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Ausgabe:

1887

Spalte:

137

Autor/Hrsg.:

Kögel, Rudolf

Titel/Untertitel:

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch. 8. Jahrg. 1887 1887

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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Seite 1

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'37

Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 6.

Neue Christoterpe Hin Jahrbuch, hrsg. von Rud. Kögel, anlaffung der Veröffentlichung haben wir die in mancher
Wilh Baur und Emil Frommel. Bremen, Müller, *™e^"g lehrreiche Abhandlung des Herrn Verf's über

l das Wefen und die Aufgabe der akadem. Predigt im
1887. (V, 389 S. 8.) M. 4. — ,Vorwort'S. VII—XVI zu danken. Sodann liehen diefe

Die neue Chriftoterpe erhält fich auf ihrer bisherigen j akadem. Predigten in nahem Vcrhältnifs zu dem von
Höhe als gediegenes Jahrbuch für das gebildete chrift- J dem Herrn Verf. 1885 herausgegebenen ,Handbuch der
liehe Publicum. Auch der neue Jahrgang bietet viele j geifüichen Beredfamkeit'; fie find gewiffermafsen die
tüchtige und intereffante Beiträge in anregender Mannig- Probe auf die Rechnung, der praktifche Erweis für die
faltigkeit, die doch von Einem Geifte beherrfcht ift. Den ! Richtigkeit der Theorie; der theologifche Lefer wird
Reigen eröffnet eine Erzählung von N. Fries: ,Unterm veranlafst, kritifche Vergleiche anzuftellen, und die BeSchnee
'. Die bekannten Vorzüge der Fries'fchen Er- trachtung ift fehr anziehend, wie die dort entwickelten
Zählungen finden fich auch hier: tiefe Innigkeit und Grundfätze und Theoreme fich in praktifcher Ausführung
Wärme der Empfindung, finnige Beobachtung der menfeh- j geftalten. Endlich — doch das ift vielleicht ein mehr
liehen, namentlich der weiblichen Natur, anmuthige und individuelles Intereffe des Referenten — find diefe Pre-
anfchauliche Darfteilung, aber feine Erzählungen find : digten auf der Kanzel R. Rothe's gehalten, und die Seg-
doch zu einfeitig von vornherein als Bekehrungsge- nungen werden dem Gemüthe wieder lebhaft gegenwärtig,
fchichten angelegt und operiren mit flarken draftifchen welche von der Peterskirche in Heidelberg durch den Mann,
Mitteln, um auf ungewöhnlichem Wege und mitunter ! den der Herr Verf.,der Berten Einen'(S. 218) nennt, auf viele
recht unwahrfcheinlicher, pfychologifch nicht vermittelter | ausgegangen find. In feinem ,Handbuch' hat der Herr
Weife innere Wandlungen herbeizuführen. Eine grofse ; Verf. fich als Geiftesverwandten R. Rothe's u. A. in den
Virtuofität, zu imitiren, entwickelt H. Steinhaufen in Forderungen erwiefen, die er an den Prediger flellt: .er
einer Gefchichte aus der Schwedenzeit: ,Schwarzbärbels — der Prediger — mufs alfo etwas wiffen und in fich
Bräuterei'. Der Verf. hat eine ungewöhnliche Gabe der j verfpüren von jenem verborgenen Leben in Gott, wie
Darftellung und verficht es vortrefflich, in der Concep- ; es alles Denken und Handeln des religiöfen Menfchen
tion wie in der Ausführung den Charakter der Zeit feft- fletig begleitet und befruchtet, von jener feiigen Gemeinzuhalten
, der die Gefchichte angehört, wenn es auch fchaft mit Gott, wie fie Chriftus den Erlöfenden ermöglicht
nicht durchweg zur vollen Naturwahrheit kommt. Einen hat, welche in ihm ruhen, mit ihm und in ihm Frieden
tiefgefchöpften und fein durchgeführten belehrenden ] haben, und damit die Zuflucht in allen Nöthen, den Troft
Artikel bietet Fr. Gefs, der den biblifchen Begriff ,der , in allen Leiden, die Schutzwehr gegen Verfuchungen.
Einfalt' entwickelt. Hifforifche Artikel von zum Theil [ die Stärke zu allem Handeln, wie die letzte Klarheit für
bedeutendem Umfang werden von älteren und neuen j alles Denken' (S. 378). Was hier gefordert ift, der Herr
Mitarbeitern geliefert. H. Bayer's Artikel: ,Aus deut- j Verf. geht mit dem Beifpiel der Erfüllung voran; ein
fcher Königszeit' verfetzt in die glorreiche Zeit Hein- warmer, religiöfer Sinn, eine tief innerliche Myftik —
rieh's I. und fammelt chriftlich-edle Züge aus der Ge- wjr fürchten uns trotz allem mit dem Herrn Verf. vor
fchichte feiner Erwählung wie feiner Regierung. D. Erd- diefem Ausdruck nicht — trägt die Predigt, fall überall,
mann charakterifirt Dante in eingehender Befprechung 0b auch in verfchiedener Stärke, fpürt man ihren befeines
grofsen Werkes als ,Zeugen des Evangeliums', lebenden und erhebenden Hauch, zu befonders deutlicher
O. Funcke giebt ein Lebensbild des .armen Mönches j Ausfprache kommt fie in den Predigten am Charfreitag
und doch Königs' Bernhard von Clairvaux, während W. , und zu Odern; ,die innere Erfahrung von dem leben-
Baur Bruder Berthold von Regensburg, den grofsen digen Erlöfer, die über uns kommt wie ein Licht vom
Olksprediger, dardellt und feine bedeutende Perfön- Himmel, wie eine Stimme von oben, wie ein Wort aus
henkelt wie feine machtige Wirkfamkeit vor Augen I überirdifchem Munde, wie eine Offenbarung Gottes felbfl
führt. In die neuere Zeit verfetzt J. Ebrard mit dem die ill es, die uns die Oflergewifsheit giebt und fonft
Lebensbilde des edelflen Opfers der Bartholomausnacht, nichts' (S. 90). Je lebendiger und kräftiger diefe dem

