Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1887 Nr. 8

Spalte:

171-176

Autor/Hrsg.:

Hauck, Albert

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte Deutschlands. 1. Thl. Bis zum Tode des Bonifatius 1887

Rezensent:

Loofs, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

171 Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 8. 172

angehörigen Exegeten nimmt Bred. meines Erachtens denn was der erfte Theil bietet, ift längft nicht ein Viertel
nicht die letzte Stelle ein; fchon darum ift es für den deffen, was über Deutfchlands kirchliche Verhältnifse vor
Fachgenoffen von Intereffe, zu fehen, welche Löfung der , der Reformationszeit den Quellen entnommen werden
Verf. den einzelnen Fragen zu geben fucht, abgefehen kann — man denke an das flawifche Miffionsgebiet, an
davon, dafs jede wirkliche Förderung des Verftändnifses die kirchlichen Zuftände während der Kämpfe der Kaifer
gerade bei dem wichtigen Buche Jefaja befonders will- j mit der Curie, an die Gefchichte der mönchifchen Orden,
kommen fein mufs. Wo Bred. die gewöhnlichen Pfade der Brüderfchaften u. f. w., an die Schulen und Univer-
verläfst, liebt er es, dies fchon in der Ueberfetzung durch fitäten, an die deutfche Myftik und an die territorialen
gefperrten Druck anzuzeigen, z. B. 1, 7 (eine Wüfte ift's Reformbeftrebungen während des 15. Jahrhunderts. Allein
wie der Umfturz vonSodom) und 1, 12 (mein Angefleht das Vorhaben an fich ift fo erfreulich und der vorlie-
zu fehen). Darf ich für die folgenden Lieferungen einen 1 gende erfte Band fo vielverfprechend, dafs man nur von
Wunfeh ausfprechen, fo betrifft er die ftärkere Benutzung ! Herzen wünfehen kann, es möge dem Verfaffer vergönnt
der Lutherbibel für die Ueberfetzung; vgl. in der Vor- , fein, fein grofses Werk zum Abfchlufs zu bringen, gleichrede
zu meiner Bearbeitung der Hagiographen des Alten viel in wieviel Bänden und wieviel Jahren.
Bundes (Befonderer Abdruck aus Bunfen's Bibelwerk. Rettberg's Ruhm konnte einer neuen Kirchenge-

Leipzig 1868) das auf S. VIII Bemerkte, fowie O. Gilde- j fchichte Deutfchlands gefährlich werden. Doch H.'s vor-
meifter's Ueberfetzung von Shakefpeare's König Johann, ! liegendes Werk braucht eine Vergleichung mit dem, was
S. XI f. Rettberg fchon vor 40 Jahren leiftete, nicht zu fcheuen;

Bonn. Ad. Kamp häufen. i es runr- auf ausgebreiteter Sachkenntnifs und auf ein-

dringendfter Forfchung und giebt hinfichtlich der Sorg-

Hauck, Prof. Dr. Alb., Kirchengeschichte Deutschlands. i.Thl. ' falt und methodifchen Richtigkeit der Unterfuchung und
Bis zum Tode des Bonifatius. Leipzig, Hinrichs, 1887. j" Bezug auf die Unparteilichkeit und Wärme der Dar-
,7IIT c q n/r Heilung dem berühmten Vorganger nichts nach.

(Vitt, 557 b. gr. 8.) M. 10. 50. Antiquirt freilich ift Rettberg's Kirchengefchichte

