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Ausgabe:

1888 Nr. 1

Spalte:

3-5

Autor/Hrsg.:

Ley, Jul

Titel/Untertitel:

Leitfaden der Metrik der hebräischen Poesie 1888

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 1.

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Dafs Verf. V. 18 bei )vatä i£bx, Taufende der Wiederholung
, d. h. Taufende und aber Taufende, flehen
bleibt, ift vielleicht das Klügfte, und dafs er das hochpoe-
tifche ,der Sinai im Heiligthum' durch die Lesart Ml
131D73 verfchwinden läfst, wohl nur zu billigen. Renan
(/. c. p. 208) fpricht fich für die Correctur bantji Sinn i&bx
nach Nurmio, 36 aus; in diefem Falle dürfte wohl airO"'
allein auf "bx Zi2"i zurück gehn; mit bX"ilöi i£3X beginnt
der zweite Theil des Satzes und es wäre zu lefen 1310a DO
(/. e. mit den Taufenden Ifraels). Aber wie aus dem
wohlbekannten bX"uöi i£5X das JX3©' ifibx foll entftanden
fein, ift räthfelhaft.

Nun bemerkt Kautzfeh (Hebr. Gramm, p. 259), dafs
Dina* in multiplicativem Sinne gemeint, und durch ißbx
■JX31» commentirt ift. Ganz richtig! Dann aber bekommt
es den Anfchein, als ob das profaifche, im Texte nach
Cintn unnöthige, commentirende JX31S i£bx einfach eine
in den Text eingedrungene, nifim erklärende Rand-
gloffe fei.

Der Text von V. 19 ift immerhin etwas räthfelhaft.
Verändert man V. 27 das feltfame Tipaa, fo würde ich
iXlpaO dem vorgefchlagenen Xlptttt vorziehen. ibj>0 V. 31
Itatt 0152J7 ib3J>ri ift eine fehr hübfehe Conjectur von Prof.
Matthes; dafs Verf. mit dem gpÖ~1S1S OfiUnt) nichts
anzufangen weifs und es unüberfetzt läfst, wird ihm wohl
niemand verübeln. Sehr annehmbar ift V. 32 die Conjectur
13B aiffi'n, woraus durch Dittographie 13» DiittCn
geworden.

Allein ich kann hier nicht alles anführen und mufs
abbrechen; bin ich doch felbft bereits in Verfuchung
gerathen ; aber die Leetüre diefes Commentars übt eine
fuggeftive Wirkung aus, die verführerifch ift und für das
Intereffe zeugt, mit dem er fich lieft.

Der Gedankengang fcheint mir im Ganzen richtig
aufgefafst zu fein. In der erften Strophe möchte ich
lieber den Ausdruck einer allgemeinen tröftlichen Glaubenswahrheit
finden, als die Aufforderung, Gott möge
aufftehen, dafs feine Feinde fich zerftreuen; V. 2—3
fcheinen mir dem Sinne nach mit V. 6—7 vollkommen
parallel zu fein.

Der zweite Theil der Schrift enthält: 1) eine Ueber-
ficht über die verfchiedenen Anflehten, die Zeitbeftimmung
des Pfalmes betreffend; 2) die Unterfuchung der hiftori-
fchen Zeitlage; 3) des Stiles und Sprachgebrauches;
4) des Verhältnifses zu den andern Altteftam. Schriften.
In Uebereinftimmung mit Reufs, wird der Pfalm in die
Zeit der Kriege zwifchen den Ptolemäern und Seleuciden
gewiefen. Diefe Anficht fcheint mir bisher die wahrfchein-
lichfte zu fein. Die Verfe im Texte hätten mit Zahlen
verfehen werden follen (S. 106—112); S. 106 Z. 3 L pTtriD,

Z. 9 niaiyo.

Colmar. L. Horft.

Ley, Prof. Dr. Jul., Leitfaden der Metrik der hebräischen
Poesie, nebft dem erften Buche der Pfalmen nach rhyth-
mifcher Vers- und Strophenabtheilung mit metrifcher
Analyfe. Halle, Buchh. des Waifenhaufes, 1887. (VIII,
60 u. 30 S. gr. 8.) M. 2. —

Das vorliegende Buch ift keine ganz neue Erfchei-
nung; der Verf. will im wefentlichen den Inhalt feines
ausführlichen Buches,Grundzüge des Rhythmus, des Vers-
und Strophenbaues u. f. w. 1875' durch knappe Zufam-
menfaffung in weiteren Kreifen zur Kenntnifs bringen.
In feiner kurzen Anzeige diefes ,Leitfadens' (Th. T. 1887,
September) fagt Abraham Kuenen fehr treffend: ,Unfre
metrici ftranden regelmäfsig an einer von den zwei Klippen
: entweder fie geben uns ein wirkliches metrum, erlauben
fich dann aber auch bei deffen Anwendung auf
die poetifchen Stücke des A. T.'s die gröfste Willkür;
oder fie enthalten fich 'der Gewaltthätigkeiten, weifen aber
dann auch nichts weiter auf als einen Rhythmus, der den