des Coligny. Die Artikel find fämmthch feffelnd und j wahren Chriftenthum in irgend einer Form unveräufser-
anziehend gefchrieben, wenn auch hin und wieder mehr ! liehe Myftik pulfirt, um fo wachfamer gilt es allerfür
theologifche Lefer, als für chriftliche Lefer insgemein, dings zu fein, damit die Empfindung nicht auf Korten
Befonders gut hat unfers Erachtens Bayer den richtigen
Ton getroffen. G. Rietfchel, der Kunftlerfohn, liefert
ein wohlgelungenes Bild und eine zutreffende Charakte-
rirtik des edlen, in unferen Tagen des Realismus leider
vielfach vergebenen und unterfchätzten hochbegabten
Vertreters der deutfehen idealen Kunrt, des J. Schnorr
von Carolsfeld. Eine mit grofser Kunrt gefchriebene,

des klaren Gedankens das Wort beherrfche und Unbe-
rtimmtheit, wenn nicht Zerfloffenheit, den Hörern begegne
. Ob der Herr Verf. völlig diefer Gefahr und ftets
entgangen ift? Wir haben nicht nur den durchgehenden
Charakter der Predigten im Auge, den Charakter der
Contemplation und Reflexion, der den einheitlichen kräftigen
Gedanken, energifch ausgefprochen und durchge-

phantartifch gehaltene .mufikalifche Parallele':,Eine Geige' fuhrt, fo dafs der Hörer genöthigt wird, mit zu crehen
von R. Kögel berührt^etwas felUam, fehr vohlthuend ! in etwa vermiffen läfst; auch einzelne Predigten, z. Ii die

zu Gründonnerstag über Mt. 26, 17—20. 26—29 oder zu
Epiphanias über Mt. 2, 1 —12, dürften wohl nicht auf
den Vorzug klarer Gedankenentwicklung Anfpruch machen :
es bleibt überdies immerhin bedenklich, wenn in der
Epiphanias-Predigt Gebet, Bibel und Mufik als coordi-
nirte Erkenntnifsquellen dafür genannt werden, dafs injefu
ein neues Licht voll Heil und Leben aufgegangen fei.
Doch vielleicht hat diefe Unbertimmtheit einen theore-
tifchen Grund, die gefliffentliche Vermeidung des Lehrhaften
. Einerfeits ergiebt fich daraus bei dem Hörer
doch leicht das Gefühl eines Mangels an feilem Halt,
wie in der übrigens ebenfo fchönen wie tiefen Charfrei-
tagspredigt, in welcher nur mit der Beh auptung, dafs
wir mit Gott verföhnt feien, und dafs das Evangelium
ohne den Kreuzestod Jefu würde untergegangen fein, ope-

dagegen berühren die finnigen .Kleinen Reliquien' des
felben Verfaffers. Ein frifcher Blüthenftraufs von zum
Theil hervorragenden Gedichten durchzieht das Buch
mit poetifchem Duft; auch der ehrwürdige fchwäbifche
Sängermund K. Gerok läfst fich mit trefflichen Klängen
vernehmen.

Dresden. Meier.

Bassermann, Prof. Dr. Heinr., Akademische Predigten.

Stuttgart, Cotta, 1886. (XVI, 238 S. gr. 8). M. 3. —

Eine dreifache Thatfache hebt befonders für den
theologifchen Lefer die werthvolle Gabe des Herrn Verf.'s
aus dem Meere der homiletifchen Literatur, auch aus
der Literatur der .akademifchen Predigten', hervor. Die

Sammlung ift der Univerfität Heidelberg zu ihrem j riert wird, ohne dafs der zu Grunde Hegende Begriff der

funfhundertjährigen Jubiläum gewidmet, und diefer Ver- | Verföhnung erkennbar wäre. Anderfeits verleitet es de

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