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Ausgabe:

1887 Nr. 7

Spalte:

160-161

Autor/Hrsg.:

Wiermann, H.

Titel/Untertitel:

Geschichte des Kulturkampfes. Ursprung, Verlauf und heutiger Stand. 2., bis auf die Gegenwart fortgeführte Aufl. 2.-7. (Schluß-)Lfg 1887

Rezensent:

Mueller, Karl

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159 Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 7. 160

vorlefung in Heidelberg handelte de contemptu tum S. j folche Erfahrungen zugleich jeder dogniatifchen Confen-
Scripturae tum Linguarum Orientalium in Academiis su- | fus-Union, die nie zum wahren kirchlichen Frieden führen
perioris seculi; und demgemäfs war Hottinger's Lehr- 1 kann, das Urtheil gefprochen, dagegen durch die kirch-
thätigkeit in erfter Linie darauf gerichtet, ,die jungen j liehen Erfahrungen des 19. Jahrhunderts der ganze Segen
Theologen in ein gründliches Studium des Hebräifchen ! der principiellen Union auf dem Boden der Reformation
und der nächft verwandten Sprachen einzuführen'. Diefem ; in ein klares Licht geftellt. Und wie in diefer Beziehung
Zwecke dienten feine öffentlichen Vorlefungen (3—4 1 die Gegenwart von der älteren und jüngeren Vergangen-
Stunden wöchentlich): Erklärung der Geneüs, des De- ! heit lernen kann — negativ und pofitiv —, fo giebt die
kalogs und der Pfalmen u. A.; feine Collegia privata inhaltreiche Feftfchrift Steiner's überhaupt nach verüber
fpeciflfch philologifche und hiftorifche Themata;! fchiedenen Richtungen hin, für das kirchliche, wiffen-
öffentliche Disputationen, die Hottinger wieder in Gang , fchaftliche und Culturleben inftruetive Fingerzeige,
brachte über Fragen aus dem Gebiete der altteftament- ! Eppelheim-Heidelberg. J. J. Kneucker.

liehen Exegeie und Archäologie, auch über dogmatifche j
Fragen, welche auf die angeftrebte Vereinigung der evan-

gelifchen Confeffionen Bezug hatten. Literarifche Nach- ! Wiermann, Dr. H., Geschichte des Kulturkampfes. Urfprung,
weife über diefe akademifche Thätigkeit Hottinger's geben Verlauf und heutiger Stand. 2., bis auf die Gegen-
die Noten 21—24 auf Seite 58 der Feftfchrift. — Eben- | wart fortgeführte Aufl. Mit Perfonen- und Sach-

dafelbft S. 58 Note 13 und 7, S. 59 Note 42 find die
Literaturnachweife über Hottinger's fchriftftellerifche Arbeiten
gegeben, und Seite 6 find deffen von Zürich ausgegangene
, Seite 59 Note 27 feine Heidelberger Publi-
cationen aufgezählt, durch welche diefer Gelehrte feine
Berühmtheit als einer der erften Begründer der orien-
talifchen Studien in Deutfchland gewonnen hat.

Ganz befonders dankenswerth erfcheinen aber die
Nachrichten, welche die Zürcher Feftfchrift giebt von
einem Unionsverfuch zwifchen Reformirten und Lutheranern
, den der Kurfürft Karl Ludwig von der Pfalz in
den Jahren 1656—57 mit Herzog Eberhard III. von
Württemberg gemacht hat (S. 11—15. 23 nebft den Ute

regifter. 2—7. (Schlufs-)Lfg. Leipzig, Renger, 1886.

(IV u. S. 49-336. gr. 8.) ä M. -.75.

Auch bei diefem Buch hat fich mir wieder die Erfahrung
beftätigt, wie wenig günftig es für eine Arbeit
ift, in Lieferungen zu erfcheinen. Ich habe die erfte
Lieferung f. Z. in diefer Zeitfchrift 1886 Nr. 14 fehr un-
günftig beurtheilt und kann auch nicht fagen, dafs mir,
wenn ich jetzt nach Vollendung des Werks auf die Anfänge
zurückfehe, diefe in einem anderen Licht erfchiene.
Aber ich gebe zu, dafs jenes Urtheil infofern nicht auf
das ganze Buch pafst, als in den fpäteren Lieferungen
die Mängel der erften nicht mehr durchweg im felben

der ,Prot. Kirchenzeitung' 1886, S. 1131 ff. für die frühere
Zeit nachgewiefen. Ebenfo fcheiterten in vorliegendem
halle die von der reformirten Pfalz ausgegangenen
Unionsverfuche (wie auch der unmittelbar vorher, 1633,
von Jon. Duräus ausgegangene) an dem dogmatifchen
Eigenfinn der lutherifchen Theologen Württembergs (und