,Vor vierzig Jahren erfchien der erfte Band von Rett- Deutfchlands durch dies neue Buch nicht. Mit Recht
berg's Kirchengefchichte Deutfchlands. In Folge des früh- hat H. in den kritifchen Fragen, die durch Rettberg erzeitigen
Todes des Verfaffers blieb das bedeutende Werk ledigt find, an einer Verweifung auf R. fich genügen
ein Torfo. Zwanzig Jahre fpäter begann Friedrich die laffen. Rettberg ift der Bahnbrecher gewefen für eine
Arbeit an dem gleichen Gegenftande. Aber auch fein kritifche Behandlung der älteren Gefchichte der deutfehen
Werk gelangte nur bis zur erften Abtheilung des zweiten Kirche; die Arbeit ift gethan. So unerreichbar daher
Bandes. Die Aufgabe, die Entwicklung des religiöfen für einen Nachfolger Rettberg's Ruhm ift, fo unnöthig ift
und kirchlichen Lebens im deutfehen Volke zu zeichnen, es, fo unerlaubt wäre es, Rettberg's Arbeit noch einmal
harrt noch ihrer Löfung' — fo beginnt auf der Innen- thun zu wollen. Die richtige Würdigung diefer Situation
feite des Umfchlags des vorliegenden Buches eine Notiz , ift der Kirchengefchichte H.'s nur zu gute gekommen,
der Verlagsbuchhandlung, welche das fehlende Verfaffer- Manches Stoffes entlaftet, der bei Rettberg eine gefälligere
vorwort in gewiffer Weife erfetzt. Rettberg wurde am Dispofition ebenfo erfchwerte wie eine anziehendere Dar-
7. April 1849 vom Tode ereilt, bevor feit dem Erfchei- Heilung, hat H. in der Anordnung des Stoffes fich nur
nen des zweiten Bandes feiner Kirchengefchichte Deutfch- durch die Chronologie und durch fchriftftellerifche Zwecklands
ein Jahr verftrichen war; nur bis zum Tode Karl's 1 mäfsigkeitsrückfichten beftimmen zu laffen brauchen, hat
des Grofsen führen die beiden Bände. Friedrich ift durch 1 es wagen können, die gelehrten Unterfuchungen und
das Vaticanum auf neue Aufgaben hingewiefen, ehe feine 1 alle Quellenbelege in die Anmerkungen unter den Text
weitfehweifige Kirchengefchichte Deutfchlands (I. Die zu verweifen. Und der Verfuch, auf diefe Weife dem
Römerzeit. II. Erfte Hälfte. Die Merowinger. 1869) ] Buche ein weiteres Publicum zu verfchaffen, ift gewifs
Rettberg's Bahn zur Hälfte durchmeffen hatte; nur ein gelungen: die Darfteilung, der es an Frifche, Ueberficht-
Bruchtheil eines confervativeren Gegenftücks zu Rett- i lichkeit, Präcifion und Glätte nicht fehlt, wird auch aufser-
berg's Kirchengefchichte Deutfchlands iftFriedrich's Werk, ! halb der Kreife, die kirchenhiftorifcher Forfchung folgen
keine Weiterführung desfelben. Und nicht nur diefe können, zu feffeln vermögen. Der unfehöne Satz S. 174:
Weiterführung ftand noch aus. So berechtigt auch die ; ,Nicht einmal an ihrem Grabe beten follte man die Toch-
vielfeitige Anerkennung ift, die Rettberg's Kirchenge- ter laffen, verordnete die fterdende (Druckfehler) Ingy-
fchichte Deutfchlands bei Theologen und Profanhifto- j trud, und fie war eine Nonne', ift ein Unicum.
rikern gefunden hat; fo zweifellos trotz Friedrich auf j In drei Bücher zerfällt diefer erfte Band. Das erfte
Rettberg's Grundlage weiter zu bauen war: die vierzig j Buch behandelt ,das Chriftenthum in den Rhcinlanden
Jahre, die feit Rettberg's Arbeiten ins Land gezogen find, j während der Römerzeit'; es befchreibt zunächft die Aushaben
doch einige Erweiterung des Materials und eine breitung des Chriftenthums in Deutfchland bis in die Zeit
genauere Erkenntnifs manches Details gebracht; haben ] vor der fränkifchen Eroberung und fügt dann ,zur Cha-
auch das Gefühl dafür gefchärft, dafs Rettberg's Werk 1 rakteriftik der religiöfen und fittlichen Anfchauungen'
für das Verftändnifs der gefchichtlichen Entwicklung ein zweites Capitel an, in welchem der Verf. naturgemäfs
nicht annähernd foviel geleiftet hat als für die Sichtung j noch mehr als im erften von feinen Quellen fich nach
und Sicherung unferes mehr ftatiftifchen Wiffens in Bc- Gallien hinziehen läfst. Die Schilderung könnte vielleicht
zug auf die kirchlichen Verhältnifse in den einzelnen Pro- ; etwas kürzer gehalten fein; aber fie intereffirt, und über-
vinzen und Diöcefen des alten Deutfchlands. Man konnte dies ift es, wenn wirklich ,die Entwicklung des religiöfen
Rettberg nicht fortfetzen, ohne die fchon von ihm be- j und kirchlichen Lebens' dargeftellt werden foll, nicht
handelte Periode neu zu bearbeiten.

Diefe Neubearbeitung und Fortfetzung Rettberg's
waren wir Theologen den Profanhiftorikern fchuldig.
Herr Profeffor Hauck in Erlangen übernimmt es, diefe
Schuld abzutragen; er bietet uns den erften, bis zum
Tode des Bonifatius reichenden Band einer Kirchengefchichte
Deutfchlands dar, die nach der erwähnten Um-

fchlagsnotiz in drei bis vier Theilen, die in Zwifchen- j nommen hat. Mit liebevollem Verftändnifs und meines
räumen von ungefähr zwei Jahren erfcheinen werden, zu- j Erachtens zutreffendem Urtheil weifs er felbft in den
nächft bis zum Reformationszeitalter geführt werden foll. j fchauerlichen Zuftänden der Merowingerzeit die Fort-
Diefer Plan ift in diefer Form zweifellos unausführbar; j fchritte der Entwicklung aufzuzeigen, ja felbft in der

nur zweckmäfsig, fondern unbedingt nöthig, den Ausgangspunkt
der Entwicklung, die verfchrobenen, greifenhaften
Culturverhaltnifse des fünften Jahrhunderts, wirklich
anfehaulich zu machen. Das ift H. gelungen, und
es erfcheint als ein Hauptvorzug feines Buches, dafs er
wirklich auf diefem Fundamente die Darfteilung der Entwicklung
auch des religiöfen Lebens aufzubauen unter-