Namen metrum nicht mehr verdient'. Einen der vor-
züglichften Vertreter der zweiten Gruppe fleht er in Ley
und ertheilt ihm, obgleich nicht überzeugt, doch das Lob,
dafs er fich durch genauen Anfchlufs an die Confonan-
ten und Vocale des maffor. Textes auszeichne. Gewifs
mit Recht, und ich felbft habe Ley feiner Zeit diefe Anerkennung
gezollt (ZATW 1882, S. 1 f.); umfomehr
aber mufs betont werden, dafs fich Ley neuerdings immer
mehr auf die erfte Gruppe zu bewegt. Als Hauptunter-
fchied diefes Leitfadens von dem umfaffenderen Werke
hebt er hervor, dafs die befonders anftöfsige Annahme
von Compenfationen und Subftitutionen jetzt völlig aufgegeben
fei. In einigen Fällen gilt dies blofs von dem
Namen, denn die Sache ift z. B. bei Pf. 27 durchaus beibehalten
. Indeffen ift auch diefe, wo irgend möglich,
befeitigt, nur nicht ohne Schaden. Um zwei Hexameter
zu gewinnen, wird jetzt von Pf. 3, 9 niDn 13 zu Vers 8
gezogen und damit dem verlangten Metrum zuliebe der
fefte Bau des hebräifchen Verfes preisgegeben; in Pf. 5
wird die früher angenommene ,Subftitution' dadurch befeitigt
, dafs V. 3 und V. 6 je zwifchen die einfchliefsen-
den Verfe vertheilt werden — und damit der klare Parallelismus
vernichtet; von Pf. 21, 10 ift TZJX DbDXrTl falfch
zu Vers 11 gezogen, Pf. 22,5 ebenfo zur Vermeidung
der Compenfation zwifchen Vers 4 und 6 zertheilt. Dies
alles heifst im Grunde nicht die Compenfation und Sub-
ftitution ftreichen, fondern fie bis zu ihrer Confequenz,
der Zerreifsung des Versparallelismus, durchführen. Anderwärts
find zu demfelben Zwecke die Verfe blols anders
fkandirti; fo bildet Pf. 20,6, früher ein Dekameter, jetzt
ein Octameter, Vers 7, früher ein Dekameter, jetzt zwei
Hexameter, ein Beweis für die Dehnbarkeit der metri-
fchen Regeln, dem viele andere zur Seite treten. Holt
der Verf. fomit, was er an diefen beiden, auch von Riehm
befonders beftrittenen Licenzen preisgiebt, auf andere
Weife wieder ein, fo hat er deren bedeutende Zahl auch
um eine fehr verwendbare neue vermehrt, die ,Grund-
und Schlufsbafen', gelegentliche längere, von dem fonfti-
gen Schema abweichende Verfe zu Anfang oder zu Ende
einer Strophe. Bedenkt man nun, dafs die Abtheilung

.der Strophen füglich des Metrikers Sache ift, und wie
mannigfach verfchieden nicht nur von verfchiedenen Gelehrten
, fondern auch von Ley felbft in den ,Grundzügen'
und hier diefelbe vollzogen wird, fo begreift man leicht,
dafs durch diefe Annahme ,die meiften metrifchen Schwierigkeiten
gelöft erfcheinen' (S. III f.).

Das Arfenal der aufgeftellten Licenzen ift in der

j That fo reichhaltig: Annahme oder Nichtannahme eines

I Tieftones, Betonung oder Nichtbetonung vieler Partikeln,
Elifion legitimer Tonfilben, Auftakt, Katalexis und Hyper-
katalexis, Grundbafis und Schlufsbafis, Eingangs-, Mittel-

I und Schlufsvers oder -Strophe, und wie fie alle heifsen
mögen — man möchte fich anheifchig machen, mit fol-
chem Rüftzeug auch dem widerfpänftigften Profatexte
jeder Sprache, deffen Verfaffer nie an Verfe noch Strophen
gedacht hat, Zaum und Zügel anzulegen. Dagegen heifst
es Waffer ins Weltmeer fchöpfen, wenn man durch folche
Gewaltmittel Stücke wie die Pfalmen erft zu dem meint
zuftutzen zu müffen, was fie ohnedies immer gewefen
find.

Aber leider unterfcheidet fich Ley in dem Einen
nicht von feinen Mitbewerbern um die Krone der Entdeckung
der hebr. Metrik, dafs er einen Reft bei feinem
1 Exempel fo wenig wie jene duldet. Jedes neue Hindernifs
1 fchafft unwillkürlich eine neue Regel, bis alle überwunden
find. Diefe Unfehlbarkeit und Allgenugfamkeit des
Syftems ift fehr zu beklagen, weil die grofsen Vorzüge,
die wenigftens die Verslehre Ley's (nicht feine Strophenlehre
) in ihren Grundlagen vor anderen Verflachen befitzt
, dadurch in der Anwendung verdunkelt werden oder
ganz verloren gehen. Weniger als die Hälfte wäre hier viel
mehr als das Ganze; denn kein Metriker wird am A.T.
bleibende Frucht fchaffen, der nicht eingefteht, dafs die