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Ausgabe:

1887

Spalte:

134-135

Autor/Hrsg.:

Hansen, Theodor

Titel/Untertitel:

Wilhelm Hey, nach seinen eigenen Briefen und den Mittheilungen seiner Freunde dargestellt 1887

Rezensent:

Lindenberg, H.

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1 j.i

Theologifche Literaturzeittmg. 1887. Nr. 6. 134

Dem entfprechend bewegt fich denn auch in dem Manu- ! hat, zeigt zur Genüge, wie weit es fuhren wurde, wenn

fcript die Betrachtung auf dem Grunde fortfchreitender • man auch nur in ebenfo grofsen und rafchen Schritten

uefchichtlicher Entwicklung. In den Provinzialblättern der Bedachen der übrigen nachgehen wollte. Es ift eben

dagegen ift diefe Grundlage verlaffen: der in der Hand- j auf alle die gleiche Sorgfalt mit dem gleichen erfreu-

fchrift enthaltene gefchichtliche Stoff ift gröfstentheils ! liehen Erfolge verwendet; und auch bei Werken welche

in die gleichzeitig von Herder bearbeiteten Schriften
,Auch eine Philofophie der Gefchichte' und ,Aeltefte
Urkunde des Menfchengefchlechtes' übergegangen, und
der Reft wird in anderer Anordnung fo behandelt, dafs
die einzelnen Provinzialblätter in lockerer Verbindung

wie die .Aeltefte Urkunde des Menfchengefchlechts', die
,Briefe das Studium der Theologie betreffend' und die
Schrift ,Vom Geift der Ebräifchen Poefie', von den Herausgebern
der Vulgata mit gröfserer Schonung behandelt
worden find, flecken über deren Entftehung und Ausauf
Fragen fich beziehen, welche das praktifche Bedürf- führung die beigegebenen Einleitungen und Anmer-
nifs und der Reiz der Polemik vorzugsweife empfahl. '■ kungen ganz neue Lichter auf. Dabei ift der Preis des
Durch die zahlreichen und zum Theil heftigen Rück- mufterhaft ausgeftatteten Werkes fo niedrig geftellt, dafs
fchläge, welche die ftreitbare Schrift hervorrief, war fie er bei fucceffiver Anfchaffung der einzelnen Bände dem
nach wenigen Jahren fchon dem Verfaffer verleidet und Einzelnen, und bei Erwerbung des Ganzen wenigftens
wieder dachte er an eine Palingenefie' in welcher die Parochial-, Ephoral- und Conferenzbibhotheken kein zu
15 Provinzialblätter nicht 'allein auf 12 reducirt wer- fchweres Opfer auferlegt. Und fo fei denn dem Danke
den, fondern überhaupt unter ganz anderer Geftalt' er- an den Herausgeber und feine Mitarbeiter dafür, dafs
fcheinen follten. Daran hat fich nun wieder J. G. Mülfer wir jetzt wieder den echten Herder haben und die von
bei feiner Redaction der neuen Ausgabe des Wcrkchens ihm ausgegangenen mannigfaltigen Anregungen mit reiner
gehalten Herder's Gattin hatte mit ihrem Manne unter Freude uns zu Nutze machen können, nur noch fchliefs-
den durch dasfelbe hervorgerufenen Streitigkeiten fo lieh die erneute Bitte an die theologifchen Fachgenoffen
empfindlich gelitten, dafs ihr vor der Erneuerung des alten hinzugefügt: Kommt felbft und fehet!
Streites graute, welche durch den unveränderten Abdruck Leipzig. G. Baur.

der erften Ausgabe veranlafst werden könnte, und J. G.
Müller kam ihrer Stimmung nur allzu bereitwillig entgegen
. Man erftaunt über die Unbefangenheit der Selbft- Hansen, Dr. Thdr., Wilhelm Hey, nach feinen eigenen
täufchung, mit welcher er in der Vorrede zu dem 10. Theil Briefen und den Mittheilungen feiner Freunde dar-
der Octavausgabe, dem 15. der Tafchenausgabe, am geftellt. Gotha, F. A. Perthes, 1886. (VIII, 413 S. 8.)
18. October 1807 fchreiben konnte: ,An Prediger: zwölf * v > t o ,

Provinzialblätter. Die 1774 unter diefem Titel erfchienene ■

Schrift es waren aber auf ihrem Titel .Fünfzehn Pro- Der Fabeldichter Hey ift in den meiften mit Kindern

