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Ausgabe:

1887 Nr. 8

Spalte:

176-181

Autor/Hrsg.:

Cordatus, Conr.

Titel/Untertitel:

Tagebuch über Dr. Martin Luther 1537. Zum ersten Male hrsg. von H. Wrampelmeyer 1887

Rezensent:

Enders, Ernst Ludwig

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175 Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 8. 176

Oelsner ähnliche Bahnen ging, befonders lehrreich ge- fammenftellung der überaus grofsen Reihe der von ihm

wefen, nicht minder die wohl nicht ebenfo zweifellos benutzten Bücher könne ihm in ähnlicher Weife mifs-

richtige Beurtheilung des römifchen Bifchofs Zacharias deutet werden. Dennoch ift meines Erachtens jene doch

und die Conftruction der kirchlichen Gefchichte Bayerns, wahrlich nicht allein von Janffen befolgte Auskunft die

Von H.'s ganzer Darftellung — vgl. das fchöne Schlufs- einzige, welche volle Verftändlichkeit der Citate bewirkt,

urtheil — ift zu hoffen, dafs fie auch diejenigen über- ohne die Anmerkungen mit bibliographifchem Material

zeugen wird, die bisher an diefer Beurtheilung des Bo- zu belaften.

nifatius einen Mangel an Scharfblick für Roms Schlech- | Halle a,S. F. Loofs.

tigkeiten meinten tadeln zu müffen (vgl. Nippold in der

prot. Kirchenzeitung 1886 Nr. 33). Wohl, Bonifaz hat Cordatus, Dr. Conr., Tagebuch über Dr. Martin Luther

.Mitteleuropa' romanifirt aber ohne Rom wäre aus den j Zum erften M , , yon Gymn..0berlehrer

i rummern der alten Cultur nie die mittelalterliche Cultur- rT *w 1 „ ,, ,y

weit entftanden, und die Kirche wäre in Nationalkirchen ! Dr- H- Wrampelm eyer. Halle, Niemeyer, 1885.
zerfplittert und verkümmert, das Chriftenthum zweifellos (521 S. gr. 8). M. 14. —

noch mehr paganifirt als es fo der Fall war. Es ift bekannt, dafs die von Aurifaber zuerft 1566

Wie das vorftehende Referat zeigt, liegt in der von herausgegebenen fog. Tifchreden Luther's eine keines-
H. gegebenen Darfteilung der gefchichtlichen Entwicklung [ wegs zuverläffige und doch auch andererfeits kaum zu
ein entfchiedener Eortfchritt gegenüber Rettberg. Es ift entbehrende Quelle für das Leben Luther's bilden. Zwar
aber, wie bereits im Eingang diefer Anzeige angedeutet lagen ihm für feine Sammlung fowohl feine eigenen
ift, die gelehrte Unterfuchung, wenn auch in die Anmer- Nachfchriften, fowie auch die Anderer vor, die, was fie
kungen verwiefen, doch dabei nicht zu kurz gekommen. Merkwürdiges aus Luther's Munde vernommen, fich auf-
Allein je näher es dem Ref. läge, über Einzelheiten diefer zeichneten, um fich die Erinnerung daran lebendig zu
gelehrten Vorabeit hier mit dem Verf. zu disputiren, erhalten. Die Namen derfelben finden fich aufgeführt
defto angemeffener fcheint es, davon abzufehen. Nur z. B. Erl. Ausg. v. Luth. WW. Bd. 57, Vorrede, Und den
in Bezug auf S. 473 Anm. möchte ich bemerken, dafs i dort genannten läfst fich noch der fpäter als Arzt in
ich zwar das mir hier zugemuthete Zugeftändnifs fehr Breslau berühmte Joh. Crato v. Crafftheim hinzufügen,
gern mache, dennoch aber gegenüber der von H. vor- den Aurif. blofs deshalb nicht erwähnte, weil es diefem
getragenen Löfung der Schwierigkeiten, welche die epp. bei feiner damaligen Stellung am Hofe des Kaifers
Bon. 42. 43 und die Zeit des Conc. germ. bereiten, ein Ferdinand I. leicht hätte nachtheilig werden können
Bedenken nicht unterdrücken kann. Einfach ift H.'s Löfung (vgl. Gillet, Crato v. Crafftheim, 1860, I, 55). Aber
zweifellos; ob aber wahrfcheinlich genug, mögen andere : fchon der Umftand, dafs Aurif. die in feinen Quellen
beurtheilen. In Bezug auf S. 42g, Anm. 2 und 420, Anm. 1 enthaltenen Ausfprüche nicht chronologifch, fondern
erlaube ich mir, auf Zeitfchrift für Kirchengefchichte V, nach beftimmten Kategorien, den dogmatifchen locis,
S. 623 ff. hinzuweifen. Die einfchlägige Literatur ift in J ordnete, brachte manche Mifsltände mit fich, insbefondere
umfalfendfter Weife benutzt, ich unterlaffe es deshalb den, dafs er der Zeit nach Zufammengehöriges ausNachträge
zu geben, deren Vollftändigkeit ich doch nicht einanderreifsen, Nichtzufammengehörendes mit einander
verbürgen könnte. Nur zu S 108 Anm. 2 verweife ich verbinden und die Uebergänge dafür felbft herftellen
auf v. Schubert die Unterwerfung der Alamannen (1884) mufste, wodurch abgefehen von den falfchen Zeitangaben,
und auf den nach Hauck erfchienen Auffatz von Krufch die er eben nicht feiten machte, die genauere Beftimmung,
im Neuen Archiv 12, 2 S. 289—301. Fifcher's neuefte wann Luther diefes oder jenes gefprochen, fehr fchwer,
Bemerkungen über ,das Legatenamt des Bonifatius und j oft gar nicht zu ermitteln ift. Auch erlaubte fich Aurif.
feine Miffion unter den Sachfen' in der Forfch. z. d. | noch andere Freiheiten, die wir heutzutage nicht mehr
Gefch. hätten zu Berichtigungen nicht Anlafs gegeben. : billigen können, fo: dafs er einzelne hingeworfene Ge-
Das Verbrüderungsbuch von St. Peter (vgl. jetzt Neues | danken des Weiteren und Breiteren ausführte, ErArchiv
12, 1 S. 53—108) hätte m. E. ausgiebiger ver- j klärungen, welche manches zu feiner Zeit fchon unver-
werthet werden können vgl. S. 342 Anm. 1, 494 Anm. 1). ftändlich gewordene für den Lefer erläutern follte, in
Gern endlich hätte man die von Riezler Gefch. Bayerns I, ! den Text mit aufnahm, als hätte es Luther felbft ge
S. 99 Anm. 1 mitgetheilte Notiz der ungedruckten (ur- j fprochen, wozu noch kam, dafs er manches felbft nicht mehr
fprünglichen? vgl. Nagel im Anzeiger des Germ. Mu- | verftand und fo fehlerhaft berichtete. — Im Grunde an
feums 23) vita Corbiniani befprochen gefehen, derzufolge denfelben Fehlern leidend, wenn auch hie und da ver-
Corbinian ein ,episcopas de Britonum origine orhts' be- j beffernd, find die bald nach Aurifaber folgenden Aus