rarifchen Nachweifungen in den dazu gehörigen Noten); j Mafs hervortreten. Man kann allerdings ebenfowenig
und zwar um fo dankenswerther, als fich darüber in den fagen, dafs fie ganz verfchwänden: es ift vielmehr ein
bisherigen kirchengefchichtlichen Werken unfers Wiffens Hauptfehler diefer Gefchichte, dafs fie in einem ganz
keinerlei Angaben finden. Auch hier tritt die bekannte i unverhältnifsmäfsig ausgedehnten Mafs einfach die Reden
charakteriftifche Thatfache wieder hervor, dafs die unio- | der Abgeordneten aus den verfchiedenen Parteien fei's
niftifchen Beftrebungen jederzeit von den Reformirten i auszugsweife fei's in verbis ipsissimis mittheilt. Auch an
ausgingen und, wo fie erfolglos blieben, jedesmal von ; Ausfchnitten aus Zeitungsartikeln fehlt es nicht. Solchen
lutherhcher Seite vereitelt wurden. ,Man wollte eben ! Luxus kann fich aber doch nur eine Gefchichte von ganz
von lutherifcher Seite nicht einig werden, fo lange nicht ' anderem Umfang leiften. Wer mit 330 Seiten Text ab-
die Reformirten ihre Eigenthümlichkeit ganz dem Luther- | fchliefst, mufs feinen Raum beffer verwenden. Da nun
tlium opferten'. Das hat neueftens wieder A. Baur in aber auch manche Actenftücke ganz oder theilweife abgedruckt
werden, fo bekommt diefe Gefchichte des
Culturkampfs grofsentheils das Ausfehen einer durch
kurze Notizen verbundenen Sammlung von Actenftücken,
Reden und Prefsftimmen. Solche Sammlungen haben
wir aber fchon und zwar beffere; ich glaube mich auch
nicht zu täufchen — und es fchliefst dies ja gar keinen
Jena's). Dabei ift es aber zugleich ein höchft auffallendes j Vorwurf ein —, wenn ich annehme, dafs der Verfaffer
Factum (mitgetheilt von A. Baur), dafs jüngfte Nach- 1 diefe Sammlungen, insbefondere die von Hahn, fleifsig
forfchungen im k. württembergifchen geh. Haus- und j benutzt hat.

Staatsarchive über diefen ,confeffionellen Unionsverfuch' I Es ift dann gerade bei diefer Methode in einer darerfolglos
gewefen find, während doch die ,Gefchichte [ ft eilen den Gefchichte nicht zu vermeiden, dafs die
des Herzogthums Württemberg unter der Regierung 1 einzelnen Abfchnitte fehr ungleich werden. Die Aus-
der Herzogen' von Sattler, Band IX vom Jahre 1776 führlichkeit z. B., in welcher mit Mittheilungen aus der
das kurpfälzifche Schreiben an Herzog Eberhard vom Anklageacte gegen Ledochowski vier Seiten gefüllt wer-
19. Dec. 1656 in der Beilage 52a (S. 126 ff.) enthält. — • den, ift bei dem Umfang des ganzen Buchs nicht ge-
Kurfürft Karl Ludwig hatte die traurigen Folgen der rechtfertigt. Dasfelbe Mifsverhältnifs tritt aber faft in
Zerriffenheit des Proteftantismus im 30jährigen Kriege jedem Capitel hervor.

an fich felbft erfahren, und fo nahm er, in feine Kur- Eine darftellende Gefchichte des Culturkampfs kann

würde eingefetzt, die unioniftifchen Beftrebungen feiner j fich aber überhaupt nicht auf die officiellen Acten und den
Ahnen wieder auf, übertrug diefe Angelegenheit im Oc- j Widerhall derfelben im Parlament und in einigen grofsen
tober 1656 dem Hohen- und Kirchenrath in Heidelberg, Zeitungen befchränken. Was hier über die Grundvor-
in welchem nun Hottinger an den Unionsverhandlungen ausfetzung der ganzen Entwicklung des Kampfs, die
in hervorragender Weife fich zu betheiligen berufen und Hille allmähliche Ilevolutionirung des katholifchen Volks
auch literarifch für die ,Religionseinigung' thätig war in Deutfchland durch Vereine, Preffe und perfönliche
(Vgl. Hilgenfeld's ,Zeitfchrift' 1868 S. 258 Nota). Wenn ' Agitation gefagt wird, ift durchaus ungenügend; was über
es fich nun aber nach dem Willen des Kurfürften für die politifche Taktik der ultramontanen Partei, die Lahm-
den pfälzifchen Kirchenrath in erfter Linie darum hau- legung der Gefetzgebung, die ganze Rolle des Centrums im
delte, ,über die wichtigften Differenzpunkte (Abendmahl; Reichstag und preufsifchen Landtag gefagt wird, ift fo gut
Perfon Chrifti; Gnadenwahl) eine Formulirung zu finden, wie nichts; ebenfo unzureichend ift die Darftellung des Um-
auf deren Grund man fich mit den württembergifchen ; fchwungs in der Stellung der Regierung: kaum ein Wort
Theologen verftändigen könne', und folche prekäre über das Verfagen und die feindfelige Haltung der confer-
Unionsverfuche nicht zum Ziele führten: fo ift durch i vativen und der hochkirchlichen Partei im ,Culturkampf'