vinzialblätter' angekündigt) liegt diefer zum Grunde, gefegneten Häufern ein alter Bekannter. Eine Biographie
Aus einem viel ausführlicheren erften Entwurf, welchen desfelben darf daher um fo mehr auf vielfcitigcs Inter-
der Verfaffer — nicht zum Vortheil der Deutlichkeit! — ; effe rechnen, als, abgefehen von einer bald nach dem
m Ein Bändchen zufammenzog, ift hier an vielen Orten Jubiläumsjahr der Fabeln 1885 erfchienenen Skizze von
der Text erweitert oder deutlicher gemacht, dafür aber J. Bonnet noch kein ausführlicheres Lebensbild desfelben
find einige polemifche Stellen, wodurch fich verfchiedene vorhanden war. Der Verfaffer der vorliegenden Bio-
Gelehrte beleidigt glaubten, und die zu unterer Zeit graphie war durch ein fehr reichhaltiges Material nament-
wenig Intereffe mehr haben möchten, weggelaffen worden, lieh an nachgeladenen Briefen in den Stand gefetzt, ein
fo dafs fie hier in einer völligen Umarbeitung, und wie bis ins klcinfte Detail hinein ausgeführtes Bild zu zeichnen,
ich hoffe, heller und verftändlicher erfcheinen!' Alfo und man merkt es feiner Darfteilung an, dafs er aufs
nicht Herder felbft in feiner urfprünglichen und echten: forgfältigfte bemüht gewefen ift, felbft die geringfügigften
Geftalt ift es, was uns hierin der Vulgatausgabe vorge- Nebenumftände kritifch genau feftzuftellen, fo dafs er
führt wird, fondern ein vermüllerter Herder; und der vielleicht nicht zu kühn in der Vorrede behauptet: ,Fur
Sturm und Drang in der geiftigen Bewegung und in der die Richtigkeit der hier vorliegenden Angaben kann der
Schreibart, welcher gerade diefer theologifchen Schrift Verfaffer bürgen'. Eine andere P"rage ift freilich, ob diefe
fo charakteriftifch ift, ift zu einer diefen Charakter ver- Anhäufung von Detail dem Gefammtbild zum Vortheil
wifchenden Zahmheit herabgedämpft. Nicht einmal die ! gereiche. Der Verfaffer beruft fich auf Rückert's Wort:
ehrwürdige Handfchrift jenes ,viel ausführlicheren erften ,Von Unbedeutenden bedeutet Bedeutendes nicht viel,
Entwurfs' hat die Willkür diefes Herausgebers verfchont, Viel von Bedeutenden bedeutet ein unbedeutend Spiel',
fondern er hat fie verftümmelt, indem er mehrere ihrer aber durch die Begeifterung für feinen Gegenftand verBlätter
, namentlich aus dem Anfange des erften und des | leitet, hat er offenbar die Bedeutung desfelben über-
zweiten Theils feinem eigenen Druckmanufcript kurzweg j fchätzt. Ohne der anziehenden, liebenswürdigen, vom
einverleibte. Die neue Ausgabe bietet nun hauptfäch- j Geifte echter Frömmigkeit durchwehten Perfönlichkeit
lieh die Originalausgabe der .Fünfzehn Provinzialblätter' Hey's irgendwie zu nahe treten zu wollen, ohne den
von 1774 in correctem Wiederabdruck dar (S. 225—312), nicht zu unterfchätzenden Einflufs, den er noch fort-
läfst ihr aber auch den kurzen Entwurf (S. 175 f.) und | während durch feine Fabeln wie durch feine Kinderlieder
feine handfehriftlich vorhandene umfangreiche Ausfüh- j auf die Entwicklung des kindlichen Lebensalters ausübt,
rung (S. 177—224) vorausgehen: ,nur unerhebliche Stücke im mindeften zu verkennen, darf doch nicht überfehen
find ausgelaffen worden und folche, die fich in allem j werden, dafs feine Gabe nur eine auf ein beftimmtes
Wefentlichen mit dem Wortlaute der Fünfzehn Provin- , Gebiet befchränkte gewefen ift, dafs er nicht, wie der
zialblätter decken'. Die Lücken der Handfchrift mufsten j Verfaffer ihn darzuftellen fucht, ein grofser Dichter von
aus dem Vulgattext ergänzt werden und konnten es auch, , Gottes Gnaden war. Wäre diefer Gefichtspunkt mehr

da ja zu feiner Herftellung die der Handfchrift entnommenen
Blätter herhalten mufsten, mit einiger Wahrfchein-
lichkeit der Uebereinftimmung mit der urfprünglichen
F"affung im Ganzen, wenn auch felbftverftändlich nicht
mit ficherer Gewähr für die Echtheit des Einzelnen. Ein

zur Geltung gekommen, fo würde der Verfaffer manche
Ausführung, die jetzt in ihrer Breite ermüdet, vielleicht
gekürzt und damit den Eindruck des Ganzen wefentlich
verftärkt haben. Ebenfo wirkt es Hörend, dafs von jeder
einzelnen Nebenperfon, die im Laufe der Darfteilung er-

leitung und Anmerkungen dienen auch hier zur Dar- | wähnt wird, immer erft mit kurzen Daten ihre ganze
legung und Begründung des eingehaltenen Verfahrens. Lebensgefchichte hiftorifch treu referirt wird, fowie dafs
Schon diefeUeberficht auch nur über dasjenige, was j der Verfaffer oft, auch wo es durchaus nicht am Orte
bei zwei Schriften Herder's die neue Ausgabe geleiftet ift, eigene Zwifchenbemerkungen und Reminiscenzen ein-