zeichnet wird.

Sehr dankenswerth ift das gute Regifter, unvollftän-
dig das Druckfehlerverzeichnifs. Für die fpäteren Bände
erfcheint vornehmlich der Wunfeh berechtigt, dafs H.
bei Anführung der Quellen und der einfehlägigen Literatur
minder auf Raumerfparnifs bedacht fei. Citate wie:
Waitz, V. G., Loening, D. K.-R., Greg. Tur. H. F., Id. Vit.
ptr. (S. 145, Anm. 1), Mappin. Rem. ep. ep. ad Nicet. (Bouq.
IV, S. 68) [S. 145, Anm. 5], Ven. Fort. Carm. VI, 1 v. 34
(S. 149, Anm. 1), Ribbeck, Die f. g. Divisio S. 92 (S. 368,
Anm. 1), Ebert, L. d. M. A. I, 614 (S. 449, Anm. 4) und
fehr viele ähnliche Verweifungen find nur denen verftänd-
lich, die felbft bereits auf dem von H. behandelten Gebiete
gearbeitet haben, für andere find fie Räthfel und
werden es noch mehr, wenn — was häufiger vorkommt
— in diefe Abbreviaturen Druckfehler fich eingefchlichen
haben wie S. 8, Anm. i: Eumenius, pro rat. (fiatt: rest.)
sck. or. 4 'Paneg. latin. cd. Baehretis). Man hat es Janffen
mehrfach als eine Prahlerei ausgelegt, dafs er den einzelnen
Bänden feiner Gefchichte des deutfehen Volkes
ein vollltändiges Verzeichnifs der häufiger citirten Bücher
vorangeftellt hat. Vielleicht hat H. gefürchtet, eine Zugaben
der Tifchreden, redigirt von Stangwald (1571) und
Selneccer (1577). Die fpäteren Herausgeber der Tifchreden
, welche zuerft von Walch in die Gefammtausgabe
von Luther's Werken aufgenommen wurden, mufsten fich
in Ermangelung befferen Materials mit einem Wiederabdruck
Aurifaber's begnügen. Auch die von Bindfeil
1863 ff. nacheiner Handfchriftherausgegebenen lateinifchen
Tifchreden brachten zwar ftofflich manches Neue, auch
Verbefferungen, ohne aber die kritifche Unterfuchung
irgendwie wefentlich fördern zu können. — Einiges Licht
in diefe Verwirrung kam zuerft durch die aufgefundene
Nachfchrift Ant. Lauterbach's, welche Seidemann 1871
herausgab, die jedoch blofs das Jahr 1538, diefes aber
mit genauer Angabe jedes Tages, umfafst. Man hatte
nun einen ficheren Mafsftab, nach welchem man Aurif.
beurtheilen und feinen Werth bemeffen konnte.

Von gleicher Wichtigkeit ift der Fund, welchen
Wrampelmeyer im Jahre 1883 in der Zellerfelder Kirchenbibliothek
machte, der fich bei näherer Unterfuchung
als ein von Conr. Cordatus über Luther's Ausfprüche geführtes
Tagebuch herausftellte, und deffen Ausgabe in
der oben angeführten Schrift nunmehr vorliegt. Eine