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Ausgabe:

1887 Nr. 7

Spalte:

155-157

Autor/Hrsg.:

Gihr, Nik.

Titel/Untertitel:

Die Sequenzen des römischen Messbuches, dogmatisch und ascetisch erklärt. Nebst einer Abhandlung über die Schmerzen Mariä 1887

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 7.

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und im Uebrigen fich nicht über die Controverfe Huet's
und de la Rue's über den exegetifchen Streit des Eufta-
thius und des Origenes erhebt. Die wenigen nichts-
fagenden Zeilen aber, welche p. XXVII ,die exegetifche
und dogmatifche Bedeutung der Schrift des Origenes'
abthun, würden vermuthlich das äufserfte Befremden
fchon jener alten Gelehrten, von Seiten Huet's wenig-
ftens, felbft Entrüftung erregt haben. Die traditionelle
Redensart, welche die Abhandlung des Euftathius der
,antiochenifchen Schule' zuzuweifen pflegt, wird Niemand
einfach wiederholen mögen, der nicht Verwerfung der
allegorifchen Exegefe für das erfchöpfend charakteri-

weitern Sinne = fich aufhalten, fich befinden, verweilen'
u. f. w.; ,/uxa, dicht daneben, nahe bei, nächft, an der
Seite' (S. 83) u. dgl.

Eine wiffenfchaftliche Bedeutung hat das Buch nicht;
aber die auf dem Titelblatte befonders genannte Abhandlung
über die Schmerzen Maria' und die Aufnahme
derfelben in die ,Theologifche Bibliothek' ift
charakteriftifch für die moderne vatikanifche Theologie.
In dem Stabat mater ift nur von dem Schmerze die
Rede, welchen Maria neben dem Kreuze flehend empfand
; der Verf. fpricht S. 18-44 von der ,Siebenzahl
der Schmerzen Maria' und fcheint für diefe ,Aufzählung',

firende Merkmal jener Schule anfleht und den ganz- I obfchon er felbft angiebt, dafs fie erft durch den im 13.
liehen Mangel anderer bei Euftathius hiernach ignorirt, Jahrhundert (,auf Wunfeh und Geheifs der Gottesmutter',

überhaupt nicht gern mit Vorftellungen von folcher Un-
ficherheit und Undeutlichkeit operirt, wie die zur Zeit
über die Elemente der Bildung der .antiochenifchen
Schule' noch herrfchenden find.

Bei alledem bleibt beftehen, dafs man die Homilie
des Origenes über I Sam. 28 und die Streitfchrift feines
Gegners jetzt, Dank der Jahn'fchen Arbeit, in einem viel

S. 66) geftifteten Servitenorden eingeführt worden (S. 18.
66), eine dogmatifche Bedeutung zu bcanfpruchen; wenig-
ftens fagt er, ,die Kirche' felber habe diefelbe durch die
Einführung des Feftes von den heben Schmerzen Maria,
durch Ablafsverleihungen u. f. w. approbirt (S. 18. 73).
Er giebt zu, dafs von den heben Schmerzen Maria nur
vier in den Evangelien kurz erwähnt werden (Simeon's

befferen Text lefen kann. Aus Euftathius, der über- ! Weisfagung, die Flucht nach Aegypten, der Verluft des
haupt nicht zufällig dem Methodius feine befondere 1 zwölfjährigen Jefus, Maria unter dem Kreuze), ,während

Reverenz erweift, möge hier noch C. 29 als lehrreich für
das Verhältnifs der damaligen Theologie zur claffifchen
Cultur befonders hervorgehoben werden, für Stichome-
triker auch, dafs Euftathius C. 21, p. 60, Ii von Joh. 8, 59
auf 10, 31 135 Stichen rechnet.

Bafel. Fr. Overbeck.

Gihr, Spiritual Dr. Nik., Die Sequenzen des römischen

Messbuches, dogmatifch und ascetifch erklärt. Nebft
einer Abhandlung über die Schmerzen Mariä. Mit
5 Bildern. Freiburg i. Br., Herder, 18S7. (VIII, 548 S.
gr. 8.) M. 6.— ; geb. M. 7.75.

In der Herder'fchen Verlagshandlung erfcheint unter
dem Titel ,Theologifche Bibliothek' eine Sammlung von
Handbüchern der einzelnen theologifchen Disciplinen.
Zu diefer Sammlung gehören das Handbuch der Kirchen-

gefchichte von Hergenröther, der Dogmatik von Scheeben, > doch auf fpätere ,dogmatifch tieffinnige und ascetifch

