1 das Bibelwort an naheliegenden, unanfechtbaren, frucht-
auf 2—4 befchränkt, find guten, meift wohlbekannten ! baren Beziehungen und Deutungen fo reich ift! Manch-
Paffionsliedern älterer Dichter entnommen. Paul Ger- ; mal gefchieht aber doch nach Anficht des Ref. des Guten
hardt ift am fleifsigften benutzt. Ganz vereinzelt fteht i zu viel. Dafs Petrus fich vom Plerrn die Füfse nicht will
als Vertreter der neueren religiöfen Dichtung Knapp da wafchen laffen, auf ,Verliebt - fein in unteren eigenen
mit dem Liede: ,Eines wünfeh' ich mir vor allem andern' j Schmutz' zu deuten (S. 14), fcheint mir gegen den Sinn
(S. 119). Den Liederverfen ift jedesmal die Angabe der | der Stelle. Eben diefem Petrus einen befonderen VorMelodie
und, wo es möglich war, der Name des Ver- J wurf daraus zu machen, dafs er fich ,ruhig wärmen konnte
faffers und die Jahreszahl der Entftehung hinzugefügt, an einem Feuer der Feinde Jefu, während fich über feinen
Auch ift ein ,Alphabetifches Verzeichnifs der Lieder' Herrn und Meifter die ,eifigen Fluthen höllifchen Haffes
(S. Vllf.) beigegeben. — Inwiefern die Bugenhagen'- ergoffen' (S. 49), fcheint mir zu weit hergeholt. Die
['che Zufam mentragung der Paffionsgefchichte, Deutung des Blutes und Waffers, das aus der Seite Jefu
an deren Faden Verf. feine Betrachtungen anreiht, das I flofs, auf ,die beiden hochwürdigen Sacramente' (S. 130)
Urtheil verdient, dafs fie ,bisher noch nicht übertroffen mag traditionell fein, ift aber im Grunde doch nur eine
worden ift und fchwerlich je übertroffen werden wird' ! allegorifche Spielerei. — Die Gebete, welche die ein-
(S. III), kann und will Ref. hier nicht unterfuchen. Jeden- j zelnen Betrachtungen abfchliefsen, indem fie die vorge-
falls ift es eine für praktifche Zwecke durchaus brauch- tragenen Hauptpunkte in fchlichter, herzlicher Sprache