über drei kein Wort darin fich findet' (Maria begegnet
ihrem kreuztragenden Sohne, der Leichnam Jefu auf
Mariä Schofs, ihre Theilnahme am Begräbnifs Jefu).
Er giebt auch zu, dafs fich in der chriftlichen Literatur
des erften Jahrtaufends verhältnifsmäfsig wenig über die
Schmerzen Mariä findet (über die beben Schmerzen nichts);
aber er verfichert (S. 66): ,der h. Geift, der die Kirche
in alle Wahrheit einführt, wecke und erleuchte zur rechten
Zeit die Herzen der Gläubigen zu befonders auf-
merkfamer und eifriger Erwägung irgend eines Glaubens-
geheimnifses, und fo fei im 11. Jahrhundert endlich der
Zeitpunkt gekommen, wo der fruchtbare Keim der Andacht
zu den Schmerzen Mariä, deren tief dogmatifche
Grundlage im Evangelium felbft gegeben fei, unter dem
belebenden Hauche des h. Geiftes fich entwickeln und
bald zu reicher Blüthe fich entfalten follte'. Und wenn
nicht auf die Bibel und die Kirchenväter und die Schrift-
fteller des erften Jahrtaufends, fo kann fich der Verfaffer

der biblifchen Einleitung von Kaulen, des Kirchenrechts anregende' Schriften berufen, fowie auf die ,Offenbarun-
von Vering u. f. w. Die gute Aufnahme, welche das j gen' der h. Birgitta, der Maria von Agreda u. f. w.,
Unternehmen gefunden, hat die Verlagshandlung, wie fie j wobei er (S. 73) bemerkt: ,Es würde nicht fchwer fein,
in einer Ankündigung fagt, ,ermuthigt, das urfprüngliche j ein ganzes Buch von Offenbarungen und Vifionen über
Programm in einer zweiten Serie zu erweitern und in 1 die Schmerzen Mariä zufammenzuftellen'.

den Kreis diefer Sammlung folche Handbücher aufzunehmen
, welche Theile der einzelnen Disciplinen oder
in der erften Serie nicht vertretene Disciplinen enthalten'.
Als ein Theil diefer zweiten Serie ift bereits in zweiter
Auflage erfchienen Nie. Gihr, das h. Mefsopfer, dog

,Unermefslich', lehrt der Verf. weiter, könne man
die Schmerzen Mariä nicht im eigentlichen Sinne, aber
infofern nennen, als fie über jede menfehliche Vorftellung,
Berechnung und Befchreibung erhaben feien (S. 2). Sie
hätten eine fo geheimnifsvolle Gröfse, dafs felbft nicht

matifch, liturgifch und ascetifch erklärt. Da jeder Band der hocherleuchtetfte Heilige fie vollftändig ergründen

der Bibliothek einzeln abgegeben wird, ift die Frage | und ermeffen könne. Gleichwohl füllt er 17 Seiten mit

praktifch nicht von Bedeutung, ob, zumal neben diefem ; einer Erörterung über ,die Gröfse der Schmerzen Mariä',

Buche, in die Bibliothek auch ein ziemlicher ftarker Band in welcher fich u. a. die Sätze finden: ,Nach dem gott-

über einen fehr kleinen und verhältnifsmäfsig unwichtigen 1 menfehlichen Leiden Chrifti ift Mariä Mitleiden das gröfstc

Theil des Mefsbuches aufgenommen zu werden verdiente
Der Sequenzen des römifchen Mefsbuches find nämlich
nur fünf: Victimae pascliali, angeblich von dem burgundi-
fchen Geiftlichen Wipo aus dem II. Jahrb., Veni Sande
Spiritus, aus dem 12. oder 13. Jahrh., Dies irac, wahr

aller menfehlichen Leiden. Gemeiniglich nimmt man an,
dafs Maria nach der Himmelfahrt Chrifti noch ungefähr
15 Jahre auf Erden zugebracht hat, — eine lange Zeit
mütterlichen Nachleidens. Da fie bereits am Fufse des
Kreuzes die bitterfte Todesnoth verkoftet hatte, ift fie

fcheinlich von Thomas von Celano f um 1255, Laiida 1 nicht aus Altersfchwäche, nicht an einer Krankheit, fon-

Sion, von Thomas von Aquin f 1274, und Stabat mater, dem aus einem Uebermafs göttlicher Liebe geftorben.

wahrfcheinlich von Jacopone da Todi 130.6. Mir fcheint, ' Sie war nicht Martyrin im eigentlichen und ftrengen

eine viel kürzer gefafste Erklärung der fünf Stücke i Sinne, aber im erhabenften Sinne Vorbild und Herrin

würde nicht nur in der Bibliothek eher am Platze, fon- ; aller Märtyrer; darum befitzt fie auch im vollften Mafse

dem auch überhaupt zweckmäfsiger gewefen fein. Jeden- | das Verdienft, den Lohn und die Glorie des Martyrer-

falls find die Abnehmer der Bibliothek, welche doch wohl j thums'.

alle eine Lateinfchule befucht haben werden, berechtigt, I Viel bedenklicher noch als all diefes Gerede ift die

es als eine Beleidigung aufzunehmen, dafs der Verfaffer
ganze Seiten mit , Worterklärungen' füllt wie: ,Sto, flehen
(im Gegenfatze des Sitzens, zur Bewegung u. f. w.); im

Lehre des Verf.'s, dafs ,Maria berufen war, hauptfächlich
durch ihre Schmerzen mitzuwirken beim Werke der Er-
löfung' (S 9), ,bei Ausführung des Erlöfungswerkes die